WiedereröffnungSchillerhaus in Leipzig: Deutschlands erstes Literaturmuseum
Alljährlich zu Silvester wird millionenfach "Freude schöner Götterfunken" aus der "Ode an die Freude" angestimmt. Die vermutlich meistgesungenen Verse der Weltliteratur entstanden in einem Bauernhaus bei Leipzig. Friedrich Schiller verbrachte 1785 in Gohlis einen glücklichen Sommer und ließ seiner Begeisterung über neue Freundschaften freien Lauf. Ein halbes Jahrhundert später wurde aus dem Bauernhaus die erste Literaturgedenkstätte Deutschlands. Ab dem 1. April 2023 ist das neugestaltete Schillerhaus wieder geöffnet.
Die Leipziger sind enttäuscht. Das soll der berühmte Dichter der "Räuber" sein, der da in Richters Kaffeehaus sitzt? Ein langaufgeschossener, schüchterner, rotblonder und blauäugiger Mann, linkisch und oft mit Tränen in den Augen. In einem Brief an den Verleger Schwan heißt es: "Wenigstens rund geschnittene Haare, Kourierstiefel und eine Hetzpeitsche hätte man erwartet."
Schiller vor den Toren Leipzigs
Nach neuntägiger Reise kommt Schiller zur Ostermesse 1785 in Leipzig an. Eingeladen von einem Freundeskreis um den Juristen Gottfried Körner, einem wohlhabenden und generösen Mann, der Schiller zeitlebens unterstützen wird. Schiller wird in Gohlis einquartiert, einem Bauerndorf vor den Toren der Stadt. Erreichbar in einer halben Stunde Fußmarsch durchs Rosental ist Gohlis eine beliebte Sommerfrische Leipziger Bürger.
Schiller genießt den Sommer, wandert frühmorgens vor Tau und Tag durch die Felder, zecht abends mit seinen Bewunderern in Richters Kaffeehaus am Brühl. Und er schreibt für seinen Freund Körner ein paar Zeilen, beginnend mit den Worten "Freude schöner Götterfunken".
Ich glaube, der Schiller hat schon gewusst, dass er aus der privaten Situation heraus einen Text mit Ewigkeitsgeltung geschaffen hat. Das ist eben das Schöne: Aus diesem kleinen Bauernhaus erwächst etwas, was durch Beethoven um die ganze Welt geht.
Dr. Anselm Hartinger, Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig
Vom April bis September 1785 lebt Schiller in Leipzig, dann folgt er seinem Freund Körner nach Dresden, wo er die "Ode an die Freude" vollendet.
Schiller: Lieblingsautor der Deutschen
Im Metternichschen System der permanenten Überwachung und Zensur aller politischen Lebensäußerungen nach den Befreiungskriegen avanciert Schiller zum Lieblingsautor der Deutschen. Mit Schiller-Zitaten kann man über Politik reden, obwohl man offiziell nur über Literatur spricht.
Ein Mann, der dieses Spiel perfekt beherrscht, ist der Leipziger Theatersekretär Robert Blum. Ein "homo politicus", Netzwerker und listenreicher Hans Dampf in allen Gassen. Blum gründet den Leipziger Schillerverein und organisiert Feiern, unterläuft so das Verbot jeglicher politischer Arbeit. Und er macht sich auf die Suche nach dem Gohliser Quartier. Lässt alle alten Einwohner des Dorfes gerichtlich befragen und wird fündig: Es ist das Haus des Bauern Schneider.
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Aus dem Gohliser Bauernhof wird das Schillerhaus
1841 bringen die Leipziger Schillerverehrer eine Gedenktafel am Haus an und errichten eine pompöse Ehrenpforte, hinter der der kleine Dreiseithof fast verschwindet: die erste deutsche Literaturgedenkstätte. Der Schillerverein kauft Briefe und Manuskripte von Schiller und erwirbt vom Sohn eine lila-weiß gestreifte Weste, "unter der einst des Genius Herz schlug".
Robert Blum belässt es nicht beim Schillerzitieren. Als in Europa 1848 die Revolutionen ausbrechen, geht er in die Politik, vertritt Leipzig im Paulskirchenparlament, kämpft später in Wien gegen die Habsburger. Am 9. November 1848 wird Robert Blum standrechtlich erschossen. Ein Justizmord, denn als Abgeordneter genießt er eigentlich Immunität.
Götterfunken im grünen Refugium
Im neugestalteten Schillerhaus wird nun an den Dichter und seinen vielleicht größten Verehrer erinnert. Mit dem Schillerhaus hat Robert Blum nicht nur den ersten literarischen Erinnerungsort geschaffen, er hat auch ein Stück Alt-Leipzig gerettet. Der kleine Dreiseithof zeigt, wie die Dörfer um Leipzig einst aussahen. Und der Garten erinnert an die Sommerfrische anno 1785, die Schiller so inspirierte.
Mehr Informationen zum Schillerhaus
Neue Dauerausstellung "Götterfunken"
Ab 1. April 2023
Im Zentrum der neuen Ausstellung steht der von Schiller bejubelte Wandel seiner Lebenssituation, der ihn zu seinem Lied "An die Freude" inspirierte.
Zur Wiedereröffnung findet am 1. April ein "Tag der offenen Tür" statt.
Der Eintritt an diesem Tag ist von 10 bis 18 Uhr kostenfrei.
Öffnungszeiten
März
Di–So, Feiertage 10–16 Uhr
April bis Oktober
Di–So, Feiertage 10–17 Uhr
November bis Februar
geschlossen (Gruppenbesuche nach vorheriger Terminvereinbarung)
Adresse
Schillerhaus Leipzig
Menckestraße 42
04155 Leipzig
Eintritt
3 Euro, ermäßigt: 1,50 Euro
Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre frei
Freier Eintritt an jedem 1. Mittwoch im Monat.
Literatur in und um Leipzig
Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 19. März 2023 | 16:15 Uhr