Flucht Neues Leben in Weimar: Schriftsteller Hilaire Mbakop aus Kamerun
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Kamerun war bis 1919 eine deutsche Kolonie und wurde dann von Großbritannien und Frankreich "verwaltet", wie es damals hieß. Die Kolonialzeit wird dort gerade erst aufgearbeitet. Einer, der sich dafür interessiert, ist ein Schriftsteller, der momentan in Weimar lebt. Hilaire Mbakop ist Germanist und Goethe-Fan. Viel diplomatischem Geschick und auch der Hilfe der Klassik Stiftung Weimar ist es wohl zu verdanken, dass man ihn aus einem sudanesischen Gefängnis retten konnte.
Wenn Hilaire Mbakop über seine Heimat Kamerun berichtet, fällt die Bilanz nicht gut aus. Freie Meinungsäußerung: Fehlanzeige. Wer im System der Regierung nicht mitmacht, wird entlassen. Oder es gibt Schriftsteller, die nicht schreiben dürfen, so Mbakop.
Acht Monate im Gefängnis
Auch für ihn – den studierten Germanisten – kam eines Tages die Frage auf: Gehen oder bleiben? Er entschied sich für Letzteres. Das war 2018. Er floh über den Tschad, sein Ziel war ein Büro der Vereinten Nationen. Er hatte Pech und landete in einem Gefängnis des Sudan: "In der Hauptstadt Khartum habe ich acht Monate im Gefängnis gesessen." Viel möchte er darüber nicht erzählen. Das Kapitel ist dunkel, und er sagt: "Nur wenige hatten so viel Glück wie ich". Aber er will über diese Schicksale schreiben und das erzählen, was er auf der Flucht erlebt hat.
In der Goethestadt Weimar
Er steht am Park an der Ilm in Weimar und denkt nach. Einen Arbeitsplatz hat er mittlerweile in der Klassik Stiftung gefunden. Dort ist er für Journalisten-Anfragen zuständig. Goethe, sagt er, sei ein Phänomen für ihn und einer, dessen Literatur ihn begleitet aber auch geprägt habe, vor allem dessen Begriff von Freiheit in der Literatur: "Es war also für mich wichtig, über Themen wie Freiheit, Individualität, Selbstbestimmung zu forschen und auch zu schreiben."
Ich komme aus einem Land, wo die Freiheit des Menschen, die Menschenrechte unterdrückt werden.
Deutsche Kolonialzeit
Deutsch hat er schon im Gymnasium gelernt und sich dann entschieden, Germanistik zu studieren. Und das in einem Land, das früher eine deutsche Kolonie war. Auch er denkt heute über diese Zeit nach und schreibt darüber: "Überraschenderweise wird die deutsche Kolonialzeit in Kamerun positiv aufgenommen, weil die Menschen einfach ein positives Bild des Deutschen haben."
Es gab auch viele Fälle von Unrecht.
Und trotzdem gibt es diese Flecken in der Geschichte, geprägt durch Fehlverhalten der vermeintlich Mächtigen aus Europa, erklärt Mbakop: "Es gab auch viele Fälle von Unrecht. In Kamerun gibt es einige Stämme, die eher traurig auf diese Episode der kamerunischen Geschichte zurückblicken."
Stammesfürsten wurden erhängt oder erschossen. Auch Hilaire Mbakop gehört einem Stamm an, dem der Bamileke, wie er erzählt: "Und die Bamileke haben viele Sprachen und meine heißt Medumba." Es ist die Sprache seiner Vorfahren, deren Märchen und Erzählungen er aufgeschrieben hat und deren Sprache er im Herzen trägt. 250 Sprachen gibt es insgesamt in seinem Land neben den Hauptsprachen Englisch und Französisch.
Kritik an der Regierung
Nach Kamerun zurück – das kann Mbakop jetzt noch nicht. Wenn er über sein Land nachdenkt, bleibt kein gutes Haar an den Machthabenden. Er hält die Führung des Landes für inkompetent, machtbesessen und auf den eigenen Vorteil bedacht.
Für Hilaire Mbakop sind die Lichtblicke noch zu klein und wenn er etwas ändern könnte, dann würde er auch bei der Entwicklungshilfe ansetzen. Denn die, sagt er, läuft viel zu oft ins Leere – oder in die Taschen derer, die nun wirklich nichts brauchen: "Es gibt meiner Meinung nach zu wenige Bedingungen. Das führt dazu, dass die Diktatoren, die an der Spitze vieler afrikanischer Staaten sind, sich wirklich wie Autokraten verhalten."
Derzeit arbeitet er an drei Buchprojekten parallel. Irgendwann wird er auch wieder nach Kamerun reisen – und vielleicht auch dort frei publizieren können.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 20. August 2020 | 12:10 Uhr