Literatur für GeflüchteteUkraine-Bibliothek eröffnet in der Stadtbibliothek Leipzig
Viele Kriegsgeflüchtete und Liebhaber ukrainischer Literatur kamen am Dienstagabend in die Stadtbibliothek Leipzig zur Eröffnung der neuen Ukraine-Bibliothek. Mindestens 650 Bücher umfasst die neue Abteilung, die für jedes Lesealter und verschiedene Interessensgebiete etwas zu bieten hat. Der Aufbau der neuen Abteilung war jedoch nicht einfach.
Am Dienstagabend steht eine junge Besucherin in der Stadtbibliothek Leipzig und blättert begeistert durch die Auslage ukrainischsprachiger Literatur. Die Freude steht ihr dabei ins Gesicht geschrieben. "Ich habe jetzt Paul Celan gesehen in einer neuen ukrainischen Übersetzung – wunderschön. Dann Serhij Schadan – natürlich alles von ihm – und ein Buch von Jurij Andruchowytsch, das sieht auch interessant aus."
Martha Schoiman, so heißt die junge Frau, spricht fließend Deutsch, weil sie in Flensburg studiert hat. Inzwischen lebt sie in Leipzig. Die Gründung der Ukraine-Bibliothek schließt eine wichtige Lücke zu ihrer Kultur: "Ich bin super begeistert. Ich komme auch aus der Ukraine und habe schon lange hier mit ukrainischen Flüchtlingen gearbeitet. Alle wollen mehr lesen. Alle brauchen Bücher. Alle brauchen mehr ukrainische Kultur hier. Und ich freue mich so sehr über diese Abteilung."
Ukrainische Literatur in Leipzig
Alle brauchen mehr ukrainische Kultur hier. Und ich freue mich so sehr über diese Abteilung.
Martha Schoiman, Bibliotheksbesucherin aus der Ukraine
Viele glückliche Gesichter
Die Initiatorin der Ukraine-Bibliothek, Khrystyna Kozlovska, schaut an diesem Abend in viele glückliche Gesichter. Sie ist in ihrem Land eine erfolgreiche Autorin für Prosa und Lyrik. Die schmale Frau mit den schwarzen langen Haaren, deren Mann an der Front bei Charkiv kämpft, ist im März aus der Südwestukraine nach Leipzig geflohen. Hier kam ihr die Idee für eine ukrainische Bibliothek. "Ich konnte nicht tatenlos herumsitzen", sagt sie, "ich wollte etwas Nützliches für meine Landsleute und mein Land tun."
Überall, wo Menschen sind, bringen sie ihre eigene Kultur mit. Es ist wichtig für Kinder in ihrer Muttersprache zu lesen und auch für Erwachsene.
Khrystyna Kozlovska, Autorin und Initiatorin der Ukraine-Bibliothek
Die Leiterin der Stadtbibliothek, Birgit Spazier, jedenfalls hat sehr schnell bemerkt, dass Flüchtlinge aus der Ukraine nach Leipzig gekommen waren. "Sie haben sehr schnell Kontakt zur Bibliothek gesucht. Wir hatten am Anfang fast keine ukrainischen Bücher, ganz wenige Kinderbücher und haben uns dann bemüht, Bücher zu finden", sagt sie. Das sei allerdings schwer gewesen.
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"Schwierig, an Bücher heranzukommen"
Deswegen seien diese Initiativen mit Unterstützung von ukrainischen Menschen und vonseiten des Sächsischen Literaturrats so wichtig. Über die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen seien Gelder beantragt worden, sagt Anja Kösler vom Sächsischen Literaturrat. Ein Teil der Gelder aus dem Kulturfonds Sachsen-Ukraine sei nun für den Aufbau dieser Bibliothek verwendet worden.
Mehr ukrainische Kultur in Sachsen
650 Bücher, vor allem zeitgenössische Literatur, Kinder- und Jugendliteratur gehören zum Bestand, den es bisher in keiner Bibliothek Leipzigs gibt. Khrystyna Kozlovska hat sie ausgewählt und beschafft. "Was sehr gut war", sagt Anja Kösler vom Literaturrat, "denn das ist aktuell sehr, sehr schwierig, an diese Bücher heranzukommen."
Ukrainische Autoren bis Shakespeare und Stephen King im Angebot
Mehr als 250 Bände sind jetzt zugänglich und haben auf der 170 Quadratmeter großen Aktionsfläche im neuen Sprachenzimmer der Leipziger Stadtbibliothek ihren Platz gefunden. Täglich kommen jetzt neue ukrainische Bücher dazu. "Erstmal ist es ein ganz wunderbares Geschenk und die Auswahl ist super", sagt Bibliotheksleiterin Spazier, "sodass man wirklich von einer kleinen Bibliothek sprechen kann, weil das so breit gefächert ist, was wir anbieten können: ukrainische Autoren, aber auch Klassiker wie Goethe oder Shakespeare bis zu Stephen King."
Zu den Neuzugängen gehören auch junge ukrainische Autoren, die am Eröffnungsabend der Ukraine-Bibliothek aus ihren Werken gelesen haben: Andrij Ljubka, Roman Malynowsky, Iryna Tsilyk und Initiatorin Khrystiyna Kozlovska. Sie haben den Lesehunger längst nicht gestillt. Für Besucherin Martha Schoiman gehört die Ukraine-Bibliothek jedenfalls zu den guten Nachrichten in schlechten Zeiten: "Der neue Angriff jetzt, das war traumatisch. Sowas braucht man, das ist eine wunderbare Ablenkung."
Mehr als 130 Menschen aus Leipzig und aus der Ukraine waren am Dienstagabend in der Leipziger Stadtbibliothek vereint. Während in weiten Teilen der Ostukraine Menschen vor schweren Luftangriffen flüchten, konnten Lesefans in Leipzig einen Moment der Freude teilen.
Mehr Informationen:
Ukraine-Bibliothek Leipzig
ca. 650 Bücher
Adresse:
Stadtbibliothek Leipzig
Wilhelm-Leuschner-Platz 10-11
04107 Leipzig
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag, 20 bis 19 Uhr
Samstag, 10 bis 16 Uhr
sonntags geschlossen
redaktionelle Bearbeitung: Sabrina Gierig
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 13. Oktober 2022 | 06:15 Uhr