HalleWie Kultur Geflüchteten aus der Ukraine hilft
Viele Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind, bereichern hier die Kulturszene – und geben damit anderen Geflüchteten Halt. Wir stellen zwei Ukrainerinnen aus Kiew vor, die in Halle Kultur für andere Ukrainer*innen anbieten: eine Regisseurin, die im freien Theater Spielmitte e.V. eine Theatergruppe für Kinder leitet und eine Künstlerin, die im Kunstmuseum Moritzburg Kunstkurse für Geflüchtete durchführt.
Hohe Decke, Parkettboden, ein Schreibtisch, drei Stühle, zehn schwarz gekleidete Mädchen. Im Proberaum des freien Theaters Spielmitte e.V. in der Innenstadt von Halle gibt es an diesem Mittwochabend im November erstmal eine große Gruppenumarmung und dann wird gesungen: die ukrainische Hymne.
Seit Juni 2022 leitet die Regisseurin und Schauspielerin aus Kyjiw Oksana Rusina die Theatergruppe für ukrainische Kinder und Jugendliche. Als sie Anfang März 2022 mit ihren Kindern nach Halle kam, waren sie alle kaum in der Lage, das Haus zu verlassen, erzählt Rusina. Flüchtige Bekannte haben ihnen geholfen – beim Ankommen und beim Klarkommen.
Mehr Kultur für Ukrainer in Deutschland
Eine Theatergruppe für ukrainische Kinder und Jugendliche in Halle
"Die Bekannten von damals sind keine Bekannten mehr, sie sind jetzt Freunde und werden es für immer bleiben", sagt die Spielleiterin, die in Kyjiw eine Theaterschule geleitet hatte. Die Jugendtheatergruppe ist ein intensives wöchentliches dreistündiges und trostreiches Beisammensein – für sie und für die Mädchen.
Neben ihnen sind zwischen Februar und November 2022 5.212 Menschen aus der Ukraine in Halle angekommen. Insgesamt wurden laut Bundesinnenministerium in Deutschland in diesem Zeitraum 1.024.841 Geflüchtete aus der Ukraine registriert. In Halle, wie auch in anderen Städten, war die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung von Kriegsbeginn an groß. Auch Kulturinstitutionen wie Theater, Museen oder auch die Kunsthochschule öffneten ihre Türen und schufen Angebote für die Geflüchteten.
Mehr Kultur von und für Ukrainer
Kunstkurse für Geflüchtete im Kunstmuseum Moritzburg Halle
Fünf Gehminuten vom Theaterproberaum entfernt ist das Kunstmuseum Moritzburg. Hier leitet die Künstlerin Larysa Gurina Kunstkurse für Geflüchtete. Sie selbst ist zu Kriegsbeginn aus Kyjiw geflohen. Gurina hält den Kurs am liebsten im Freien. Am letzten schönen Herbsttag im November haben sich mehrere Menschen im Hof des Museums eingefunden.
Lucik Gudzon aus Mykolajiw kommt regelmäßig zum Kurs, übt sich in Proportionen, probiert verschiedene Maltechniken aus. Schon in der Ukraine wollte der Zwanzigjährige gerne Kunst studieren. Jetzt lernt Lucik Deutsch, ist Gasthörer an der Kunsthochschule, würde gerne Theater spielen, singt im Chor. Ob er wirklich noch Künstler werden sollte, weiß er nicht. Er sagt: "Es wäre besser, wenn ich angesichts der aktuellen Situation nicht Kunst studieren würde. Die Welt scheint auf eine Krise zuzusteuern. Schon wieder. Also werden die Künstler nicht nützlich sein, niemand wird sich um Kunst scheren, wenn er Essen und Wasser braucht."
Niemand wird sich um Kunst scheren, wenn er Essen und Wasser braucht.
Lucik Gudzon, Kunstkurs-Teilnehmer aus Mykolajiw
Das Feature "Von Mariupol ins Maritim" erzählt die Geschichten der Geflüchteten aus der Ukraine
Kultur verkürzt das Warten auf eine Rückkehr in die Ukraine
Lucik sieht seine Zukunft in Halle, hat viele Bekannte und Freunde in der alternativen Szene gefunden. Doch viele andere Geflüchtete wollen so bald als möglich zurück. So auch Yuliaa Pshenichna: "Ich bin dankbar, dass ich hier sein darf, aber ich will nach Hause." Pshenichna ist mit ihren zwei Töchtern aus Kyjiw nach Halle gekommen, hat ihre Eltern zurücklassen müssen. Sie hat ihre siebenjährige Tochter Margo zum Malkurs begleitet. Sie selbst malt an diesem Tag nicht, unterhält sich lieber und macht Fotos für die Großeltern in Kyjiw.
Auch Viktoria aus Kyjiw kommt oft zum Kurs. Planen könne sie nicht, sagt die Deutsch- und Geschichtslehrerin, denn eigentlich warte sie nur darauf zurückzukehren: "Aber ich möchte auch nicht und habe kein Recht meinen Sohn in Gefahr zu bringen. Ja?" Viktoria hilft der Kurs dabei auf andere Gedanken zu kommen. Es ist nicht nur die Möglichkeit sich künstlerisch zu entfalten, sondern auch die Ablenkung und der Schutzraum unter Gleichgesinnten, der die kulturellen Angebote für Geflüchtete attraktiv macht.
Das Feature "Von Mariupol ins Maritim"
MDR KULTUR - Feature
"Von Mariupol ins Maritim"
Von Duška Roth
Produktion: MDR 2022
Regie: Ulf Köhler
Erzählerin: Petra Hartung
Zitator: Axel Thielmann
Sendung bei MDR KULTUR: 14.12.2022 | 22:00 – 23:00 Uhr
Das Feature steht hier ein Jahr zum Hören und Herunterladen bereit.
Redaktionelle Bearbeitung: Hendrik Kirchhof
Mehr über den russischen Angriff auf die Ukraine und die Folgen
Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 14. Dezember 2022 | 22:00 Uhr