Geschichte der Buchstadt Leipzig Wiegendrucke, Börsenverein und "Leipzig liest"

20. Februar 2017, 14:04 Uhr

Vom Ende des 18. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ist Leipzig unangefochten die deutsche Buchhauptstadt. Mit Buchhändler-Börse und Nationalbibliothek, mit wichtigen Verlagen, Ausbildungsstätten und internationalen Messen. 1943 wird das Grafische Viertel zerbombt. Im Kalten Krieg macht Frankfurt das Rennen. Doch Leipzigs Buchmesse behauptet sich, seit 1992 mit "Leipzig liest", Europas größtem Lesefest.

Plakat zur Weltausstellung für Buchhandel, Oktober 1914
Plakat der "Internationalen Ausstellung für Grafik und Buchgewerbe" (Bugra) ab Mai 1914 Bildrechte: IMAGO / Arkivi

Aufstieg und Fall

Anderthalb Jahrhunderte lang war Leipzig konkurrenzlos die deutsche Buch-Hauptstadt. Im 18. Jahrhundert überflügelte die Buchmesse ihre Konkurrentin in Frankfurt. Seit 1825 beherbergte der "Leipziger Platz" den Börsenverein der deutschen Buchhändler, seit 1912 auch die Deutsche Bücherei. Hier saßen Verlage wie Breitkopf, Brockhaus, Reclam, Seemann, Baedeker, Bibliographisches Institut oder Insel. Die Bugra 1914 war die weltgrößte Messe rund um Buch und grafisches Gewerbe. 1927 folgte die Internationale Buchkunst-Ausstellung.

Nach 1933 ließ sich der Börsenverein widerstandslos von den Nazis gleichschalten. Jüdische Verleger und Buchhändler wurden ausgegrenzt, später vertrieben oder ermordet. 1943 wurde das Grafische Viertel zu über drei Vierteln durch britische Bomben zerstört. Von diesem Schlag hat sich die Buchstadt Leipzig nie wieder erholt. Im Kalten Krieg gingen wichtige Verlage in den Westen, wurden im Osten enteignet.

Als Buchstadt zog Frankfurt nach dem Zweiten Weltkrieg wieder, diesmal endgültig, an Leipzig vorbei - dank Buchmesse, West-Börsenverein, West-Börsenblatt, Deutscher Bibliothek. Hoffnungen auf Rückkehr der nach Westdeutschland abgewanderten Verlage und Einrichtungen infolge der deutschen Vereinigung erfüllten sich nicht. Im besten Falle wurden am angestammten Firmensitz Leipzig Filialen eingerichtet.

Neustart nach der Wende 1991

Das Logo der Buchmesse Leipzig ist in der Glashalle auf dem Neuen Messegelände der Buch- und Messestadt Leipzig auf die Stufen geklebt.
Leipziger Buchmesse und "Leipzig liest" - seit 1991 gemeinsam eine Erfolgsgeschichte Bildrechte: MDR/Marco Prosch

Der Buchmesse gelang - in Verbindung mit dem groß angelegten Literaturfest "Leipzig liest" - 1991 ein Neustart. Hörbuch, Comic sowie neue deutschprachige und ost-mitteleuropäische Literatur sind inzwischen Leipziger Spezialstrecken. Als Publikums- und Autorenmesse im Frühjahr hat sie sich neben der Frankfurter Buchmesse im Herbst durchgesetzt. "Leipzig liest" entwickelte sich zum größten europäischen Literaturfestival.

Der seit 1963 in Leipzig ausgerichtete einzigartige internationale Wettbewerb "Schönste Bücher aus aller Welt" wird fortgesetzt. Als Pendant zum Frankfurter "Friedenspreis des Deutschen Buchhandels" vergibt Leipzig seit 1994 den "Buchpreis zur Europäischen Verständigung". Drei Jahre lang, von 2002-04, wurden in Leipzig die besten und bestverkauften Titel des Vorjahres mit dem "Deutschen Bücherpreis" ausgezeichnet. 2005 wurde zum ersten Mal der "Preis der Leipziger Buchmesse" in den Sparten Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung vergeben, dotiert mit je 15.000 Euro.

Das seit 1955 in Leipzig bestehende Literaturinstitut wurde 1990 zunächst abgewickelt, 1995 aber neu gegründet und bietet nun als einziges im deutschen Sprachraum Schriftstellern eine Hochschul-Ausbildung. Auch Buchhändler und Buchwissenschaftler, Drucker, Typografen und Buchkünstler werden weiter in Leipzig ausgebildet.

1996 wurde das "Haus des Buches" eingeweiht, errichtet vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels anstelle des kriegszerstörten Buchhändlerhauses. Beinahe täglich finden dort gut besuchte literarische Veranstaltungen statt. 2005 trat das Haus dem Netzwerk der Literaturhäuser bei, dem bereits Berlin, Frankfurt/Main, Hamburg, Köln, München, Stuttgart und Salzburg angehören.

Die im Haus des Buches untergebrachten Vereine waren auch wesentliche Träger des "Literarischen Herbstes", der von 1991-2002 jährlich veranstaltet wurde. Danach wurde das Lesefest wegen Geldmangels in der Stadtkasse eingestellt. Im Oktober 2010 fand er zum ersten Mal wieder wieder statt.

100 Jahre Deutsche Nationalbibliothek

Neben der 1912 gegründeten Deutschen Bücherei, die 1990 mit der Deutschen Bibliothek in Frankfurt/Main vereinigt wurde und mit ihr seit 2006 den Namen "Deutsche Nationalbibliothek" trägt, verfügt Leipzig über die zweitälteste deutsche Universitätsbibliothek sowie die Deutsche Zentralbücherei für Blinde.

2014 beging die Hochschule für Grafik und Buchkunst ihr 250-jähriges Bestehen. Von dieser Leipziger Kunsthochschule, einer der ältesten in Deutschland, gingen und gehen wichtige Impulse für Buch- und Schriftgestaltung aus.

Über die Geschichte der Polygrafie und der Buchstadt Leipzig informieren das Deutsche Buch- und Schriftmuseum, das im März 2012 in einem Erweiterungsbau und mit einer neuen Dauerausstellung wiedereröffnet wurde. Zudem gibt es das traditionsreiche Museum der Druckkunst mit angeschlossener Werkstatt, wo man Geräte, Werkzeuge und Maschinen in Funktion erleben kann.