Streit um Cranach-Triegel-Altar ICOMOS-Experte: Naumburger Dom behält Welterbestatus

Seit Monaten gibt es Streit um den neuen Cranach-Triegel-Altar im Naumburger Dom. Die Denkmalpflege-Organisation ICOMOS, die die UNESCO in Sachen Weltkulturerbe berät, hatte sich gegen die Aufstellung im Westchor ausgesprochen. Dennoch steht der Altar seit Juli genau dort. Das gefährde den Welterbestatus des Doms, hieß es. Stimmt nicht, sagt nun das deutsche ICOMOS-Mitglied Achim Hubel. Mit Aberkennung hätten ICOMOS und UNESCO nie gedroht. Der Streit geht trotzdem weiter. Über die Hintergründe.

Der Leipziger Künstler Michael Triegel steht im Dom zu Naumburg vor einem dreiflügeligen Altaraufsatz.
Der Leipziger Künstler Michael Triegel hat einen neuen Mittelteil für einen alten Cranach-Altar des Naumburger Doms geschaffen. Umstritten ist, wo der Altar aufgestellt werden sollte – und ob er den Weltkulturerbe-Status des Doms gefährdet. Bildrechte: dpa

Der Regensburger Denkmalpfleger Achim Hubel hat bestritten, dass der Cranach-Triegel-Altar im Westchor des Naumburger Doms dessen Welterbestatus gefährdet. Hubel ist emeritierter Professor für Denkmalpflege der Universität Bamberg und Mitglied von ICOMOS Deutschland – des Gremiums, das die UNESCO zum Welterbe berät.

Hubel sagte am Mittwoch bei MDR um 11, auch wenn es im Streit um den Altar mit den Domstiftern keine Einigung gebe, werde der Welterbetitel nicht gestrichen: "Nein, der wird nicht aberkannt. Das habe ich auch immer gesagt, das hat die UNESCO auch nie behauptet", so Hubel. Er habe sogar an die Naumburger Domstifter geschrieben, dass der Titel nicht aberkannt werde. "Es geht ja nicht um die Tatsache des Welterbetitels, sondern es geht um den Standort dieses Altares", erläuterte Hubel. Er müsse "woanders hinkommen". Ob es andere Konsequenzen haben könnte, wenn keine Einigung zustande kommt, dazu äußerte Hubel sich nicht.

Monatelanger Streit um Altar im Naumburger Dom

Über das Altarprojekt "Triegel trifft Cranach" im Naumburger Dom wird seit Monaten gestritten. Den Altar hatte Lucas Cranach der Ältere 1519 geschaffen, doch der Mittelteil wurde 1541 zerstört. Seit Juli vervollständigt ein neues Gemälde des Leipziger Malers Michael Triegel den Altar, der nun im Westchor steht – aus Sicht der Naumburger Domstifter war das sein ursprünglicher Bestimmungsort.

Hubel bestreitet das. Der Cranach-Altar habe früher nie im Westchor gestanden: "Alle historischen Nachrichten, die es zu diesem Cranach-Altar überhaupt gibt, beziehen sich immer auf den Ostchor. Keine einzige Quelle nennt, dass dieser Altar wirklich im Westchor stand", so Hubel bei MDR um 11.

Die Denkmalorganisation ICOMOS hatte sich von vornherein gegen die Aufstellung im Westchor ausgesprochen. Der Architekt, Kunsthistoriker und ICOMOS-Experte Manfred Schuller hatte das im Juli bei MDR KULTUR damit begründet, dass der 3,50 Meter hohe Altar die Sicht auf Figuren und bemalte Glasfenster störe.

Eine Tagung zum Altar-Streit in Naumburg

Sachsen-Anhalts Staatskanzlei hatte ebenfalls im Juli mitgeteilt, man habe von der UNESCO eine Stellungnahme zur Aufstellung des Altars erhalten: "Es ist darauf zu setzen, dass die Vereinigten Domstifter den Hinweisen von ICOMOS International Rechnung tragen und damit die Wahrung des Status als UNESCO-Weltkulturerbe in den Mittelpunkt ihrer Entscheidungen stellen", so die Staatskanzlei damals. Das wurde so interpretiert, dass ansonsten der Welterbestatus in Gefahr wäre.

Ende November 2022 diskutierten bei einer Tagung in Naumburg Fachleute über den Fall. Mitglieder von UNESCO oder ICOMOS waren allerdings nicht vertreten. ICOMOS-Experte Hubel sagte dazu, man sehe keinen Grund, bei der Tagung noch zu diskutieren. Für ICOMOS sei es "eine völlig klare Angelegenheit von Anfang an gewesen", dass der Altar nicht im Westchor stehen dürfe.

Streit um Naumburger Dom-Altar auch 2023 aktuell

Die Vereinigten Domstifter halten daran fest, dass der 1520 von Lukas Cranach vollendete Altaraufsatz für den Marienaltar des Naumburger Westchores geschaffen und dort auch aufgestellt worden sei. Dies habe eine wissenschaftliche Auswertung von historischen Quellen des Naumburger Domstiftsarchiv ergeben, wie die Domstifter in einer Pressemitteilung am 11. Januar 2023 bekannt gaben. Anhand von Rechnungsbüchern der Kirchenfabrik könnten die Thesen von Denkmalpfleger und ICOMOS-Mitglied Achim Hubel eindeutig widerlegt werden, heißt es. Dieser hatte zuletzt im Dezember 2022 in der Zeitschrift "Denkmalpflege in Sachsen-Anhalt" seine Auffassung bekräftigt, dass auf dem zentralen Altarblock im Westchor nie ein Altaraufsatz gestanden habe.

Dieser Artikel wurde zuerst am 24.11.2022 veröffentlicht. MDR KULTUR hat ihn mit den neuen Information bezüglich der Pressemitteilung der Domstifter vom 11.01.2023 nachträglich aktualisiert.

Quelle: Interview bei MDR um 11/Eigenrecherche. Redaktionelle Bearbeitung: Hendrik Kirchhof, Valentina Prljic.

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Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | 23. November 2022 | 11:00 Uhr

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