"Zauber des Realen" Canalettos Blick aufs barocke Dresden: Große Schau zum 300. Geburtstag in der Gemäldegalerie Alte Meister
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Wie kein anderer Maler ist Canaletto mit Dresden verbunden. Nach der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg wurden seine Gemälde fast zu Ikonen, verewigten sie doch die prunkvolle Epoche unter August dem Starken und seinem Sohn August III. im Bild. Aus Anlass des 300. Geburtstages von Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, zeigt die Gemäldegalerie Alter Meister jetzt 140 Werke des Venezianers in der Schau "Zauber des Realen. Bernardo Bellotto am sächsischen Hof" bis Ende August 2022.
"Dresden vom rechten Elbufer oberhalb der Augustusbrücke" – diese Ansicht der Stadt malt der frisch aus Venedig eingetroffene Bernardo Bellotto für den sächsischen Kurfürsten und polnischen König August III. 1747. Und er signiert diese Vedute nicht nur, sondern portraitierte sich selbst mittendrin in dieser Szenerie: als Künstler mit einem Malblock auf den Knien.
Canalettos Gemälde von Dresden, Pirna und der Festung Königstein
Es ist der Beginn einer zehn Jahre währenden Schaffensperiode, in der 14 großformatige Veduten von Dresden, elf Ansichten von Pirna sowie fünf von der Festung Königstein entstehen. Darunter der berühmte Canaletto-Blick, ebenfalls eine Stadtansicht vom rechten Elbufer aus, aber unterhalb der Augustbrücke.
Zur Entstehung erläutert Stephan Koja, Direktor der Gemäldegalerie Alte Meister und Kurator der Ausstellung: "Als August der Starke das Kurfürstentum topografisch aufnehmen und vermessen lässt, gibt sein Sohn August III. den Auftrag, es bildlich zu dokumentieren und zu erfassen." Am Dresdner Hof, der sich kulturell besonders an Venedig orientiert habe, habe Bellotto eine besondere Stellung genossen, so Koja. Davon zeuge auch seine "großzügige Entlohnung, mehr als sogar die Hofmaler. Man ist offensichtlich sehr stolz, einen Maler hier zu haben, der nicht nur in der Tradition des berühmten Canaletto steht, sondern diesen auch noch übertrifft."
Geschult vom Onkel Giovanni Antonio Canal
Canaletto – hinter diesem Namen verbergen sich zwei Künstler. Im 18. Jahrhundert zuallererst der berühmte venezianische Vedutenmaler Giovanni Antonio Canal, Onkel von Bernardo Bellotto, bei dem dieser seine Ausbildung gemacht hatte. Indem Bellotto den bereits erfolgreichen Markennamen, wenn man so will, übernahm, hoffte er, damit seine Karriere voranzubringen.
Canaletto I und II
Bernardo Belotto wird als Sohn eines Gutsverwalters in Venedig geboren – jener einzigartigen Lagunenstadt, in der der Karneval schon mal sechs Monate dauern kann und die im 18. Jahrhundert ein beliebter Aufenthaltsort für die Söhne der Reichen und Mächtigen ist.
Die Metropole hat sich auf die Besucher eingestellt, eine Fremdenindustrie entwickelt. Auch Bernardos Onkel, Giovanni Antonio Canal, der sich als erster Canaletto nennt, lebt von den Touristen. Er ist einer der berühmtesten Maler von Stadtansichten Venedigs, so genannter Veduten. Die Gemälde sind beliebte Souvenirs ausländischer Besucher. Bernardo wird bereits als 15-Jähriger der einzige Schüler seines Onkels. Von ihm übernimmt er auch den Beinamen Canaletto, was später vermehrt zur Verwirrung und Verwechslung der beiden Personen führt.
Jedoch emanzipierte er sich stilistisch recht bald von seinem Onkel, wie Kurator Stephan Koja betont: "Canaletto ist wirklich was anderes, eine spätbarocke, also eine Rokokomalerei, schön aufgeräumt, harmonisch, ein Wohlklang. Bei Bellotto ist der Blick teilweise schonungsloser, getreuer und insofern moderner." So lieferten Bellottos visuelle Schilderungen "eben nicht nur Postkartenmotive, sie geben uns wirklich eine Vorstellung vom Leben des 18. Jahrhunderts. Er hat eine Freude, unterschiedliche Bevölkerungsgruppen darzustellen, das Treiben auf den Plätzen, es ist manchmal wie eine Zeitreise."
Dresden-Ansichten für die Schau frisch restauriert
Daher sind die großformatigen Veduten Bernardo Bellottos so gehängt, dass Besucherinnen und Besucher regelrecht mit Blicken hineinwandern und eine Fülle an Details entdecken können. Insgesamt sind es 69 Ölgemälde des Meisters, die in der Ausstellung "Zauber des Realen. Bernardo Bellotto am sächsischen Hof" gezeigt werden. Ein großer Teil aus eigenem Bestand, wobei die Dresdner Ansichten alle restauriert wurden und in einer kühlen, frischen Farbigkeit erstrahlen.
Leihgaben auch aus München, Wien, USA
33 stammen wiederum aus Museen in Europa und den USA, unter anderem Werke aus der Frühzeit in Venedig, Arbeiten, die in Wien und München oder auch während seiner zweiten Dresdner Phase ab 1762 entstanden sind. Sie alle illustrieren zusammen mit weiteren Exponaten, etwa großformatigen Radierunge oder eine Camera Obscura, Bellottos Leben und sein gesamtes künstlerisches Schaffen.
Handzeichnungen zeigen "Bellottos Strich"
"Total fasziniert" von der Ausstellung zeigt sich auch Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen: "Ich muss gestehen, für mich war es das erste Mal, dass ich das so bewusst gesehen habe: Die Handzeichnungen, die wir als Leihgaben in der Ausstellung haben, auf denen kann wirklich sehen, wie der Strich von Bellotto gewesen ist. Das gehört für mich zum Kostbarsten und Überraschendesten in der Ausstellung."
Nächste Station: Warschau
Doch auch der Abschluss der Schau im Winckelmann-Forum der Gemäldegalerie beeindruckt: Dort zu sehen ist eine Rekonstruktion der Wandvertäfelung aus dem Königlichen Schloss in Warschau. Gezeigt werden elf für den polnischen König gemalte Veduten der Stadt, die auch die nächste Station sein wird dieser bisher wohl größten Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, gewidmeten Ausstellung.
Angaben zur Ausstellung
"Zauber des Realen. Bernardo Bellotto am sächsischen Hof" – Sonderausstellung zum 300. Geburtstag von Bernardo Bellotto, auch bekannt als Canaletto
Bis 28. August 2022
Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden
Theaterplatz 1
01067 Dresden
Öffnungszeiten
Täglich 10—18 Uhr, Montag geschlossen
Parallel zur Schau ist unter dem gleichen Titel ein umfassender und empfehlenswerter Katalog im Sandstein Verlag erschienen.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 21. Mai 2022 | 07:45 Uhr