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Szene aus dem Film "Sisi & Ich": Hofdame Irma (Sandra Hüller, links) muss die Launen von Kaiserin Sisi (Susanne Wolff, rechts) ertragen. Bildrechte: 2022 DCM

Filmkritik"Sisi & Ich": Neuer Film mit Sandra Hüller zeigt die Kaiserin modern und poppig

von Lars Meyer, MDR KULTUR

Stand: 31. März 2023, 09:22 Uhr

Der Sisi-Boom hält an: Die Filme mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm sind bis heute beliebt und aktuell gibt es auch zwei Serien. Ab Donnerstag, 30. März, ist der Film "Sisi & Ich" in den Kinos zu sehen. Darin spielt die Thüringer Schauspielerin Sandra Hüller eine Hofdame, die Kaiserin Sisi auf ihre Sommerresidenz nach Korfu begleitet. Die zwischen Liebe, Freundschaft und Macht changierende Beziehung der beiden Frauen steht im Mittelpunkt. Regisseurin Frauke Finsterwalder interpretiert so den viel erzählten Sisi-Mythos neu – mit Popmusik und luftigen Kleidern statt Korsett und historischer Schwere. Eine Kritik.

Ein Korsett wird auf dem Rücken fest verschnürt, bis es nicht mehr straffer geht. Mit dieser Einstellung begann bereits der Film "Corsage", in dem Vicky Krieps die Elisabeth von Österreich-Ungarn spielte, sprich: Sisi. Und so eröffnet auch "Sisi & Ich". Die beiden Kinofilme entstanden zeitgleich, doch es ist wohl kaum ein Zufall, dass sie von derselben Lebensphase der Kaiserin erzählen:

Sisi ist um die 40 und auf der Flucht vor sich selbst, das heißt ihrer eigenen Legende. Die junge Sisi, ihre Romanze mit Franz Joseph und ihre Kämpfe am Habsburger Hof – das haben neben der alten Trilogie mit Romy Schneider ja schon zwei neue Serien abgegrast: "Sisi" auf RTL+ und "Die Kaiserin" auf Netflix.

Sandra Hüller spielt Sisis Hofdame Irma

Diesmal ist es Sandra Hüller, die geschnürt wird. Allerdings erkennen wir bald, dass sie gar nicht die Kaiserin spielt, sondern ihre angehende Hofdame Irma. Sie ist das "Ich" im Filmtitel und der dramaturgische Kniff, der Regisseurin Frauke Finsterwalder doch noch eine neue Perspektive auf den vielfach durchgenudelten Mythos erlaubt.

Irma wird auf Sisis Sommersitz nach Korfu geschickt, um deren Entourage zu verstärken. Zunächst muss sie sich aber allerlei sportlicher Prüfungen unterziehen: Laufen, Turnen, Springen. Sie erträgt es mit Gleichmut, und Sandra Hüller spielt ihre unvergleichliche Selbstironie aus. Dafür ist die Thüringer Schauspielerin, ein bekanntes Gesicht auch auf der Leipziger Theaterbühne, spätestens seit "Tony Erdmann" berühmt.

Sandra Hüller im Kinofilm "Sisi & Ich" als Hofdame Irma, die Kaiserin Sisi nach Greichenland begleitet. Bildrechte: 2023 DCM Bernd Spauke

Pop-Songs, Kokaintropfen und Hippie-Kommune

Sisi, gespielt von Susanne Wolff, lässt sich zunächst nur am Fenster blicken und amüsiert sich über Irmas Unsportlichkeit. Doch die Neue gefällt ihr, vor allem, weil sie sagt, was sie denkt. Sie wird auf strenge Diät gesetzt (mit Brennesselsaft und Kokaintropfen) und Teil von Sisis Hippie-Kommune. Fernab des Hofes lebt die Kaiserin ganz so, wie es ihr gefällt. Ihr Korsett hat sie längst abgelegt. Und auch Irma wird neu gewandet, in luftige, bunte Kleider, die man eher im 20. Jahrhundert vermuten würde. Also passt es auch, dass der erlesene Soundtrack ausschließlich aus Pop-Songs besteht.

Die Schauspielerinnen Susanne Wolff (links) und Sandra Hüller in "Sisi & Ich" über die österreichische Kaiserin, deren Mythos bis heute weiterlebt. Bildrechte: 2023 DCM Bernd Spauke

Bestsellerautor Christian Kracht hat am Drehbuch mitgeschrieben

Allein das Setting verleiht dem Film etwas sehr Zeitloses. Fast ist es so, als befreie Regisseurin Frauke Finsterwalder nicht nur die Sisi vom Hofe, sondern auch die ewige Filmfigur Sisi vom Historienfilm. Das Drehbuch hat sie (wie schon im Fall von "Finsterworld") zusammen mit ihrem Mann verfasst, dem Bestsellerautor Christian Kracht. "In meinem Film wird die erfundene Geschichte von Gräfin Irma erzählt, die dem größten Popstar ihrer Zeit nahe kommen darf", beschreibt sie ihren sehr zeitgemäßen Zugriff auf den Sisi-Stoff.

Liebe, Freundschaft oder Machtspielchen?

Doch was ist das zwischen Irma und Sisi genau: Freundschaft oder Liebe oder doch nur wieder ein Machtverhältnis, in dem man sich gegenseitig manipuliert? Hüller und Wolff erscheinen wie Tag und Nacht, die ohne einander nicht auskommen. Zusammen erfassen sie alle Schattierungen dieser ungleichen Beziehung, in der Irma aber immer mehr die Oberhand gewinnt, und zwar je mehr Sisi leidet.

Georg Friedrich (liegend) und Stefan Kurt spielen im Film "Sisi & Ich" die männlichen Hauptrollen. Der Film ist ab dem 30. März im Kino zu sehen. Bildrechte: 2023 DCM Bernd Spauke

Während "Corsage" aus der Innen-Perspektive erzählt, wie Elisabeth sich von ihrem eigenen Bild emanzipiert und aus der Öffentlichkeit verschwindet, geht "Sisi & Ich" schließlich in umgekehrte Richtung und erzählt von Sisis erzwungener Rückkehr an den Hof. Das Realitätsprinzip schlägt zurück, auch für Irma, die immer gleichwertige Hauptfigur bleibt.

Es offenbart sich das ganze Ausmaß der Gewalt, die den beiden Frauen angetan wurde und sie zu Verbündeten macht. Neben Franz Joseph, der Sisis eheliche Verpflichtungen notfalls auch erzwingt, treten die beiden Mütter von Irma und Sisi auf, gegen deren Fleischtöpfe sie sich nur noch mittels Bulimie wehren können. Wie aus diesem (bösen) Märchen erwachen?

"Sisi & Ich" schreibt sich das Ende der Sisi-Geschichte ein wenig um. Aber so, dass es keiner bemerkt, außer Irma. Fiktion ist schließlich Freiheit.

Angaben zum Film"Sisi & Ich"
Deutschland, Schweiz, Österreich 2023
Regie: Frauke Finsterwalder
Drehbuch: Frauke Finsterwalder, Christian Kracht
Schauspieler*innen: Sandra Hüller, Susanne Wolff, Georg Friedrich
Länge: 132 Minuten

Ab dem 30. März 2023 im Kino zu sehen.

Redaktionelle Bearbeitung: Lilly Günthner

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 29. März 2023 | 17:40 Uhr