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Schriftsteller Guntram Vesper (1941-2020) hat seine sächsische Heimat Frohburg früh verlassen - literarisch suchte er sie immer wieder auf. Bildrechte: picture alliance/dpa | Swen Pförtner

EmpfehlungNeues Buch von Guntram Vesper posthum erschienen: "Lichtspiele"

23. Mai 2023, 15:18 Uhr

Der sächsische Schriftsteller Guntram Vesper hat mit seinem späten Debüt-Roman "Frohburg", benannt nach seinem Geburtsort, große Erfolge gefeiert. 2020 verstarb der Autor mit 79 Jahren und hinterließ in seinem Nachlass Essays und persönliche Berichte rund um das Schreiben, Bücher, Geschichten, Orte und Porträts. Diese sind nun posthum unter dem Titel "Lichtspiele" erschienen und offenbaren u.a., warum Vesper seine Heimat Frohburg, die er 1957 Richtung Westdeutschland verließ, literarisch immer wieder aufgesucht hat.

von Jörg Schieke, MDR KULTUR

Als der 1941 im sächsischen Frohburg geborene Guntram Vesper im Jahr 2016 den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik erhielt, wurde mit dem Roman "Frohburg" zugleich ein ganzes Lebenswerk geehrt. Guntram Vesper, ziemlich einzigartig in der deutschen Literatur, hat gleich zwei Bücher mit diesem Titel, "Frohburg", veröffentlicht: einen Gedichtband und eben jenen knapp-über-tausend-Seiten Roman namens Frohburg.

Für seinen Roman "Frohburg" wurde Guntram Vesper 2016 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

In letzterem erinnerte sich Vesper: "Ich bin vierzig Kilometer südlich von Leipzig geboren. Die Kleinstadt heißt Frohburg. Zwischen Leipzig und Frohburg liegt nur die Leipziger Tieflandsbucht mit ihren Weizenfeldern, Zwiebelbeeten, Braunkohlengruben und Kraftwerken."

Und weiter: "Wenn die Leipziger einen Sonntagsausflug machen wollten, dann fuhren sie mit der Bahn bis Frohburg und wanderten dann in den Wäldern, die hinter der Stadt die Ausläufer des Erzgebirges bedecken, der Töpferstadt Kohren, der Kohrener Schweiz, dem Lindenvorwerk mit seinem Teich oder dem Schloß Gnandstein zu [...]".

Erinnerungen an Kindheit, frühe DDR und Nachwendezeit

Die Kleinstadt und das dazugehörige Land, die frühe DDR, hat Guntram Vesper schon im Jahr 1957 verlassen, aber erschrieben, zurück-erschrieben, hat er sie sich bis zu seinem Tod im Jahr 2020. Welches Programm sich hinter solch einer Suche verbirgt, einer beständigen Anrufung der eigenen Kindheit, erzählt Vesper nun in seinem Aufsatz-Buch "Lichtspiele. Essays und Berichte".

Ein Buch, das die Verfertigung des Textes beim Sich-Erinnern und, umgekehrt, das Zustandekommen der Erinnerung beim Abfassen eines Textes bekundet; das eine nicht zu denken ohne das andere. Vesper ist ein Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, im besten Sinne selig im Glauben an die Beschreibbarkeit einer Welt, die durch Kunst und Literatur ein Stück weit zu retten ist.

Essays von Guntram Vesper über Schreiben und Bücher

Dieses Programm erfüllt sich bei Vesper in Details und Atmosphären, die Vespers Stärke und Schreibanlass sind. Und so zeichnet er, etwa in dem Essay "Lichtversuche Dunkelkammer. Entstehung einer Erzählung" nach, wie aus einem konkreten Ereignis (der Aufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR) eine literarische Arbeit wächst. Recherche und Fiktion, sich gegenseitig kontrollierend und auch provozierend, sind dabei die Fixpunkte.

Unter dem Titel "Lichtspiele" sind Aufsätze, Essays und Bericht von Guntram Vesper posthum erschienen. Bildrechte: Verlag Schäffling & Co.

Ausgerüstet mit einem solchen Besteck, erinnert sich Vesper an seinen Auftritt bei der berühmten Gruppe 47 ("Eingeladen, meiner Hinrichtung beizuwohnen") im Jahr 1967, erzählt von verschiedenen Reisen, vom immer wieder neu unternommenen Wiedersehen mit Frohburg und Sachsen. Kriegskindheit (vage Erinnerung) und Nachkriegsjahre, Flucht über die Zonengrenze, die 70er-Jahre in Westdeutschland, Wende- und Nachwendezeit.

Literatur von Vesper funktioniert wie Kino

Früheste Kunst- und Alltagserlebnisse verbinden sich mit denen des Erwachsenen, und immer ist da auch die Faszination für das Lichtspiel – das im engeren Sinne Kino ist und im weiteren Vespers künstlerische Methode, wie Andreas Platthaus in seinem Nachwort zu diesem Essayband schreibt. Literatur vertritt die Stelle des Kinos und sie führt den Strom der Bilder und Bewegungen weiter. Vesper, in seiner produktiven Geschichtsversessenheit, ist dabei der Vorführer, der stets auch ein wacher Zuschauer bleibt.

Zu gut kennt er die Perspektive des Neu-Hinzugekommenen, desjenigen also, der seine Heimat, das ewige Frohburg, gerade verloren hat. Aus dieser Perspektive formuliert er seine Geschichte, Erfahrungen aus dem 20. Jahrhundert, typisch deutsch und so, genau so zu haben doch nur von dem aus Frohburg in Sachsen stammenden Guntram Vesper.

Angaben zum BuchGuntram Vesper: "Lichtspiele. Essays und Berichte"
Mit einem Nachwort von Andreas Platthaus
Herausgegeben von Thomas Schaefer
Verlag Schöffling & Co.
384 Seiten, 30 Euro
ISBN: 978-3-89561-643-3

Redaktionelle Bearbeitung: Valentina Prljic

Bücher und Nachlass verstorbener Autor*innen

Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 23. Mai 2023 | 11:15 Uhr