Filmtipp"Die stillen Trabanten" – eine filmische Liebeserklärung an Leipzig
Martina Gedeck, Nastassja Kinski, Peter Kurth, Charly Hübner und Albrecht Schuch ... der neue Film "Die stillen Trabanten" von Autor Clemens Meyer und Regisseur Thomas Stuber ist hochrangig besetzt. Für die Verfilmung des gleichnamigen Buches hat das Leipziger Dreamteam Meyer und Stuber wieder zusammengearbeitet, wie schon bei "Herbert" und "In den Gängen". Seit dem 1. Dezember 2022 ist "Die stillen Trabanten" im Kino – und eine Liebeserklärung an Leipzig, findet unsere Filmkritikerin.
Sie sind eine Art Leipziger Kreativ-Erfolgsduo: Der Regisseur Thomas Stuber und Autor Clemens Meyer. Mit "In den Gängen" haben die beiden vor ein paar Jahren einen Arthaus-Kinohit gelandet, jetzt haben sie mit "Die stillen Trabanten" erneut zusammengearbeitet und aus Meyers Erzählband einen Episodenfilm für die große Leinwand gemacht. "Die stillen Trabanten" ist vor allem eine Liebeserklärung an die Stadt Leipzig.
Es sind drei leise Begegnungen am Rande der Stadt, von denen "Die stillen Trabanten" erzählt. Da sind Christa (Martina Gedeck), eine Reinigungskraft bei der Deutschen Bahn, die nachts durch die gestrandeten Züge geht und den Müll einsammelt und Birgitt (Nastassja Kinski), die beim Friseur gegenüber der Kneipe "Gleis 8" arbeitet und genau dort am Tresen ihren Feierabend herauszögert. Über Weinbrand nähern sich die beiden an.
Leipzig, wie es noch nie im Kino zu sehen war
Dann gibt es Erik (Charly Hübner), einen Security-Mann, der sich auf seinen nächtlichen Runden in einem Flüchtlingsheim um die Ukrainerin Marika (Irina Starshenbaum) sorgt, und den Imbissbudenbesitzer Jens (Albrecht Schuch), der sich beim Rauchen auf dem Notbalkon seiner Wohnanlage in seine zum Islam konvertierte Nachbarin Aischa (Lilith Stangenberg) verliebt.
"Die stillen Trabanten" ist vor allem ein Film, der sich über die Orte erzählt. Leipzig, wie es so im Kino noch nie zu sehen war. Der nächtliche Hauptbahnhof mit leeren Bahnsteigen und abgestellten Zügen, die Kneipe "Gleis 8" in der Westhalle, das Wintergartenhochhaus gegenüber des Bahnhofs mit seinen blau schimmernden Notbalkonen und die Imbissbude in der Eisenbahnstraße 44, ausgestattet mit einem roten Teppich.
Mehr zu Clemens Meyer und "Die stillen Trabanten"
In Leipzig trifft DDR auf Moderne
Die Szenenbildnerin Jenny Roesler, die nach "In den Gängen" erneut mit Thomas Stuber zusammengearbeitet hat, schwärmt im MDR KULTUR-Filmpodcast "Feinschnitt" von den Brüchen in der Stadt. In Leipzig träfe DDR auf Moderne, gerade darin läge der Reiz, die Stadt filmisch zu inszenieren, weil eben noch beides nebeneinander existiere. Gepaart mit einer Geschichte voller Brüche und Welten, die aufeinanderprallen, sei Leipzig die perfekte Kulisse.
Die Orte sind dabei die Trabanten selbst. Räume im Abseits, die in Verbindung miteinander stehen. Während Christa und Birgitt in der Bahnhofskneipe sitzen und Schnaps trinken, stehen Jens und Aischa auf den Notbalkonen ihrer Wohnanlage und rauchen. Sie lassen ihre Blicke in die Ferne schweifen und sehen den Hauptbahnhof. Die Geschichten hätten etwas Zeitloses, seien fast schon aus der Zeit gefallen, so Szenenbildnerin Roesler. Es gehe nicht konkret um einen Ort, es gehe um die Stimmung, die Atmosphäre. Leipzig als Sinnbild für Ostdeutschland.
Mehr zu "Die stillen Trabanten" im Filmpodcast "Feinschnitt":
"Die stillen Trabanten" wurde in Leipzig gedreht
Die Bahnhofskneipe war dabei als Ort in Clemens Meyers Vorlage vorgegeben, den Imbiss für die Geschichte von Jens, Mario und Aischa mussten Szenenbildnerin Roesler und Location-Scout Florian Hinz erst noch suchen. Den perfekten Ort fanden sie in der Eisenbahnstraße 44, wieder in Bahnhofsnähe. Ein Imbiss, zusammengesetzt aus drei weißen Pavillons, der für den Dreh in verschiedenen Phasen umgebaut werden musste.
Der ehemalige Blumenladen brauchte den für die Geschichte wichtigen roten Teppich. Neu verlegt von Roesler und ihrem Team, direkt bearbeitet, authentisch beschmutzt, damit es im Film wirkt, als habe er schon immer da gelegen. Die schönen Herausforderungen des Berufes, neuen Dingen eine alte Patina zu verleihen.
Clemens Meyer und Thomas Stuber verbindet langjährige Freundschaft
Es geht – wie so oft bei Stuber und Meyer – um Außenseiterinnen und Außenseiter, um Abgehängte, Gestrauchelte. Um Randgestalten. Regisseur Stuber und Drehbuchautor Meyer verbindet nicht nur eine lange Freundschaft, sondern auch eine lange Zusammenarbeit. Kennengelernt haben sie sich im Studium – Stuber als Student, Meyer als Dozent.
Nach dem Kurzfilm "Von Hunden und Pferden" und den Kinofilmen "Herbert" und "In den Gängen" ist es hier die vierte Zusammenarbeit der beiden Leipziger. Der Film ist melancholisch, folgt seinem ganz eigenen Rhythmus, seinem ganz eigenen Tempo. Die Geschichten wirken so, als würden sie sich selbst durch die Nacht treiben lassen. Ganz langsam, ganz elegisch – was in dem Falle nichts Schlechtes heißt.
Mehr Informationen"Die stillen Trabanten"
Regie: Thomas Stuber
Drehbuch: Clemens Meyer und Thomas Stuber
Mit: Martina Gedeck, Nastassja Kinski, Albrecht Schuch, Lilith Stangenberg, Adel Bencherif, Andreas Döhler, Charly Hübner, Irina Starshenbaum, Peter Kurth
Länge: 2 Stunden
Kinostart: 1. Dezember 2022
Redaktionelle Bearbeitung: Simon Bernard
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 01. Dezember 2022 | 18:05 Uhr