Neue MDR-Webdokuserie Serie "Cyborgs of Instagram": Wie ein neues Leben mit Prothese beginnt
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31. Mai 2022, 04:00 Uhr
Gina, Alex und Anna verlieren nach Schicksalsschlägen Körperteile. Die neue MDR-Webdokuserie "Cyborgs of Instagram" zeigt, wie sie sich zurück ins Leben kämpfen, ihren Alltag gestalten – und wie ihnen die sozialen Medien dabei helfen.
Alles erinnert an eine Geburtstagsfeier. Auf dem Tisch stehen Pappbecher und Kuchen mit blauer Zuckerglasur. Annas Familie und Freunde sind gekommen. Doch Partystimmung herrscht nicht. Mutter und Oma können ihre Tränen nicht zurückhalten. Anna selbst hingegen wirkt gefasst als sie in die Kamera sagt: "Wir machen heute Nachmittag eine Feier, weil am Dienstag nächste Woche mein Bein amputiert wird und wir es nochmal verabschieden wollen." Sie ist eine der Protagonistinnen der neuen Webdokuserie "Cyborgs of Instagram".
Zuspruch und geteiltes Leid auf Social Media
Bis zu ihrem 20. Lebensjahr ist Anna kerngesund, macht viel Sport, liebt das Tanzen. Dann schmerzt auf der Arbeit plötzlich ihr linkes Knie. Ein Krankenhauskeim lässt ihr Bein ersteifen. Nach vier schmerzvollen Jahren und über 30 Operationen entscheidet sie sich für die Amputation – und begleitet den Weg in ihr neues Leben auf Instagram. Heute folgen ihr dort weit über Hunderttausend Menschen. Auf TikTok sind es sogar fast eineinhalb Millionen. Dort habe sie nicht nur Kraft und Zuspruch gefunden, sagt Anna, sondern auch echte Freunde. "Die sind selber diesen Weg gegangen oder einen ähnlichen Weg. Wenn du sagst, du hast Schmerzen, wissen die ganz genau, was du meinst."
Instagram als "Fenster zur Welt"
Einer davon ist Alex. Auch er hat ein Bein verloren, durch Knochenkrebs, da war er gerade 20. Auch er kämpft sich zurück ins Leben, um endlich wieder seinem Traumberuf als Flugbegleiter nachgehen zu können. Und auch er teilt sein Schicksal auf Instagram. Als er Annas Posts sieht, schreibt er sie an, die beiden treffen sich, werden gute Freunde. Er ist dabei als Anna ihre erste Prothese bekommt, fliegt mit ihr in den Urlaub, hat immer ein offenes Ohr wenn sie Schmerzen hat und nicht mehr weiter weiß.
Den Mut, so offen mit seiner Behinderung umzugehen, hat er auch durch den Zuspruch auf Instagram. Dort postet er Videos von seinen ersten Gehversuchen nach der Amputation, von seinen Erfolgen, aber auch von totaler Verzweiflung. "Instagram ist zu dem Zeitpunkt mein Fenster zur Welt geworden", sagt Alex in der Serie. "Ich kann nicht meinen Eltern sagen, ich habe Angst davor zu sterben und ich möchte auch niemanden belasten, aber trotzdem darüber sprechen. Und irgendwie war das für mich genau das Richtige, das bei Instagram zu posten."
#Cyborg: Die Amputierten-Community wächst und vernetzt sich
Oft wurde Instagram verteufelt. Es dränge junge Menschen in vermeintliche Schönheitsideale, führe zu Selbstzweifeln, gar zu Depressionen. Alex und Anna machen genau das Gegenteil: sie ermutigen, zeigen wie schön und facenttenreich das Leben auch mit Behinderung ist. Und nicht nur sie. Die Amputierten-Community in den sozialen Netzwerken wächst. Unter Hashtags wie #amputee, #prosthetic und #cyborg teilen sie ihren Alltag und unterstützen einander.
Mit Prothese bei Miss Germany
Hier stoßen die Filmemacherinnen Franca Fischer und Josephine Kuthning auf Gina. Durch einen Motorradunfall hat sie ihren linken Arm verloren. Wenig später ist sie die erste Frau mit Prothese bei Miss Germany. "Ich wünsche mir einfach eine Welt, die offener ist und nicht sagt, du bist zurechtgemacht, du bist schick gekleidet, du kannst keine Behinderung haben", sagt Gina.
Ein halbes Jahr lang begleiten die Filmemacherinnen Franca Fischer und Josephine Kuthning Gina, Alex und Anna mit der Kamera. Entstanden ist daraus die vierteilige Webserie für das MDR-Dokuformat "so close", die seit 31.05. in der ARD Mediathek zu sehen ist. Am Anfang der Dreharbeiten hätten zunächst viele Fragen gestanden, sagt Franca Fischer: "Ich wollte wissen, wie haben sich diese jungen Menschen überhaupt kennengelernt. Und warum ist ihnen der Austausch miteinander, untereinander so wichtig? Und über was sprechen sie dann, wie helfen sie sich, wo brauchen sie Unterstützung?"
Filmemacherin: Protagonisten nicht als "Inspiration Porn" missbrauchen
Die Antworten auf diese Fragen berühren. Fischer warnt allerdings davor, die Protagonisten als sogenannten "Inspiration Porn" zu missbrauchen. Menschen ohne Behinderung sollten sich also nicht an ihnen aufbauen, oder sie besonders inspirierend finden, nur, weil sie eine Behinderung haben. "Cyborgs of Instagram" will zeigen, dass Gina, Alex und Anna ganz normale junge Menschen sind - die eben mit einer Behinderung leben.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 31. Mai 2022 | 12:40 Uhr