Neu im KinoEin Meisterwerk: Der Film "Tár" mit Cate Blanchett und der Dresdner Philharmonie
Seit den Filmfestspielen in Venedig wird der Film "Tár" in den höchsten Tönen gelobt. Der Film von Todd Field ist für sechs Oscars nominiert und seit dem 2. März im Kino. Cate Blanchett spielt darin eine Star-Dirigentin, die mit Machtmissbrauch einen Skandal auslöst. In einer Nebenrolle ist Nina Hoss zu sehen – und auch die Stadt Dresden. Gedreht wurde nämlich mit der Dresdner Philharmonie und im Dresdner Kulturpalast. Nur einer von fünf Gründen, warum der Film sehenswert ist.
1. Die spannende Filmfigur Lydia Tar
"Lydia Tar ist vieles", heißt es schon zu Beginn des Films. Und besser als Regisseur Todd Field es hier tut, kann man eine titelgebende Figur nicht beschreiben. Lydia Tar ist nicht nur vieles, sie scheint alles zu sein. Alles, was man in der klassischen Musik erreichen kann. Chefdirigentin des größten deutschen Orchesters, Komponistin für die Bühne und den Film, EGOT-Preisträgerin.
Cate Blanchett spielt eine fiktive Figur, die sich echt anfühlt. Eine Frau, die es bis an die Spitze der klassischen Musik geschafft hat, durch harte Arbeit, Disziplin, Verzicht. Aber auch durch Kalkül, durch Ellenbogen, durch Machtmissbrauch. Lydia Tár ist eine ambivalente Figur, Opfer und Täterin zugleich.
2. Dresden trifft auf Hollywood
Das namenlose Orchester im Film wird gespielt von der Dresdner Philharmonie, und einer der Konzertsäle ist der Dresdner Kulturpalast. Nina Hoss, die im Film nicht nur die Ehefrau von Lydia Tár, sondern auch die erste Geige im Orchester spielt, wurde zwei Wochen lang von Wolfgang Hentrich, der ersten Geige der Philharmonie, "adoptiert".
Für die Musiker und Musikerinnen der Philharmonie war die Filmarbeit musikalisch keine Herausforderung, aber sie mussten in den Proben- und Konzertszenen mit Cate Blanchett auch schauspielern – und bestanden das mit Bravour. Eine Leidenschaft, die sich in jeder Sekunde auf die Leinwand überträgt.
3. Cate Blanchett in der Rolle ihres Lebens
Zwei Oscars hat Cate Blanchett, die für den Film extra Deutsch gelernt hat, schon zu Hause stehen. Ein dritter Oscar könnte bald folgen, denn Lydia Tár ist wirklich die Rolle ihres Lebens. Regisseur Todd Field hat den Film extra nur für sie geschrieben, hätte sie Nein gesagt, hätte er das Drehbuch verworfen.
Sie spielt die Dirigentin wahnsinnig intensiv, gerade in den Orchesterszenen. Mal verbissen, mal hart, mal absolut verletzlich – immer über den Dingen schwebend und eiskalt. Sie wurde von der Rolle vollkommen absorbiert und aufgezehrt. Eine wahre Meisterleistung.
4. Wie ein Rorschachtest
Blanchett hat für ihre Interpretation einen sehr eigenen Ansatz gewählt, der sich in jeder Sekunde ausgezahlt hat. Sie hat Lydia Tár nicht als Rolle gesehen, sondern als einen Satz aus einer Mahler-Sinfonie, als eine Krise, die Menschen durchmachen. Eine Rolle, wie ein Rorschachtest. Es geht nicht darum, ob man am Ende die Figur mag oder eben nicht. Es geht darum, die Figur zu verstehen, warum sie so ist, wie sie ist.
5. Ein Meisterwerk
"Tár" ist ein Film, der von der ersten bis zur letzten Minute durchkomponiert und durchchoreografiert ist, mit kühlen Bildern und einem elliptischen Erzählrhythmus. Die Welt der klassischen Musik steht dabei nur stellvertretend für den überwiegend männlich dominierten Kunstbetrieb.
Lydia Tár als Frau ist eine Ausnahmeerscheinung und bedient sich der gleichen machterhaltenden Mechanismen wie die Männer. "Tár" ist ein verstörender Film, der gerade deswegen ein Meisterwerk ist. Ein Film, so bildgewaltig und übergroß, wie es ihn nur alle paar Jahre geben kann.
Mehr Informationen"Tár"
USA 2022
Regie und Drehbuch: Todd Field
Schauspielerinnen: Cate Blanchett, Nina Hoss, Noémi Merlant, Sophie Kauer
Länge: 158 Minuten
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 2. März 2023
Redaktionelle Bearbeitung: Simon Bernard
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 01. März 2023 | 17:40 Uhr