Volle Festivals und heiße Debatten Rückblick: So war das Kulturjahr 2022 in Thüringen
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Das Kulturjahr 2022 in Thüringen war ein Jahr voller Widersprüche. Endlich gab es in den Theatern wieder volle Säle, und Festivals wie das Rudolstadt-Festival oder das SonneMondSterne konnten gefeiert werden. Gleichzeitig kamen mit dem Krieg in der Ukraine und der Energiekrise neue Herausforderungen auf. Ein persönlicher Jahresrückblick von MDR KULTUR-Landeskorrespondentin Mareike Wiemann.

Wo fängt man an, auf dieses Jahr zurückzuschauen? Mit dem Guten: den vollen Konzertsälen, den ausverkauften Premieren, den angeregten Diskussionen, die endlich wieder möglich waren? Oder mit dem Schatten, der sich ab dem 24. Februar 2022 über alles gelegt hat, mit dem Krieg in der Ukraine und seinen Folgen auch fürs Kulturleben?
Thüringer Musikfans im Festivalrausch
Ich möchte mit dem Schönen beginnen! Endlich konnte in diesem Sommer wieder getanzt und gefeiert werden. Zum Beispiel auf dem Rudolstadt-Festival. Nachdem es zweimal wegen Corona ausfallen musste, diesmal dann das Wagnis: Tausende Musikfans aus aller Welt kamen wieder nach Rudolstadt, Konzerte von Pussy Riot oder Rufus Wainwright werden in Erinnerung bleiben. Auch Theater fand wieder in vollen Sälen statt, und in Thüringen waren einige Perlen zu entdecken, darunter "Der Meister und Margarita" am Deutschen Nationaltheater Weimar oder auch die Uraufführung von "Herscht 07769" in Rudolstadt – beide Stücke sind übrigens auch im kommenden Jahr noch zu sehen.
Dann waren da noch Ausstellungen, die mich verzaubert haben, wie jene in der Orangerie Gera mit Gemälden von Gerda Lepke, zu sehen noch bis 8. Januar 2023. Oder die Fotografie-Schau "Family Affairs" in der Kunsthalle Erfurt, die ebenfalls noch besucht werden kann.
Kultur in Thüringen gibt Hoffnung nicht auf
Ich habe bei meinen Interviews in diesem Jahr insgesamt viel Optimismus in der Kulturbranche herausgehört – auch, wenn bei weitem noch kein Vor-Pandemie-Zustand herrscht. Die Menschen buchen keine Theater- oder Konzertkarten mehr im Voraus, das habe ich immer wieder gehört, von großen Häusern genauso wie von kleinen Veranstaltern.
So musste man im Kulturbereich vergangenes Jahr ordentlich Nervenstärke aufweisen. Denn zusätzlich zum unkalkulierbaren Besucherverhalten kam ja noch der Ukraine-Krieg und die damit einhergehenden explodierenden Energiekosten. So haben beispielsweise die Museen in den vergangenen Monaten fleißig Notfallpläne erarbeitet: Wie reagieren wir, wenn der Strom ausfällt? Was tun wir, wenn wir die Heizung abschalten müssen? All das musste besprochen werden.
Auch positionierten sich viele Häuser, Museen wie Theater, zum Krieg, setzten etwa wie die Stiftung Schloss Friedenstein in Gotha die Zusammenarbeit mit russischen Institutionen aus.
Hitzige PEN-Debatte in Gotha, leiser Austausch in Weimar
Und auch die großen politischen Debatten machten vor der Landesgrenze nicht halt: Hoch kochte es vor allem im Mai in Gotha, als dort die Schriftstellervereinigung PEN tagte und die Frage, ob Deutschland schwere Waffen an die Ukraine liefern sollte oder nicht, die Mitglieder entzweite. Deniz Yücel wollte nicht mehr Präsident des von ihm als "Bratwurstbude" titulierten PEN sein und trat in Gotha zurück, in der Folge gründete sich die Abspaltung PEN Berlin.
Zum Glück war dieses Fest der Eitelkeiten aber nicht das einzige Diskussionsforum zum Krieg, einen ungleich positiveren Eindruck hat bei mir das deutsch-ukrainische Schriftstellertreffen hinterlassen, das dann im November in Weimar stattfand. Hier kamen Schreibende aus Deutschland und der Ukraine zusammen, es war ein emotionaler und sehr konstruktiver Austausch, der einen wachen Blick eröffnete auf ein Land, dessen ganz eigene Kultur wir auch Ende 2022 noch viel zu wenig kennen.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 29. Dezember 2022 | 07:10 Uhr