InklusionMit Asperger-Syndrom zum Traumjob im Spielzeugmuseum Sonneberg
Robin Löhnert hat das Asperger-Syndrom, eine Form des Autismus. Nach einem passenden Job musste er deswegen lange suchen. Doch für eine spezielle Aufgabe im Deutschen Spielzeugmuseum im thüringischen Sonneberg kam er wie gerufen – ein Beispiel gelungener Inklusion.
In der aktuellen Sonderschau in Sonneberg geht es um Spielzeug aus Ost und West: Frau Elster und Schnatterinchen sind zu sehen, genauso wie Monchichis und Barbies. Robin Löhnert hat mitgeholfen, die Schau zu konzipieren: "Das hier wäre zum Beispiel etwas, was ich gemacht habe", sagt er und deutet auf eine gläserne Vitrine, in der sich verschiedene kleine Plastikfiguren tummeln. "Das sind Cowboys und Indianer. Also Spielzeug, das wahrscheinlich jeder in irgendeiner Form aus dem Kinderzimmer kennt, das jeder irgendwann mal hatte."
Sein Lieblingsplatz in dieser Ausstellung ist aber ein anderer – eine Vitrine mit Lego, die hinter einem Vorsprung am Ende des Raums steht: "Sie steht etwas abseits, was mir sehr entgegenkommt, wenn ich mir sie mal anschauen möchte. Denn ich stehe auch gerne eher am Rand und weniger im Mittelpunkt."
Menschen mit Asperger-Syndrom vermeiden großen Trubel
Robin Löhnert redet offen und schmunzelt viel. Es fällt ihm allerdings schwer, seinem Gegenüber dabei in die Augen zu blicken. Vor zehn Jahren wurde bei ihm das Asperger-Syndrom diagnostiziert. Kommunikation mit anderen Menschen fordert ihn extrem, er braucht klare Strukturen in seinem Leben und kann nur wenig Trubel aushalten. Deswegen begann für ihn nach dem Abitur eine Odyssee. Ein Studium in der fernen Großstadt endete in Depressionen, das Jobcenter vermittelte ihn in verschiedene Maßnahmen, doch nichts passte. Dann aber entdeckte er die Ausschreibung des Spielzeugmuseums, das einen Bundesfreiwilligen für die Digitalisierung der Sammlung suchte.
Löhnert sei schon in der Bewerbung auf seine Diagnose eingegangen, erinnert sich Sammlungsleiterin Manuela Müller. So habe das Team gleich gewusst, worauf es sich einstellen musste: "Und das hat es uns einfacher gemacht. Das Eis war sehr schnell gebrochen, und es kamen keine Berührungsängste auf."
Löhnerts Hauptaufgabe seitdem im Museum: die rund 100.000 Inventarkarten zu digitalisieren. Eine Sisyphusarbeit, bei der jede Information per Hand in den Computer eingetippt werden muss. Viele Informationen wurden zudem in der früheren Kurrentschrift eingetragen.
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Es dauere deswegen oft länger, erzählt Robin Löhnert, "bevor man entziffert hat: Was steht auf der Karte überhaupt drauf?" Das liege nicht nur an der Kurrentschrift. Manchmal gebe es auch Rechtschreibfehler oder verschmierte Tinte, "oder irgendjemand dachte, er müsste im Sonneberger Dialekt schreiben." Da müsse man erst herausfinden, was eigentlich gemeint sei.
So manch einen würde dieser Job wohl stark frustrieren, Löhnert aber geht völlig darin auf. Museumsleiterin Christine Spiller setzte deswegen alle Hebel in Bewegung, um aus dem Bundesfreiwilligendienst ein festes Anstellungsverhältnis zu machen. Als eine Kollegin in Rente ging, wurde Löhnert angestellt – eben nicht aus Mitleid, sondern, weil er einfach der Beste für diese Aufgabe war. "Jemand, der so viel Ordnungssinn hat, so viel Struktur, so viel in Kategorien denkt – das ist genau das, was die Sammlung braucht!", betont Spiller.
Das Asperger-Syndrom als große Stärke
Das Asperger-Syndrom ist aus ihrer Sicht "überhaupt keine Beeinträchtigung, sondern der große Vorteil und die große Stärke auf der Stelle", so Spiller. "Und das ist auch das Hauptargument gewesen, dass wir gesagt haben: Wir haben Herrn Löhnert jetzt im Team, und wir wollen ihn da nicht wieder draußen haben! Also müssen wir einen Weg finden, ihn dauerhaft zu behalten."
Der 34-Jährige hat nun eine unbefristete halbe Stelle im Spielzeugmuseum. Bald will er noch eine Fernausbildung machen, um seine Kompetenzen zu erweitern und auch besser bezahlt zu werden. Dass ihm mit seinem IQ von rund 140 vom Jobcenter mal empfohlen wurde, in eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung zu gehen, ist zum Glück Geschichte. Er hat seinen Traumjob gefunden.
Inklusion: der Thüringer Arbeitsmarkt für schwerbehinderte Menschen – Zahlen und Fakten
In Thüringen hat sich der Arbeitsmarkt für Menschen mit Schwerbehinderung in den vergangenen fünf Jahren positiv entwickelt. Das geht aus Daten der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit hervor. Demnach sank die Zahl der arbeitslosen schwerbehinderten Menschen von 2017 bis Oktober 2022 um rund 12 Prozent auf etwa 4.500. Allerdings: Die Zahl der Arbeitslosen insgesamt sank im selben Zeitraum sogar um 17 Prozent. Menschen mit Behinderung bleiben also auf dem Thüringer Arbeitsmarkt benachteiligt. Außerdem ist unter den arbeitslosen schwerbehinderten Menschen der Anteil der Langzeitarbeitslosen gestiegen.
Dabei sind schwerbehinderte Arbeitslose oft gut ausgebildet: Laut Arbeitsagentur hatten im Freistaat im vergangenen Jahr knapp 77 Prozent von ihnen einen Berufsabschluss oder eine akademische Ausbildung. Bei den Arbeitslosen insgesamt habe der Anteil derart Qualifizierter nur bei 62 Prozent gelegen.
Redaktionelle Bearbeitung: Hendrik Kirchhof
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 03. März 2023 | 06:15 Uhr