AusstellungWie ein Schnapsbrenner in Salzwedel zum Foto-Pionier der Altmark wurde
Hauchzart und äußerst zerbrechlich ist ein Schatz, den das Danneil-Museum Salzwedel seit gut zehn Jahren beherbergt. Es sind Glas-Negative, teilweise mehr als 120 Jahre alt. Ein Salzwedeler Unternehmer hatte sich die Fotografie zum Hobby auserkoren. Albert Wande hinterließ so mehr als 2.500 Zeitdokumente, die es sogar bis in die Dresdner Kunstsammlungen geschafft haben. Das Johann-Friedrich-Danneil-Museum in Salzwedel zeigt die beeindruckendsten Bilder jetzt in seiner Jahresausstellung mit dem Titel "Altmark, Wendland, Heide – Albert Wande (1862-1936) – Fotografische Wanderungen".
Vernarrt in neue Technik war Albert Wande nicht. Im Gegenteil: Erfindungen wie dem Automobil misstraute der 1862 geborene Salzwedeler zutiefst. Nun, für die Foto-Kamera galt das ganz offensichtlich nicht: Wande war einer der ersten umtriebigen und kompetenten Fotografen im heutigen Mitteldeutschland.
Das konnte er sich auch leisten, sagt Ulrich Kalmbach, der Leiter des Salzwedeler Danneil-Museums: "Er muss schon sehr eigen gewesen sein. Er hatte eine Brauerei und eine Brennerei, also einen Wirtschaftsbetrieb." Zugleich habe ihm die abgesicherte ökonomische Stellung des Familienbetriebs ermöglicht, in seiner Freizeit viel zu fotografieren.
Mit der Kamera durch die westliche Altmark und das Wendland
Den Salzwedelern begegnete Albert Wande hauptsächlich mit Hut und Gehrock und mit Stativ und Plattenkamera auf der Schulter. So war er unterwegs, beinah immer zu Fuß, wandernd.
Nicht nur in seiner Heimatstadt, sondern in der ganzen westlichen Altmark, im benachbarten Wendland und in der Heide. Entstanden sind mehr als 2.500 Aufnahmen auf hauchdünnen Glasträgern.
Die begeistern auch den Leiter des Kreiskulturamtes, Dr. Jochen Hofmann: "Es sind ganz faszinierende Motive dabei, die uns eine Landschaft zeigen, die es so heute nicht mehr gibt, die vor 100, 120 Jahren aufgenommen wurden, die uns Menschen in der damaligen Zeit zeigen und uns eben die westliche Altmark, aber auch andere Gegenden im nördlichen Deutschland nochmal ganz anders vor Augen führen."
Fotografische Zeitdokumente für die Ewigkeit
Moore, mäandernde Bäche, vor Kraft strotzende Gutsparks – alles weg. Nur weil Albert Wande mit Leidenschaft fotografierte, wissen Historiker und Heimatfreunde heute, wie ihre Region früher aussah. Das gilt auch für Gebäude, ganze Dörfer gar:
"Darunter sind auch Kirchen wie Groß Grabenstedt, die es heute gar nicht mehr gibt. Grabenstedt ist ja im Rahmen des DDR-Grenzregimes geschleift worden." Bei Wandes Fotografien handele es sich somit um wichtige Zeitdokumente, so Hofmann.
Unter den mehr als 2.500 Glas-Negativen des Albert Wande findet sich auch Familiäres. Selbst das aber, sagt Salzwedels Museumsleiter Ulrich Kalmbach, ist aus heutiger Sicht auch wissenschaftlich interessant.
Von seinen beiden Kindern fotografierte Wande über Jahre hinweg eine Reihe von Doppelporträts. Zeitdokumente, die über die reine Familienüberlieferung hinausgingen. Denn sie geben uns heute Aufschluss darüber, wie Kinder und Jugendliche um 1900 aussahen, so Kalmbach.
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Was die Sammlung Albert Wandes so wertvoll macht
So eigen Albert Wande auch gewesen sein mag: Ein Charakterzug macht den Mann dem heutigen Museumsleiter extrem sympathisch. Wande notierte alles Wichtige zu jeder einzelnen seiner Aufnahmen. Das hat Ulrich Kalmbach die Arbeit an der Jahresausstellung sehr erleichtert.
So verfüge jedes Negativ über eine Papierhülle mit Vermerken über Datum und Motiv sowie Zusatzanmerkungen wie "Blick von West oder Südost". Die akribischen Aufzeichnungen würden den Wert der Sammlung einmal mehr unterstreichen, so Kalmbach.
Einer der ersten "professionellen Freizeitfotografen"
Anerkennung bekam der fotografierende Brauer und Brenner Albert Wande schon zu Lebzeiten von anerkannten Kunst-Experten. Einige Wandesche Arbeiten landeten schon 1900 im Dresdner Kupferstichkabinett, erzählt Kalmbach:
"Man war damals schon so fortschrittlich, Fotografie als Kunstgattung anzuerkennen und eine eigene Sammlung aufzubauen. Mehrere Aufnahmen von Wande zählen zu den ersten Konvoluten von 'professionellen Freizeitfotografen', die überhaupt in die Sammlung kamen."
Jahresausstellung im Danneil-Museum Salzwedel präsentiert prägnanteste Aufnahmen
Die prägnantesten Aufnahmen von Albert Wande sind jetzt in der Jahresausstellung im Danneil-Museum Salzwedel zu sehen. Ulrich Kalmbach ist die Auswahl aus 2.500 Glasplatten wirklich schwergefallen. Auch er hängt, wie Wande, an seiner Heimat und würde gern noch mehr zeigen. Wenigstens kann er an drei Medienstationen zusätzlich Landschaftsaufnahmen aus Altmark, Heide und Wendland zeigen. Die großen schwarz-weißen Abzüge an den Wänden sind digitale Prints aus einem extra für Wandes besondere Bilder angeschafften Hochleistungsdrucker. Denn auch die Kunst, von den alten Glasnegativen feine Positive zu ziehen, ist verschwunden – so wie einige von Wandes Foto-Themen.
Sein letztes Motiv aber steht noch. Ulrich Kalmbach geht fast täglich daran vorbei. Die Aufnahme sei drei Tage vor Wandes Tod entstanden und zeige die Katharinenkirche.
Wandes Erben haben sich die Jahresausstellung wohlwollend angesehen. Die Entscheidung, die zarten Glasplatten ihres besonderen Vorfahren dem Museum zu überlassen, erscheint ihnen jetzt richtiger denn je.
Informationen zur Ausstellung
"Altmark, Wendland, Heide – Albert Wande (1862-1936) – Fotografische Wanderungen"
Jahresausstellung des Johann-Friedrich Danneil Museums
Adresse: An der Marienkirche 3, 29410 Salzwedel
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 13 bis 17 Uhr
Redaktionelle Bearbeitung: Rebekka Adler
Ausstellungen in Sachsen-Anhalt
Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 24. Oktober 2022 | 07:10 Uhr