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Die Kuratorin Claudia Schönjahn steht vor George Grosz' Aquarell "Ehepaar II". Das Bild eröffnet die Schau "Perlen der Moderne" mit Werken aus der Sammlung von Fritz Niescher. Bildrechte: MDR/Mareike Wiemann

Werke aus der Sammlung NiescherFeininger, Klee und Dix – Orangerie Gera präsentiert "Perlen der Moderne"

von Mareike Wiemann, MDR KULTUR

Stand: 27. Januar 2023, 04:00 Uhr

2021 gelang der Kunstsammlung Gera ein Coup: Sie erreichte, dass die Kunstsammlung des einstigen Chemnitzer Industriellen Fritz Niescher für rund zehn Jahre in der Stadt beheimatet sein wird. Nun gibt es in der Orangerie erstmals eine umfassende Überblicksschau zu dieser Sammlung, die Werke von Otto Dix genauso beinhaltet wie von Brücke- oder Bauhauskünstlern.

Direkt am Eingang dieser Schau geht's hinein in die Welt der wilden 20er-Jahre. Das Aquarell "Ehepaar II" von George Grosz hängt dort, zu sehen ist – in lila, mintgrün und schwarz gehalten – ein schick zurecht gemachtes Paar. Er mit Smoking und Monokel im Auge, sie mit einem gewagten, durchscheinenden Kleid und einem androgyn wirkenden Kurzhaarschnitt. Kuratorin Claudia Schönjahn hat das Bild bewusst an dieser prominenten Stelle positioniert: "Die beiden scheinen wie Ausstellungsbesucher auf irgendetwas außerhalb des Bildgrundes zu starren. Er guckt ein bisschen skeptisch, sie staunend und verwundert. Und genau dieses Staunen, das wollen wir auch versuchen bei unseren Besuchern hervorzurufen."

Schönjahns Mission bei dieser Ausstellung: eine Entdeckungsreise durch die Welt der klassischen Moderne zu kreieren. Die Sammlung von Fritz Niescher scheint ihr dafür außerordentlich gut geeignet, neben den beiden Schwerpunkten Barlach und Dix finde man hier allerlei exquisite Werke aus den 20er- und 30er-Jahren: "Und da sind wirklich so bekannte Namen wie Lyonel Feininger oder Paul Klee darunter. Wir freuen uns außerordentlich, Werke von ihnen präsentieren zu dürfen."

Wie der Margarine-Mäzen Otto Dix vor dem Ruin rettete

Otto Dix wurde von den Nationalsozialisten aus dem Lehramt geworfen. Fritz Niescher kaufte seinem Künstlerfreund regelmäßig Bilder ab, damit dieser ein Auskommen hatte. Dieses Bild von Dix zeigt Niescher mit Frau und Tochter. Bildrechte: VG Bild Kunst Bonn

Fritz Niescher baute von Chemnitz aus diese Kunstsammlung auf, die heute aus rund 520 Werken besteht, mit Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen. Das Geld dafür verdiente der Fabrikant mit der Produktion von Margarine – das Geschäft florierte, Niescher wurde zum klassischen Mäzen.

Er interessierte sich zunächst für Ernst Barlach. Dann lernte er ein paar Jahre später Otto Dix kennen, zu dem eine enge Beziehung entstand: "Spätestens in dem Moment, als Dix von den Nationalsozialisten aus seinem Lehramt geworfen wurde, war eine tiefe Verbundenheit da", erzählt Schönjahn. "Dix musste ja irgendwelche finanziellen Ressourcen finden. Und in dieser Situation war Fritz Niescher einer, der wesentlich zum Lebensunterhalt der Familie beitrug, indem er ihm Aufträge erteilte und ihm regelmäßig Arbeiten abkaufte. Ab 1937 ist deswegen eine ganz kontinuierliche Sammlungstätigkeit zu verzeichnen."

Bilder von Klee, Feininger, Schmidt-Rotluff, Kokoschka oder Marcks

Von Otto Dix ist ein großformatiges, in warmen Farben gehaltenes Familienporträt von Niescher, seiner Frau und seiner Tochter zu sehen. Auch Silberstiftzeichnungen von ihm sind in der Schau vertreten, oder auch eine Kaltnadelradierung mit dem berühmten Motiv des Streichholzhändlers. Seine Werke ziehen sich durch die Ausstellung, durchbrochen wird diese Linie immer wieder von den anderen berühmten Namen.

In der Ausstellung gibt es fünf Werke von Paul Klee zu sehen, die meisten entstanden während seiner Zeit am Bauhaus Weimar. Bildrechte: MDR/Mareike Wiemann

In einem Kabinett etwa sind an einer Wand fünf kleinformatige Zeichnungen und Aquarelle von Paul Klee zu entdecken. Vier Arbeiten entstanden während seiner Zeit am Bauhaus, eine bereits 1919. Ihm gegenüber sind zwei Zeichnungen von Lyonel Feininger gestellt. Wieder ein paar Schritte weiter sind Werke von Oskar Kokoschka, Karl Schmidt-Rottluff, Gerhard Marcks oder Otto Mueller zu entdecken. Als einzige Frau in der Ausstellung ist die Bildhauerin Renée Sintenis vertreten, von der wunderbar agil wirkende Bronze-Pferdchen in einer Glasvitrine vor sich hin toben.

Fritz Niescher – Sammler mit dem richtigen Händchen

Der "Mädchenkopf" von Karl Schmidt-Rottluff gehört zur Sammlung Fritz Niescher. Heute zählt er zu den berühmten anerkannten Künstlern, doch das war zu Nieschers Zeit noch nicht klar. Der Sammler besaß ein gutes Gespür. Bildrechte: VG Bild Kunst Bonn

Für Claudia Schönjahn ergibt all das eine erstklassige Mischung. Fritz Niescher sei eben kein gewöhnlicher Sammler gewesen: "Heutzutage wissen wir, dass das alles anerkannte Künstler sind. Damals war das aber noch nicht klar, und das ist eben das Erstaunliche! Er hatte Geschmack und wirklich eine Nase für die Kunst."

Die Erben von Fritz Niescher haben seine Sammlung für zehn Jahre an die Kunstsammlung Gera ausgeliehen: eine Spielwiese voller Spitzenkunst, die das Team in den nächsten Jahren weiter erkunden wird.

Informationen zur AusstellungPerlen der Moderne
Highlights aus der Sammlung Niescher
22.01. – 19.03.2023
Kunstsammlung Gera – Orangerie

Öffentliche Führungen
Samstag, 04.02.2023, 15 Uhr
Samstag, 04.03.2023, 15 Uhr
Samstag, 18.03.2023, 15 Uhr
Sowie jeden Donnerstag, 15 Uhr

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 01. Februar 2023 | 07:40 Uhr