Kunstgeschichte Ausstellung in Weimar gibt vergessenen Bauhaus-Frauen ein Gesicht
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Die Ausstellung "Vergessene Bauhaus-Frauen" zeigt die weibliche Seite der berühmten Kunstschule. Denn in der öffentlichen Wahrnehmung sind nach wie vor Männer die Bauhaus-Stars. Allerdings waren 460 Studentinnen am Bauhaus eingeschrieben – von einem Drittel von ihnen sind jedoch nicht einmal mehr die Lebensdaten bekannt. Das will das Bauhaus-Museum in Weimar nun ändern und macht in der Ausstellung, die bis zum 4. Januar 2022 zu sehen ist, die Werke und Lebensläufe von 39 bisher unbekannten Bauhäuslerinnen bekannt.
Bis zum 4. Januar 2022 zeigt das Bauhaus-Museum in Weimar seine Sonderausstellung "Vergessene Bauhaus-Frauen. Lebensschicksale in den 1930er- und 1940er-Jahren". Ganz so vergessen sind einige der in der Schau präsentierten Bauhaus-Frauen dann aber doch nicht.
Nur wenige Bauhaus-Frauen erlangten zu Lebzeiten Bekanntheit
Alma Siedhoff-Buscher beispielsweise wurde 2005 in Weimar höchstselbst durch das Bauhaus-Museum in einer Schau einem breiten Publikum bekannt gemacht. Heute kann man Buschers multifunktionale Kindermöbel im Musterhaus "Am Horn" bewundern, ihr "Kleines Schiffbauspiel" ist wieder im Handel.
Auch die Namen von Friedl Dicker-Brandeis oder jener der Textilgestalterin Otti Berger sind längst nicht mehr unbekannt. Berger fing an, mit Chemiefaser zu experimentieren, damals auch "künstliches Rosshaar" genannt, sagt Anke Blümm, die Kuratorin der Ausstellung. In der Schau sind einige von Bergers Entwürfen zu sehen.
Klassik Stiftung Weimar will Lebensläufe "ins Licht holen"
Doch dann folgen in der Schau die Namen, Lebensläufe und nur wenige Werke von 36 Frauen, die alle am Bauhaus studierten, die jedoch nur wenigen bekannt sein dürften. Sie alle starben vor 1945, konnten ihr Werk nicht richtig entfalten. Die meisten wurden in KZs und Ghettos ermordet, die Sportlehrerin Karla Grosch ertrank vor Tel Aviv.
Dass die Lebensläufe der Frauen sehr individuell sind, betont Wolfgang Holler, Generaldirektor Museen der Klassik Stiftung Weimar. Denn obschon man früher immer gesagt hätte, das Bauhaus sei links und gegen den Nationalsozialismus, war dem nicht so, so Holler, "es gab natürlich immer auch Persönlichkeiten, die sich erhofften, in einer solchen Zeit zum großen Erfolg zu kommen."
Holler verweist darauf, dass die Situation der Frau noch eine ganz andere war und sie sich damals noch ganz anders behaupten mussten. Auch sei die Zeit vor ’45 die am wenigsten untersuchte, denn viele Informationen wären weg.
Die Frauen waren noch gar keine ausgereiften Künstlerpersönlichkeiten, das Werk ist oft auch sehr schmal. Und diese Lebensläufe, die wirklich im Dunkeln versunken waren, die nicht mehr existierten, ins Licht zu holen, war unser Anliegen.
Sehenswerte Entdeckungen von Hilde Horn, Hedwig Slutzky oder Lilly Reich
Zu den Entdeckungen gehören Fotos und Collagen von Hilde Horn, einer Gebrauchsgrafikerin, die den Vorkurs bei Lázló Moholy-Nagy besuchte, Bauhausmeister für experimentelle Fotografie. Ein Foto Horns erinnert an Marianne Brandts berühmte fotografische Erkundungen der Metallwerkstatt im Geist des "Neuen Sehens": Uhren, Metallspäne oder Hohlspiegel wurden irritierend arrangiert und angeschnitten.
Horn lässt durch einen raffinierten Schattenwurf die Formen eines Eis und eines Strohhalms verschmelzen. Patrick Rössler, Kurator der Ausstellung, erklärt: "Die Fotos entsprechen am ehesten dem, wie wir uns das Bauhaus heute vorstellen. Sie sind Prototypen dieser neusachlichen Gestaltungsweise, dieser Reduktion auf Kernbotschaften, auf klare Formen, eine klare Organisation der Fläche, auf die Diagonale, die eine ganz zentrale Rolle spielt, auf das Spiel mit Hell und Dunkel, mit Licht und Schatten, um Dinge plastisch herauszuarbeiten. Und diese Art der Materialfotografie, die ihr auch beigebracht wurde am Bauhaus, die hat sie in diesen Gestaltungen wirklich kongenial umgesetzt."
Die Familien der Betroffen halfen bei der Aufarbeitung
Eine Textilarbeit von Hedwig Slutzky, ein Foto zu einer Ausstellungsgestaltung von Lilly Reich oder auch eine Farb-Form-Konstellation von Gertrud Grunow bereichern die Schau. Die geringe Zahl der Exponate zeigt, wie schwierig es war, sie zu recherchieren. Bei einigen gab es zu Anfang nichts.
Bei der Aufarbeitung halfen die Familien der Betroffenen – und oft auch glückliche Fügungen, so auch im Fall der Jüdin Lotte Rothschild, die die Metallwerkstatt besuchte, dann aber 1944 in Auschwitz ermordet wurde. Hier gab es Hilfe von einer US-amerikanischen Kunsthistorikern, sagt Anke Blümm: "Elisabeth Otto hat dieses Schicksal näher erforschen können, vor allem, weil es eine überlebende Tochter gibt, die über 80-jährig in der Schweiz wohnt und ihr Erinnerungen zukommen lassen hat. Und dadurch konnten wir dann einen längeren Beitrag in der Biografie schreiben."
460 Studentinnen sind am Bauhaus verzeichnet. Von immerhin 61 konnte das Forschungsprojekt, das 2013 begann, bis heute keine weiteren Daten ermitteln.
Informationen zur Ausstellung
"Vergessene Bauhaus-Frauen"
Sonderausstellung im Bauhaus-Museum Weimar
2. Oktober 2021 bis 4. Januar 2022
Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Montag, 9:30 bis 18 Uhr
Dienstag geschlossen
Bauhaus-Museum Weimar
Stéphane-Hessel-Platz 1
99423 Weimar
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 05. Oktober 2021 | 07:10 Uhr