Denkmalgerechte Sanierung Endlich: Das Magdeburger "Studiokino" ist eine Baustelle
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Auf Napoleons Zeiten geht das Gebäude des heutigen "Studiokinos" zurück. Um 1820 entstand in der Neuen Neustadt ein repräsentatives Gesellschaftshaus mit Festsaal. Schon ab 1925 gab es darin Lichtspiele. Zu DDR-Zeiten war das "Studiokino am Moritzplatz" eine bekannte Adresse. Anläufe zur denkmalgerechten Sanierung wurden seit den 1990ern unternommen. Nun scheint der Traum vom Filmkunsthaus wahr zu werden. Doch es bleibt eine Mammutaufgabe für den 15-köpfigen Verein, das Vier-Millionen-Projekt zu stemmen.

Inzwischen werden im "Studiokino" wieder Filme gezeigt, unter den üblichen Corona-bedingten Auflagen. Aber von Normalität kann ohnehin keine Rede sein, denn statt Filmmusik erklang hier in den letzten Monaten vor allem das Hämmern und Sägen der Bauarbeiter. Die Wände sind noch unverputzt, es riecht nach frischem Mörtel. Kinobetreiber Frank Salender ist nun auch Bauherr und erklärt, den "Urzustand" wiederherstellen zu wollen. Die originale Kubatur der Räume solle wiederaufgenommen werden, auch wenn sie neue Funktionen bekommen.
Einer dieser vergessenen Orte
Es ist ein eigentlich vergessener Ort in Magdeburg mit einer ungewöhnlichen Geschichte, sie erinnert an die Zeit, als Napoleon auf Magdeburg vorrückte. Die Festungsstadt ergab sich ziemlich rasch, denn ihre Bewohner fürchteten die totale Zerstörung so wie einst im Dreißigjährigen Krieg. Dennoch ging während der Besatzung durch die Franzosen einiges zu Bruch. Dafür wurde dann später ein neuer Stadtteil gebaut, mit Gesellschaftshaus.
Es ist um 1820 konzipiert worden. Jahre zuvor hatte Napoleon die Stadt beschossen und in der Neustadt alles platt gemacht. Und dann kam Jahre später diese französische Anspruch nach Magdeburg zurück, diesen Stadtteil neu zu planen. Deshalb auch Neue Neustadt.
Ein Haus für alle und alles Mögliche
Mit Krankenhaus und einer Bürgerkirche, nämlich der Schinkel-Kirche, und dem Gesellschaftshaus am kleinen Markt, dem späteren Moritzplatz. Es war ein Zeichen für einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel. Aus heutiger Sicht könnte man von einem soziokulturellen Zentrum sprechen. Standesgrenzen spielten keine große Rolle mehr, denn darin verkehrte keinesfalls nur die Oberschicht, wie Salender erläutert: "Es ist sehr schön belegt durch Programmhefte, so ab 1825, vom Schauboxen über die Modenschau bis hin zur Hühnerhaltermesse bot es Raum für alles Mögliche."
Kino seit 1925
Und so scheint es nur folgerichtig, dass es 100 Jahre nach der Eröffnung auch zum Ort für ganz moderne Formen der Unterhaltung wurde. Es begann an zu flimmern im Ballsaal 1925. Mit dem ersten offenen Lichtbogen, der allerdings nicht den Auflagen der Feuerwehr entsprach, so gab es ein Verbot. Danach wurde laut Salender fix umgebaut, so dass die ersten regulären Kino-Vergnügen stattfinden konnten.
Doch in den folgenden Jahrzehnten veränderte sich das Gebäudeensemble dramatisch, der französisch inspirierte Entwurf mit großen Zimmern und hohen Decken wurde sozusagen mitteldeutsch überformt: Weniger Repräsentation, stattdessen mehr Nutzfläche. So wurden Salender zufolge schon 1931 Wohnungen eingebaut. Auch nach dem Krieg und zu DDR-Zeiten herrschte Wohnungsnot: "So wurde nochmal drüber gebaut, es entstanden noch kleinere Zimmer. So gab es dann den Ballsaal und ein Konvolut von Räumen und Räumchen."
Crowdfunding für den zweiten Bauabschnitt
Nun also wird der Urzustand wiederhergestellt. Das Kino nähert sich seiner alten Bedeutung als Gesellschaftshaus wieder an, dann gibt es allerdings fünf Leinwände. Der alte Ballsaal soll auch wieder entstehen. Die Franzosen zahlen das diesmal aber nicht. Nun also sind diejenigen gefragt, die das neue Haus nutzen wollen. Fördermittel stehen zwar bereit, doch es fehlt der Eigenanteil: "Aufgrund des hohen Zuspruches hoffen wir mit einem Crowdfunding bis Oktober 30.000 Euro gesammelt zu haben, um dann ausgestattet mit Eigenmitteln in den zweiten Bauabschnitt zu gehen."
Die Neue Neustadt in Magdeburg, in den letzten Jahrzehnten ziemlich in die Jahre gekommen, könnte so eine Auffrischung dringend gebrauchen.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 13. September 2020 | 08:40 Uhr