Doping in der DDR Erich-Loest-Preis in Leipzig: Debatten um Preisträgerin Ines Geipel
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Immer wieder sorgt die Dresdner Autorin Ines Geipel für Diskussionen. In ihren Büchern beschäftigte sie sich mehrfach mit Unterdrückung in der DDR und wirft dem Staat unter anderem vor, gezielt gedopt zu haben. Von unterschiedlichen Seiten – auch von Betroffenen – wird ihr vorgeworfen, den Skandal zu übertreiben oder falsch darzustellen. In Leipzig soll ihr am Freitag, den 24. Februar 2022, der Erich-Loest-Preis verliehen werden. Jury-Vorsitzender und Kritiker Andreas Platthaus erklärt, warum.

MDR KULTUR: Hat Sie die aufbrandende Empörung überrascht?
Andreas Platthaus: Mir war klar, dass wir eine Autorin auszeichnen, die in den letzten Jahren immer wieder große Kritik auf sich gezogen hat. Es war bei allen Preisverleihungen in den letzten Jahren so, wenn Ines Geipel ausgezeichnet wurde, das bereits im Vorfeld eine massive Kampagne einsetzte, um zu verhindern, dass sie diese Preise bekommt. Ich hatte, als wir uns für Ines Geipel entschieden hatten, schon den Auslober des Preises, die Medienstiftung in Leipzig, gewarnt, dass da einiges auf sie zukommen könnte. Da kam aber erst mal überhaupt nichts. Dann setzten allerdings zuverlässig ungefähr einen Monat vor der Preisverleihung die Proteste ein.
Gab es innerhalb der Jury einen Moment, wo sie auf den Gedanken gekommen sind, dass das vielleicht doch keine so gute Idee ist, Ines Geipel auszuzeichnen?
Wären wir auf den Gedanken gekommen, hätten wir sie nicht ausgezeichnet. Wir halten es unverändert für eine gute Idee, weil sie als Schriftstellerin genau das leistet, wofür auch Erich Loest gestanden hat; weil sie gerade auch als eine Person, die sich besonders der öffentlichen Kritik aussetzt, genau dem folgt, was Erich Loest doch immer wieder getan hat. Wir hatten eigentlich den Überblick über so ziemlich alle Kritikpunkte, die da waren. Wir halten sie für gegenstandslos und haben deshalb auch an der Preisverleihung festgehalten.
Der Leipzig Erich-Loest-Preis ist ein besonderer Preis, der sehr viel Wert legt auf gesellschaftspolitisches Engagement, Impulse und angestoßene Debatten. Worin besteht aber die literarische Leistung von Ines Geipel?
Sie besteht vor allem darin, einen ganz eigenen Stil gefunden zu haben in ihren Erinnerungsbüchern und in ihren Sachbüchern. Das ganz Besondere, was uns aufgefallen ist, ist die Verbindung von einer psychologischen Analyse und einer ganz eigenen Begriffsprägung, die sie für dasjenige, was die DDR hinterlassen hat, gefunden hat.
Sie findet Formulierungen und Begriffe, die man so bislang im wissenschaftlichen Diskurs noch nicht hatte. Das ist teilweise ein sehr poetisches Verfahren, mit dem sie umgeht. Sie ist ja auch Professorin für Verslehre, das heißt, sie weiß sehr genau, wie man mit Sprache umgeht. Wir halten das, was sie da an Begriffen geprägt hat, für ausgesprochen hilfreich, wenn man sich mit solchen Fragen auseinandersetzt.
Sie haben viel Erfahrung in der Bewertung von Literatur. Sie sitzen beispielsweise aktuell in der Jury für den Preis der Leipziger Buchmesse. Ist es eigentlich eine aktuelle Tendenz, Preisträger und Preisträgerinnen nicht nur nach ihrem literarischen Können zu beurteilen, sondern auch nach ihrer gesellschaftspolitischen Positionierung und Haltung?
Es kommt ein bisschen auf das Profil des Preises an. Beim Erich-Loest-Preis ist der Begriff der Haltung sogar in die Satzung eingeschrieben. Wir als Jury dieses Preises sind aufgefordert, uns an dem zu orientieren, was die Haltung von Erich Loest gewesen ist. Dementsprechend ist es unumgänglich, dass man genau darauf auch Wert legt.
Beim Leipziger Buchpreis ist das nicht so. Und zumindest in den zwei Jahren, die ich bisher bei der Jury mitgearbeitet habe, war es nie so, dass Haltung eine Rolle gespielt hat. Aber man kann sich natürlich nicht ganz frei davon machen, das gerade in der Kategorie Sachbuch bestimmte Einstellungen zu gesellschaftlichen Fragen einzelnen Mitglieder der Jury sympathischer oder unsympathischer sind. Damit kommt Debatte über Haltung auch in solche Jury-Beratungen immer wieder mit herein. Aber es war nie so, dass wegen einer Haltung jemand ausgezeichnet oder auch nicht ausgezeichnet wurde. Zumindest nicht bei den Sitzungen, bei denen ich dabei war.
Das Gespräch führte Moderator Thomas Bille für MDR KULTUR. Der Text wurde gekürzt und redaktionell bearbeitet. Das vollständige Gespräch können Sie hier hören.
Redaktionelle Bearbeitung: tsa
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 24. Februar 2023 | 07:40 Uhr