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Nikita Diakur aus Leipzig vermischt in seinem Film "Backflip" die natürliche Umgebung und die datengenerierte Welt mit Hilfe von KI (künstlicher Intelligenz). Bildrechte: Nikita Diakur

"Backflip"Nikita Diakur aus Leipzig gewinnt Deutschen Kurzfilmpreis

von Grit Krause, MDR KULTUR

Stand: 17. November 2022, 21:30 Uhr

Der Deutsche Kurzfilmpreis 2022 geht unter anderem an Nikita Diakur. Ausgezeichnet wird der in Leipzig lebende Filmemacher für seinen Animationsfilm "Backflip", in dem man verfolgen kann, wie sein Avatar mittels künstlicher Intelligenz einen Rückwärtssalto lernt. Es ist Diakurs erste Produktion, in der er mit KI gearbeitet hat. Der Preis ist mit einer Prämie von 30.000 Euro zur Projektförderung verbunden.

Der in Leipzig lebende Filmemacher Nikita Diakur erhält den Deutschen Kurzfilmpreis für seinen Animationsfilm "Backflip". Übergeben wurde die Auszeichnung am Donnerstag in der Hamburger Kampnagelfabrik von Kulturstaatsministerin Claudia Roth.

Mit dem Deutschen Kurzfilmpreis zeichnet die Bundesregierung jedes Jahr herausragende Leistungen der Kurzfilm-Produktion aus. Die Auszeichung wird in sechs verschiedenen Kategorien vergeben, Diakur bekommt sie in der Rubrik "Animationsfilm bis 30 Minuten Laufzeit". Die Auszeichnung ist mit einer zweckgebundenen Prämie von 30.000 Euro verbunden, auch Nominierungen erhalten eine Premie in Höhe von jeweils 15.000 Euro. Die Prämien sollen für die Herstellung oder Entwicklung eines neuen Films von künstlerischem Rang verwendet werden.

Nikita Diakur hat sich bei Film-Experiment verletzt

Eigentlich sollte in dem Animationsfilm "Backflip" nicht allein der Avatar Rückwärtssalto lernen, sondern ursprünglich war die Idee ein Wettstreit zwischen Diakur und seinem Clon (dem er sein Gesicht und seine Statur verpasst hat), wer wohl den Backflip zuerst schaffen würde.

"Backflip" ist so ein Motivationsprojekt, sowohl animationstechnisch, als auch für mich selbst. Das ist irgendwie: Wo sind meine Limits?

Nikita Diakur, Filmemacher

Der in Leipzig lebende 3D-Künstler berichtet von eigenen YouTube-inspirierten Versuchen, anfänglich in Mexiko, wo er sich zu der Zeit gerade aufhielt. Tagelang habe er geübt in einem extra dafür angemieteten und mit Matratzen ausgelegten Zimmer, bis er sich verletzte und aufgab. Allerdings nur im realen Leben. Seinen Avatar hat er im virtuellen Raum weiter trainieren lassen.

Ein Avatar mit KI kennt keinen Schmerz

Vorausgegangen war ein aufwendiger Prozess des Programmierens und Eintippens von Parametern. Schließlich brauchte der Computer ausreichend Informationen, um daraus mittels künstlicher Intelligenz aus jedem Versuch neue Daten, man könnte auch sagen, Erfahrungen zu generieren, die den Avatar einem perfekten Rückwärtssalto näherbringen sollten.

Völlig schmerzfrei: Nikita Diakurs Avatar nach einem missglückten Sprung Bildrechte: Nikita Diakur

Tausende Versuche, 24 Stunden am Tag – all das kann einem Avatar nichts anhaben und das Genick kann er sich dabei schon gar nicht brechen. Dennoch fürchtet man völlig irrational, dass Diakurs Clon sich verletzten könnte, wenn er unbeholfen im digitalen Nachbau eines Arbeitszimmers gegen Tisch und Regale läuft oder mit verrenkten Gliedern daliegt nach einem erneut missglückten Sprung. Es ist ein Lernprozess, maschinelles Lernen, der den Avatar mit jedem Versuch, jeder Iteration seinem Ziel näherbringt.

Alle relevanten Daten zusammengenommen, ergeben jetzt den zwölf Minuten langen Film, der bezeichnenderweise "Backflip" heißt und in dem Diakur, beziehungsweise sein Stimmklon, den gesamten Prozess kommentiert, bis zu dem Punkt, als der Avatar den Rückwärtssalto letztlich schafft.

Gefilmt hat er "Backflip" selbst mit VR-Brille, wobei er dabei mit seinem digitalen Ebenbild im gleichen Zimmer stand, der wiederum bei den "Dreharbeiten" um ihn herum und manchmal auch durch Diakur hindurch gelaufen ist.

Kontrollverlust ist bei KI erwünscht

Diakur, der 1982 in Moskau geboren wurde und in den 90er-Jahren mit seiner Familie nach Deutschland auswanderte, hat in London Kunst, Design und Animation studiert. "Backflip" ist sein erster Film, in dem er mit künstlicher Intelligenz gearbeitet hat.

Übung macht den Meister. Jeder Versuch bringt den Avatar mit KI seinem Ziel näher, einen Rückwärtssalto zu machen. Bildrechte: Nikita Diakur

Allerdings ließ Diakur schon zuvor hin und wieder den Computer die Führung übernehmen, zum Beispiel in seiner mehrfach ausgezeichneten Animation "Ugly". Hierin agieren die Charaktere wie Marionetten an unsichtbaren Fäden, die wiederum vom Rechner per Simulation bewegt werden.

Simulationen sind für Diakur eine Möglichkeit, bei seinen Animationen nicht nur seine eigenen, direkten Bewegungseingaben verwirklicht zu sehen. Der nächste Schritt war, sagt Diakur, die KI hinzu zu nehmen, denn die gebe einem dann noch mehr Kontrollverlust.  

Als Animator versuchst du, alles zu kontrollieren – und das ist langweilig für mich. Deswegen war für mich die Simulation ein Ausweg.

Nikita Diakur, Filmemacher

Im Nachhinein gesteht Diakur, dass dieser Kontrollverlust sehr stressig gewesen sei, da man so gar nicht planen konnte und wusste, ob der Film je fertig werden würde. Diese Frage hat sich inzwischen erübrigt.

Das Ergebnis "Backflip" lief bereits erfolgreich auf zahlreichen internationalen Festivals, und der Deutsche Kurzfilmpreis zeigt jetzt, dass das Experiment gelungen ist. Wobei sich für die Jury am Ende der turbulenten Geschichte zum Erfolgserlebnis, also dem geglückten Rückwärtssalto, ein leichtes Unbehagen mischte "ob des banalen Credos einer jeden K.I.: Übung macht den Meister."  

Der Film"Backflip"
Animationsfilm
Regie: Nikita Diakur
Drehbuch: Nikita Diakur
Herstellung: Nikita Diakur mit Miyu Productions
Laufzeit: 12 Minuten

Redaktionelle Bearbeitung: op

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 18. November 2022 | 16:10 Uhr