75 Jahre DEFA Warum sich Regisseur Peter Kahane bei der DEFA unfrei fühlte

20. November 2020, 04:00 Uhr

Der DEFA-Filmemacher Peter Kahane hat in Babelsberg Regie studiert und 1985 mit "Ete und Ali" eine der besten und erfolgreichsten DEFA-Komödien gedreht. Immer wieder rieb sich der Regisseur mit dem DDR-Filmunternehmen. Mit "Die Architekten" gelang ihm einer der wichtigsten Filme der DEFA-Geschichte, der allerdings erst 1990 in die Kinos kam. Als einziger seiner Regie-Generation, der letzten in der DEFA, konnte Kahane auch im vereinten Deutschland kontinuierlich weiterarbeiten, zum Beispiel mit Wolfgang Stumpf in der beliebten "Stubbe"-Reihe.

Peter Kahane hat sich während seiner Zeit in der DEFA immer eingeschränkt gefühlt. So erzählt er im MDR KULTUR-Gespräch zum 75. Jubiläum des DDR-Filmunternehmens: "Man hat große Hoffnungen, man hat natürlich große Illusionen und man überschätzt auch die Möglichkeiten. Das war dann doch komplizierter, als ich dachte, einen Stoff zu platzieren. Und wie viele Leute bei der DEFA habe auch ich versucht, einen Weg zu finden, mit dieser Zensur umzugehen."

Familiengeschichte als Stoff

Peter übt für die Schule und fürs Leben, 1957.
Der 1949 geborene Peter Kahane als Kind im Jahr 1957 Bildrechte: mdr/rbb/Kahane/privat

So fiel es Kahane immer schwer, die Themen umsetzen, die er sich gewünscht hätte. Dazu gehörte auch seine eigene Familiengeschichte, erklärt der Regisseur. Noch in den 30er-Jahren hatte sein Vater, Max Kahane, Jura studiert und brach dann ab, weil er wegen seiner jüdischen Abstammung keine Chancen mehr sah. Später ging er nach Spanien, wo er im Bürgerkrieg kämpfte. Nach dem Krieg gründete Max Kahane die DDR-Nachrichtenagentur ADN und war als Auslandskorrespondent in Prag aktiv, wo auch sein Sohn Peter geboren wurde. Eine vielseitige Geschichte, die der Filmregisseur gerne erzählen würde.

Ich bedaure das sehr, weil, die Geschichte meiner Familie hat mich schon sehr geprägt. Als Kind eher indirekt, später wurde das dann immer bewusster, was das für ein Leben war, was meine Großeltern, meine Eltern geführt haben oder was sie eben nicht führen konnten.

Peter Kahane

Diese Sichtweise führte aber auch immer zu Streitereien mit den eigenen Eltern, die ein engeres Verhältnis zur DDR hatten. "Er kannte die inneren Konflikte längst nicht so wie ich", sagt Kahane über seinen Vater. Dieses gespannte Verhältnis zum Regime verhinderte vielleicht auch, dass Kahane alle Ideen in der DEFA umsetzen konnte:

Peter Kahane
Peter Kahane Bildrechte: imago/Future Image

Ich hatte definitiv keine Chance einen politischen Film zu machen, ohne verlogene Inhalte rüberzubringen. Also war die Komödie die beste Möglichkeit, einen Film zu machen, der das Leben spiegelt, der die Probleme spiegelt, der Spaß macht und der eine gute Atmosphäre hat.

Peter Kahane

Reibungen mit dem Regime

1985 feierte Kahane schließlich großen Erfolg mit dem Film "Ete und Ali". Das war nicht selbstverständlich, denn wie der Regisseur erzählt, musste die DEFA immer um Anerkennung kämpfen. Das Publikum war skeptisch gegenüber den Werken der regimetreuen Film-AG und wollte lieber ausländische Filme schauen.

Wolfgang Stumph, Stephanie Stumph mit Peter Kahane, Andreas Koefer und Johannes Pollmann beim Fototermin am Set zur 50. und letzten Folge der Krimiserie Stubbe - Von Fall zu Fall am Holzhafen.
Mit der Stubbe-Reihe hatte Kahane auch nach seiner DEFA-Zeit großen Erfolg Bildrechte: imago/Future Image

Trotz des Erfolgs mit seiner Provinzkomödie bemühte sich Kahane um größere Stoffe, wie über Juden in einem französischen Internierungslager. Doch immer wieder stieß er auf Widerstand. In dieser Zeit verfasste er auch ein Manifest, das in der DEFA auch viel diskutiert wurde. "Wir waren tatsächlich eine Generation und wir haben versucht, uns zusammenzufinden. Wir hatten gemeinsame Ziele: Wir wollten mehr Freiräume haben, wir wollten eine andere Arbeitsweise durchsetzen, wir wollten sozusagen ein eigenes Studio haben." Heute wie damals bezeichnet Kahane sein Manifest als einen gescheiterten Versuch, die DEFA von innen zu verändern. Stattdessen konzentrierte er sich wieder auf den Film.

Am Ende zeigte sich auch, dass wir nicht solidarisch genug waren. Die DEFA hat letztlich aus uns Einzelkämpfer gemacht.

Peter Kahane

Gemeinsam mit Thomas Knauf schrieb Kahane das Drehbuch zu "Die Architekten", das zu seinem eigenen Erstaunen von der DEFA genehmigt wurde. Darin erzählt er von Daniel Brenner, der ein soziokulturelles Zentrum für eine Satellitenstadt in Berlin entwerfen soll. Doch bei seiner Arbeit stößt er mit seinen Visionen immer wieder an Grenzen – ebenso wie Kahane und seine Zeitgenossen.

Über verschobene Grenzen

Die Grenzen wurden bereits während der Dreharbeiten immer wieder verschoben. Einmal besuchte das Team bei einem Nachdreh sogar Demos, wo sie einige Aufnahmen machten. Doch Ideen, das Drehbuch an die veränderte Situation anzupassen, wurden bald wieder verworfen. "Dann dachte ich am Ende: 'Gut, dann machen wir einen historischen Film. Machen wir in der Gegenwart einen historischen Film.' Das wurde dann langsam immer deutlicher, dass es gar nicht anders geht", erinnert sich Kahane.

Schließlich kam der Film "Die Architekten" im Juni 1990 in die Kinos und gilt noch heute als wichtiges Dokument für die Stimmung einer DDR-Generation.

Filme macht man nicht für die Ewigkeit. Es ist wie mit Obst und Gemüse: Nach einer Weile ist das alles nicht mehr frisch. Es gibt ein paar Filme, die sich länger halten. Und da freue ich mich auch, dass der dabei ist, wegen eines Zufalls der Geschichte.

Peter Kahane

Auch heute macht Kahane noch Filme für die große Leinwand und das Fernsehen, schreibt Drehbücher und führt Regie unter anderem bei "Bis zum Horizont und weiter", "Die Rote Zora" und der Reihe "Stubbe – Von Fall zu Fall".

Linn Reusse in Die rote Zora
Linn Reusse, die Hauptdarstellerin der von Kahane verfilmten Geschichte "Die rote Zora" Bildrechte: imago images/United Archives

Doch auch jetzt stößt Kahane immer wieder auf Widerstände, denn immer noch lehnen Studios Filmideen zu seiner Familiengeschichte oder seiner Zeit in der DDR ab. Kahane vermutet: "Ich war der Falsche und nicht kompetent genug. Das klingt sehr beleidigt, aber es geht nicht um eine persönliche Beleidigung, sondern darum, wie man Geschichte behandelt und ob man mit den Leuten, die vielleicht in der Lage sind, es aus einer inneren Sicht beschreiben, zusammenarbeitet." So blickt Kahane doch positiv auf seine DEFA-Zeit zurück:

Unterm Strich muss ich sagen, habe ich meine wichtigsten Filme bei der DEFA gemacht, die ich damals vielleicht nicht als meine künstlerische Heimat gesehen habe.

Peter Kahane

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Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 20. November 2020 | 18:05 Uhr

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