NÄCHSTE GENERATION Kann uns Kunst helfen, die Coronakrise zu verarbeiten?

14. März 2022, 16:00 Uhr

Simon Surjasentana ist Pfleger auf der Intensivstation eines Weimarer Klinikums. Und er ist Künstler. Mit seinen Ölgemälden, in denen er seinen Arbeitsalltag während der vergangenen zwei Pandemie-Jahre verarbeitet, eröffnet er den Betrachterinnen und Betrachtern Einblicke in eine Welt, die ihnen meist verborgen bleibt.

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NÄCHSTE GENERATION Simon Surjasentana 6 min
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Simon Surjasentana ist Pfleger auf der Intensivstation eines Weimarer Klinikums – und er ist Künstler. Mit seinen Ölgemälden gibt er Einblicke in eine Welt, die den Betrachterinnen und Betrachtern meist verborgen bleibt.

Mo 17.04.2023 13:40Uhr 05:48 min

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Über das Format NÄCHSTE GENERATION:

In unserem Youtube-Format MDR KULTUR – NÄCHSTE GENERATION stellen wir junge Künstlerinnen und Künstler vor, die unsere Gesellschaft kritisch in den Blick nehmen, Debatten anregen und gleichzeitig Ideen für die Zukunft entwerfen wollen. Jeden zweiten Montag, stellen wir diese Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vor – die Themen reichen von der Frage, ob es okay ist, das Elternsein zu bereuen, ob die 40-Stunden-Woche noch angemessen ist, bishin zu Klimaschutzfragen oder Patriotismuskritik.

Über Simon Surjasentana

Simon Surjasentana hat sein Atelier auf einem alten Güterbahnhof in Weimar. Die Wände und der Boden sind mit Farbe bespritzt, alte Sessel stehen herum, im Ofen knacken Holzscheite. Die Bilder, die an den Wänden hängen, verbreiten dagegen eine ganz andere Stimmung. Menschen in grünen OP-Kitteln, Kopfhauben und weißen FFP2-Masken sind darauf zu sehen, alles ist steril und strahlt eine spröde, fast technische Atmosphäre aus.

Ein Bild zeigt eine Reanimation, die im Krankenhaus stattgefunden hat. Das Ölgemälde trägt den Titel "Denk ich auch", er ist angelehnt an einen Gesprächsfetzen, den Surjasentana aufgeschnappt hat, als er das Foto machte, auf dessen Grundlage das Bild dann entstanden ist. Alle seiner Werke haben solche Gesprächstitel, denn das kollegiale Miteinander, das fein abgestimmte Zusammenspiel der Kolleginnen und Kollegen ist es, was ihn interessiert und was er mit seiner Kunst abbilden will.

Für Künstler ist das einfach so: Man nimmt das, was da ist und was einen umgibt. Und mich beschäftigt das Krankenhaus. Deswegen habe ich angefangen zu malen.

Simon Surjasentana, Künstler und Intensivpfleger

Seit zehn Jahren auf der Intensivstation

Seit zehn Jahren ist Surjasentana Intensivpfleger. Von Beginn an nahm er sich in ruhigen Minuten einen Skizzenblock und bannte auf Papier, was er sah. Kurze Zeit später schenkte ihm eine Kollegin einen Fotoapparat und er begann, auf diese Weise zu arbeiten.

Mittlerweile hat er sich einen Ruf unter seinen Kolleginnen und Kollegen in Weimar erarbeitet. Sie freuen sich, wenn er ihre Arbeit auf seine Weise dokumentiert. Der gute Zusammenhalt auf der Intensivstation sei gerade in diesen Zeiten enorm wichtig, so der 35-Jährige. Es sei sehr belastend, zu sehen, wie Patienten sterben. "Ohne diesen Humor, und ohne dieses gute Team würden wir das gar nicht schaffen", sagt er.

Natürlich arbeiten wir am Limit! Natürlich ist es total krass, was wir machen. Und es gibt Momente, wo wir einfach nicht mehr können. Wo wir dann auch zusammenbrechen und weinen und mit der Situation nicht mehr zurechtkommen.

Simon Surjasentana, Künstler und Intensivpfleger

Während der Krise war die Kunst ein Mittel, die dramatischen Szenen, die er erlebte, mit nach Hause nehmen und verarbeiten zu können, sagt er. "Aber es hat mich auch irgendwie ein bisschen drangehalten, auf Arbeit zu gehen. So dass ich halt wusste – okay, ich hab jetzt einfach Motive, die ich vielleicht heute auf Arbeit sehe, die ich dann fotografieren kann. Die ich dann zuhause umsetzen kann."

Zunehmend abstraktere Bilder

Waren seine Krankenhaus-Bilder zu Beginn noch sehr realistisch, so hat sich Surjasentana in den vergangenen Monaten immer mehr davon entfernt. In jüngeren Werken sind die Gesichtskonturen nicht mehr erkennbar, die technischen Geräte beginnen zu verschwimmen. Die abgebildeten Patienten sind sowieso nie zu erkennen – er wolle ihnen nicht die Würde nehmen, sagt Surjasentana. Außerdem interessieren ihn die Arbeitsabläufe, die gute Arbeitsatmosphäre eben viel mehr.

"Das macht einfach Spaß, das Ganze zu malen. Es ist schön, ich mag diesen Prozess des Malens." So zieht sich Surjasentena immer mal wieder in sein Atelier zurück und verarbeitet dort seine Erlebnisse. Während viele Intensivpflegekräfte in Deutschland in den vergangenen zwei Jahren erschöpft ihrem Job den Rücken gekehrt haben, macht er weiter. Auch wegen seiner Kunst.

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