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Highlight auf dem Neiße-Filmfestival 2023 ist ein Konzert der russischen Band Pussy Riot in Görlitz. Bildrechte: IMAGO/Eibner Europa

U.a. mit Konzert von Pussy RiotNeiße-Filmfestival feiert 20-jähriges Jubiläum

23. Mai 2023, 04:00 Uhr

Jedes Jahr im Mai findet im Dreiländereck rund um Zittau und Großhennersdorf das Neiße-Filmfestival statt – und das bereits seit 20 Jahren. Vom 23. bis 28. Mai 2023 werden nicht nur Filme aus Deutschland, Polen und Tschechien gezeigt, für die 20. Ausgabe steht auch ein Konzert der russischen Band Pussy Riot auf dem Programm. Das Festival ist in seiner trinationalen Form einzigartig. Doch obwohl es für die Lausitz und ganz Sachsen ein wichtiges Ereignis und Aushängeschild ist, steht das Festival vor finanziellen Schwierigkeiten.

von Lars Meyer, MDR KULTUR

Die Kamera gleitet unter Wasser durch die Straßen einer halbversunkenen Stadt aus sozialistischen Plattenbauten, vorbei an Fischschwärmen. Dann taucht sie auf und zeigt die Häuser über dem Wasser. Wir sehen die von Pflanzen überwucherten Gebäude, eine begrünte Stadt der Zukunft. Der aufwändig animierte Festival-Trailer des Motion Designers und VJs Ben Schröteler legt die Messlatte beim Neiße-Filmfest hoch.

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Inhaltlich kann man ihn als Hinweis auf die diesjährige Fokus-Reihe "Post Soviet Union" verstehen, die – höchst aktuell und politisch – das Erbe der Sowjetunion verhandelt. Im Kern aber steht ein utopisches Projekt.

20 Jahre Neiße-Filmfestival in Deutschland, Polen und Tschechien

Vor 20 Jahren taten sich Filmenthusiasten aus Großhennersdorf, dem polnischen Jelenia Góra und dem tschechischen Liberec zusammen, um mit einem Budget von knapp 15.000 Euro ein trinationales Festival auf die Beine zu stellen. Gezeigt wurden nicht nur Filme aus den drei Ländern, sondern auch in den drei Ländern, ein bis heute einmaliges Konzept.

Es ging um Völkerverständigung und darum, "den besonderen Film", wie Festival-Co-Leiter Andreas Friedrich sagt, in den ländlichen Raum zu bringen. Das bleibt bis heute eine Herausforderung. Es kommt schon mal vor, dass im Saal nur zwei Gäste sitzen. Doch davon lässt sich Friedrich nicht entmutigen: "Wenn wir dieses Festival in die Großstadt verpflanzen würden, wären die Kinos wahrscheinlich ausverkauft."

Die Festivalleitung Andreas Friedrich (li.) und Ola Staszel. Bildrechte: Rafael-Sampedro

Kulturministerin Barbara Klepsch lobt hervorragende Entwicklung

Über die kulturelle Bedeutung des Neiße-Filmfestivals herrscht Einigkeit. Heute beteiligen sich daran mehr als 20 autonome Spielorte. Auf der deutschen Seite wird quasi die gesamte Oberlausitz bespielt. Das Festival ermögliche "den lebendigen Austausch in einer Region, in der kulturelle Angebote ansonsten eher rar gesät sind", gratuliert der Geschäftsführer der Mitteldeutschen Medienförderung Claas Danielsen.

Barbara Klepsch, Staatsministerin für Kultur und Tourismus in Sachsen, lobt die hervorragende Entwicklung und hat zum Jubiläum die institutionelle Förderung auf 252.000 Euro leicht erhöht. Insgesamt ist das Budget auf 483.000 Euro angewachsen.

Finanzielle Mittel fehlen

Für das, was das Festival leistet, ist das ziemlich wenig. Schließlich gibt es deutlich mehr Filmprogramme als früher. Der Aufwand und die Kosten steigen, besonders die Druckkosten und Verleihgebühren, so Ola Staszel, die das Festival zusammen mit Friedrich leitet.

Auch die Löhne mussten angepasst werden. Mit den Jahren wurden zwei volle und zwei halbe feste Stellen erkämpft. Eine fünfte halbe Stelle sollte das Team entlasten. Doch daraus wird erst mal nichts, weil der Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien diesmal weniger Förderung gibt.

Ohne Ehrenamtliche geht es nicht

Das Rückgrat des Festivals bilden von jeher die vielen Freiwilligen. Rund zehn Ehrenamtliche arbeiten laut Staszel das ganze Jahr über, über 100 sind es rund ums Filmfest. Sie bringen sich ein als Filmvorführer, Gästebetreuer, Einlasskräfte, Fahrer usw. Und sie sorgen auch für die berühmte familiäre Festival-Atmosphäre, die sich bei internationalen Filmschaffenden längst herumgesprochen hat. Wer einmal da war, will wiederkommen.

Über 800 eingereichte Filme sprechen eine deutliche Sprache: Das Festival generiert Aufmerksamkeit über die Region hinaus. Für die Zukunft, so Friedrich, bräuchte es noch mehr Gäste aus Dresden, Leipzig oder Berlin. Doch wo sollen die hier unterkommen?

Trophäe beim Festival: Der Neiße-Fisch Bildrechte: Rafael-Sampedro

Für Staszel bleibt es bei einem "Spagat zwischen dem Machbaren und dem, was ein Festival alles ausmacht". Und das ist neben der Möglichkeit, sich am Lagerfeuer oder im Shuttel-Bus nach Weißwasser zu begegnen, vor allem das handkuratierte Filmprogramm: in diesem Jahr rund 100 Filme insgesamt, darunter drei Wettbewerbe (Spielfilm, Dokumentarfilm, Kurzfilm), ein Regionalprogramm, drei Länderreihen, ein Fokus. Dagegen musste die Verleihung des Ehrenpreises an Agnieszka Holland aus finanziellen Gründen gestrichen werden.

Für die Menschen in der Region bleibt das Neiße-Filmfestival dennoch ein Magnet und für Sachsen ein Aushängeschild. Das wird es wohl auch bleiben, solange Film- und Kulturfreunde bereit sind, ihre Utopie zu leben.

Service-Informationen zum Festival

20. Neiße-Filmfestival vom 23. bis 28. Mai 2023
u.a. im Kronenkino Zittau, Kulturfabrik Meda Mittelherwigsdorf und Kunstbauerkino Großhennersdorf

Highlights aus dem Programm 2023 (Auswahl):

Eröffnungsfilm: "Franky Five Star"
Termin: 23. Mai, 19 Uhr
Adresse: Gerhart-Hauptmann-Theater
Theaterring 12, 02763 Zittau

Preisverleihung 20. Neiße Filmfestival
Termin: 27. Mai um 18 Uhr
Adresse: Kühlhaus Görlitz
Am Bahnhof Weinhübel 2, 02827 Görlitz

Open-Air-Konzert: Pussy Riot
Termin: 27. Mai um 20:30 Uhr, Einlass ab 19:30 Uhr
Adresse: Kühlhaus Görlitz
Am Bahnhof Weinhübel 2, 02827 Görlitz
Tickets: 30 Euro, ermäßigt 25 Euro

Ausstellung "Postsowjetische Lebenswelten"
Vom 21. Mai bis 18. Juni 2023
Adresse: Kulturcafé "Alte Bäckerei" Großhennersdorf
Am Sportplatz 3, 02747 Herrnhut

Tickets für Filmvorführungen:
8 Euro, ermäßigt 5 Euro

Vom 24. bis 27. Mai fährt ein Schuttle-Bus regelmäßig von Großhennersdorf, nach Mittelherwigsdorf, Zittau und zurück (Gebühr: 2 Euro)

Weitere Informationen auf der Webseite des Neiße-Filmfestivals.

Redaktionelle Bearbeitung: Lilly Günthner

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 23. Mai 2023 | 07:10 Uhr