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Bildrechte: Florian Glatter

Umfrage"KulturErhalt": Darum wird Sachsens Corona-Hilfe kaum abgerufen

von Michael Bartsch, MDR KULTUR

Stand: 14. September 2022, 04:00 Uhr

Mit leeren Stühlen und einer leeren Bühne vor der Kulisse der Dresdner Semperoper forderten im Januar Kunstschaffende und Vertreter und Vertreterinnen der Veranstaltungsbranche staatliche Hilfen, um mit den Folgen der Corona-Krise klarzukommen. Fast ein halbes Jahr später wurde dann das Programm "KulturErhalt" im Juni aufgelegt. Knapp 17 Mio. Euro umfasst es, vor dem Ende der Antragsfrist im Oktober sind jedoch erst 2,5 Mio. Euro ausgezahlt. Ministerin Barbara Klepsch zeigt sich beunruhigt. Braucht niemand mehr Geld oder klemmt es woanders? MDR KULTUR hat bei Kulturschaffenden in Sachsen nachgefragt.

Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch wirkt ein wenig nervös. Im Mai hatte sie endlich Sonderhilfen durchsetzen können, nachdem sich unter Künstlern und Veranstaltern schon Unmut breitgemacht hatte. Denn der Freistaat Sachsen hob zwar am 14. Januar endlich den winterlichen Kultur-Lockdown auf. Aber ein Landes-Hilfsprogramm für die Kultur gab es nicht mehr. Seit einem Vierteljahr ist es nun im Angebot, wird aber zu wenig genutzt.

Hilfsprogramm "KulturErhalt" läuft bis Ende Oktober

Seit Juni können pro Antrag maximal 100.000 Euro aus dem Programm "KulturErhalt" beantragt werden. Wie üblich, muss für das Projekt ein Eigenanteil von einem Fünftel der Kosten erbracht werden. 16,7 Millionen Euro stehen aus dem Härtefallfonds des Freistaates insgesamt zur Verfügung. Doch Ende August, also nach drei von fünf Monaten der bis Ende Oktober laufenden Antragsfrist, waren bei der ausführenden Sächsischen Aufbaubank erst 201 Anträge mit einem Volumen von 6,7 Millionen Euro eingegangen, nur zweieinhalb Millionen ausgezahlt.

Anträge aus Leipzig und Dresden, kaum vom Land

Dieser Stand beunruhigt Ministerin Barbara Klepsch, denn sie wird sich möglicherweise für die Auflage eines solchen Hilfsprogrammes rechtfertigen müssen. In ihrer erzgebirgischen Heimat lässt sich kaum jemand überreden, die Anträge kommen überwiegend aus Leipzig und Dresden. Und zwar von den Großen, den Platzhirschen. Der Dresdner Palaissommer beispielsweise hat eine Förderung erhalten.

Beim Palaissommer in Dresden Bildrechte: imago images/ddbd

"Von wem sollten sie auch sonst kommen", fragt Heike Zadow von der Servicestelle der freien Theaterszene in Sachsen. Denn antragsberechtigt sind nicht abstiegsbedrohte freie Künstler, sondern Vereine, Kulturträger, Spielstätten, die unter Folgen der hygienebedingten Schließungen gelitten haben. Ihrer Infrastruktur soll geholfen werden, auch Werbung wird gefördert. Die Macher, wie Heike Zadow sagt, die Künstler profitieren nur mittelbar über ihre Auftraggeber. Von "Fachkräfterückgewinnung", von "verlorene Künstlern"“ ist in der Förderrichtlinie die Rede.

Kritik an unhaltbaren Fristen

Nach Auffassung von Sebastian Haas, Vorsitzender des Jazzverbandes Sachsen, kam das Programm zu spät, als sich der Kulturbetrieb aus eigener Kraft wieder eingerichtet hatte. Sein Verband ist übrigens von der Förderung ausgeschlossen, weil er sich erst nach Pandemiebeginn im März 2020 gegründet hat. "Unsere Hoffnung wurde enttäuscht, dass auch während der Pandemie entstandene junge Initiativen berücksichtigt werden", bedauert er.

Mit dem Zeitrahmen hängt auch die überall zu hörende Zentralkritik zusammen. Die beantragten Projekte müssen nämlich bis zum Jahresende 2022 ausgeführt sein, eine bei den üblichen Projektvorläufen meist unhaltbare Frist. Sie soll mit den Konditionen des Härtefallfonds zusammenhängen. Zusätzliche Verwirrung entstand durch eine falsche Angabe zum Antragsschluss auf der Seite der Aufbaubank, die erst nach MDR-Nachfrage zu Beginn dieser Woche geändert wurde. Statt des 31. Oktober war der 31. Dezember genannt, also der Tag, an dem die Gelder schon ausgegeben sein müssen.

Nach wie vor unklar ist die viele bewegende Frage, ob die Fördermittel auch bis zum Jahresende ausgegeben sein müssen. Alle Befragten halten eine Übertragbarkeit ins kommende Jahr für dringend geboten. "Wenn man mir signalisiert, dass die Formulierungen zu schwierig sind, dann sollten wir da schnellstens etwas tun", sagte Kulturministerin Klepsch am Montag. Auch eine mögliche Mittelverwendung 2023 sicherte sie mündlich zu. Die Förderrichtlinie aber ist noch nicht geändert worden, was in der Szene Kopfschütteln auslöst.

Forderung nach niedrigschwelligen Angeboten

Die Stolpersteine des Förderprogramms verstärken nur eine skeptische, ja resignative Grundstimmung der möglichen Empfänger nach zweieinhalb Jahren Corona-Erfahrung. Auch deshalb ist "KulturErhalt" nicht gleich überzeichnet gewesen, wie man erwarten konnte.

Das ist keine Kapitulation, aber die Kräfte sind erschöpft. Bei vielen schweben auch Rückforderungen der Aufbaubank bei früheren Programmen im Raum.

Heike Zadow | Servicestelle der freien Theaterszene in Sachsen

Katja Großer vom Dachverband "Kreatives Sachsen" spricht von "massivem Fachkräftemangel" in der Branche: "Die Leute versuchen, ihre Veranstaltungen einigermaßen gewuppt zu bekommen. Dann noch Personal abzustellen, das vielleicht zum ersten Mal einen Antrag schreibt, ist einfach eine zu extreme Last." Sie fordert wie andere auch "niedrigschwellige Angebote".

Die aber müssen rechts- und haushaltsicher sein, wendet Kulturministerin Barbara Klepsch ein. Es wird bei Beamtendeutsch bleiben, und Jazzer Sebastian Haas erwartet deshalb keinen vollständigen Abruf des Programms. Er fordert:

Die Mittel sollten aber der Kultur erhalten bleiben.

Sebastian Haas | Jazz-Musiker

Kultur trotzt Krisen in Sachsen

Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 14. September 2022 | 07:10 Uhr