Hilfsprogramm "Neustart Kultur"Corona-Hilfen an Galerien trotz guter Geschäfte: Kulturrat fordert Rückzahlung
Deutsche Spitzengalerien haben nach Recherchen von Deutschlandfunk Kultur staatliche Corona-Förderungen im Rahmen des Hilfsprogramms "Neustart Kultur" bekommen – trotz Millionenumsätzen in der Pandemie-Zeit und ohne Prüfung des Bedarfs. Olaf Zimmermann vom Deutschen Kulturrat fordert nun Rückzahlungen. Der Erfurter Galerist Jörk Rothamel spricht sich für eine differenzierte Betrachtung aus.
Einige Galerien und Kunstmessen haben mehrfach Gelder aus verschiedenen Förderprogrammen im Rahmen des Corona-Hilfspakets "Neustart Kultur" bezogen. Das zeigt eine Recherche von Deutschlandfunk Kultur. Demnach konnten Galerien Summen im fünf- bis sechsstelligen Bereich einwerben – obwohl es ihnen im ersten Pandemie-Jahr kaum schlechter ging als zuvor und ohne dass vorher der tatsächliche Bedarf geprüft wurde.
Jetzt gibt es Rückzahlungsforderungen. Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, fordert, dass Galerien, die im Rahmen von "Neustart Kultur" Gelder bekommen haben, ohne sie zu brauchen, diese zurückgeben. Im Gespräch bei MDR KULTUR sagte er: "Das ist ja logisch. Wenn sie es gar nicht gebraucht haben, dann muss es wieder in den Topf hineinfließen von 'Neustart Kultur'."
Zimmermann verweist auf andere Bedürftige: "Neustart Kultur geht noch bis Mitte des kommenden Jahres. Es gibt ganz viele, die dringend dieses Geld brauchen. Und da fordere ich die Galeristen, die es nicht gebraucht haben, auf, es natürlich wieder zurückzugeben."
Zwischen kleinen und großen Galerien unterscheiden?
Jörk Rothamel ist Inhaber von zwei Galerien in Erfurt und Frankfurt am Main. Er plädiert dafür, in der Diskussion um die "Neustart Kultur"-Gelder zwischen kleineren und großen Galerien zu unterscheiden. Den großen Galerien würde es leichter fallen, Gelder zurückzuzahlen, sagte Rothamel MDR KULTUR: "Was aber bei dieser ganzen Diskussion ein kleines bisschen vergessen wird, ist, dass diese großen Galerien eigentlich nur einen ganz kleinen Prozentsatz ausmachen. Und die anderen 99 Prozent der Galerien können diese Förderungen vermutlich nicht zurückzahlen."
Die kleinen und mittelgroßen Galerien würden laut Jörk Rothamel einen ganz anderen Alltag erleben: "Die transportieren alles selbst, die bauen ihre Ausstellungen selbst auf und ab. Die betreuen Künstler, die betreuen die Sammler. Die bringen alle zusammen, schaffen Kontakte zu Museen und Kunstvereinen. Eine 80-Stunden-Woche ist da eher normal als die Ausnahme." Er selbst habe von "Neustart Kultur" 18.000 Euro erhalten, die mit 4.000 Euro Eigenmitteln in eine Buchpublikation über das neue Narrativ in der Malerei geflossen seien.
Corona und die Folgen für die Kultur
Mehr als 100 Millionen Euro Fördergeld für Bildende Kunst
Deutschlandfunk Kultur fasst zusammen, dass das Finanzvolumen von "Neustart Kultur" insgesamt etwa zwei Milliarden Euro beträgt. Mehr als 100 Millionen Euro davon flossen in den Bereich Bildende Kunst, wie die Erhebungen des Senders erstmals zeigen. Vermutlich etwa 30 Prozent dieser Gelder gingen demnach an Kunstmessen und Galerien, also an Unternehmen des kommerziellen Kunstmarkts.
Quellen: MDR KULTUR (Die Interviews führten die Moderator*innen Ellen Schweda und Stefan Maelck), Deutschlandfunk Kultur | Redaktionelle Bearbeitung: Simon Bernard
Kultur in der Krise
Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 16. November 2022 | 12:10 Uhr