NeuerscheinungManfred Krugs Tagebücher: Private Einblicke ins Leben eines Tausendsassas
Manfred Krug war ein Allrounder – als Schauspieler auf der großen Leinwand überzeugte er Millionen und auch als Jazz-Sänger machte er sich einen Namen. Seine nun im Berliner Kanon-Verlag erschienen Tagebücher geben einen Einblick in ein bewegtes Leben: von Ehebruch und einer geheimen Zweitfamilie, über die Ausreise aus der DDR, sein Selbstverständnis als Vater bis zum Umgang mit seinem Schlaganfall und der eigenen Vergänglichkeit. Entstanden ist die Chronik einer ganz besonderen Zeit.
Wir schreiben das Jahr 1996 – Manfred Krug schreibt Tagebuch. Zum Beispiel über eine neue Angewohnheit: Er, der einstige Tausendsassa an der DDR-Kinofront, schaut im MDR alte DEFA-Filme, Filme ohne ihn. "Wie wollte man mit solchen Menschen, mit solchen Ekelpaketen, den Sozialismus aufbauen?", fragt er sich. Und bemerkt selbstkritisch: "Wir Schauspieler spielen jede Sülze. Wir wollen auch, dass es uns gut geht." Aber es war nicht alles schlecht. Etwa die Nationalhymne der DDR. "Vielleicht das Schönste, was die Deutsche Demokratische Republik hinterlassen hat", schreibt er.
Manfred Krug ist auch so eine DDR-Hinterlassenschaft. Mit fast 60 Jahren befindet er sich auf dem Höhepunkt seines deutsch-deutschen Ruhms: als Tatort-Kommissar, Telekom-Werbe-Ikone und "Liebling Kreuzberg".
Manfred Krug fährt zweigleisig – und darf das auch
Sein Tagebuch der Jahre 1996/1997 beginnt allerdings mit einem privaten Desaster: Ottilie, seine Ehefrau seit 1963, entdeckt zufällig das bislang von ihm geheim gehaltene Doppelleben. Mit der Schauspielerin Petra Duda hatte Manfred Krug nicht nur ein Arbeitsverhältnis – die Tochter Marlene wird geboren. Was vorher heimlich war, ist nun offiziell. Manfred Krug lebt in zwei Familien. Und er darf so weiterleben.
"Ich kann nicht einschätzen, wie das für meine Mutter oder Ottilie gewesen ist", sagt Marlene Duda rückblickend. "Aber ich bin sehr dankbar dafür, dass das so geklappt hat. Weil das nicht für alle Kinder, die in meine Situation geboren werden, so glimpflich ausgeht." Sie habe sich immer von allen Seiten geliebt gefühlt und nie das Gefühl gehabt, sie sei fehl am Platz. Da sei sie sehr froh drüber.
Der aus der Ehe mit Ottilie hervorgegangene Sohn Daniel Krug spricht von einer Riesenleistung seiner Mutter, die dieses Verhältnis mit der außerehelichen Tochter gestattet hat. Sie habe das nicht leicht wegstecken können – das war natürlich eine ganz große Kränkung. Aber sie sei eine Frohnatur gewesen, der das Wohlergehen der anderen immer ein Ticken wichtiger war als ihr eigenes.
Als Marlene noch kein Jahr alt ist, notiert Manfred Krug: "Sie begrüßt mich immer mit dem breitesten Lächeln, dessen sie nur fähig ist. Als Schauspieler muss ich sagen: sie macht fast zu viel." Marlene freut es heute zu lesen, dass ihr Vater sie als Kind so gern hatte. Besonders, weil er es ihr persönlich nicht so gesagt hätte.
Eine neue Leidenschaft und das mögliche Karriere-Aus
Vielleicht liegt es auch am späten Vatersein – Manfred Krug wird drehmüde. "Ich habe zum Schauspielen keine Lust mehr, was soll ich nur machen?", fragt er sich. Er macht weiter. Aber längst hat er eine neue Passion gefunden: Das Schreiben. Seine Aufzeichnungen, die 1976 nach der Ausbürgerung von Wolf Biermann entstanden, veröffentlicht er in dem Buch "Abgehauen" – sie werden ein Bestseller. Durch die Tages-Notizen zieht sich die tiefe Freundschaft mit Jurek Becker, Schriftsteller und "Liebling Kreuzberg"-Autor. Krug verliert keine großen Worte – auch nicht über Beckers Sterben, Pathos liegt ihm nicht. So bleibt er in seinem Schreiben glaubhaft. Im Sommer 1996 erwischt es auch ihn: ein Schlaganfall.
"Jemand, der so eloquent ist und jede Situation - scheinbar zumindest - im Griff hat, der auf alles eine Antwort parat hat, dass der dann sprachlos ist und kaum sagen kann, dass er die Brille gern geputzt haben möchte, das muss hart für ihn gewesen sein", sagt Daniel Krug. Ebenso wie die Angst, die ihn umgetrieben haben muss: kann ich sprechen, kann ich meinen Beruf noch ausüben?
Die Rolle als Vater und Vorbild
Er kann. Und wieder zieht er über die Flohmärkte und schreibt stolz von seinen merkwürdigsten Funden. Für Marlene erobert er einen alten Roller, wie er ihn als Kind immer haben wollte. "Sie ist meine Augenweide" notiert er, "mir wird bewusst, wie viel ich von den Kindheiten der drei Großen verpasst habe. Schade."
Trotzdem erinnert sich Daniel Krug an einen liebevollen, fürsorglichen und auch zärtlichen Vater. Insofern gäbe es auch keine Eifersüchteleien Marlene gegenüber. Der einzige Unterschied sei, dass er für sie viel mehr Zeit hatte als zu der Zeit, als er selbst klein war.
Manfred Krug ist Vater und Vorbild – aber Schauspieler wird keines seiner Kinder. Auch nicht Marlene. Ihr vererbt er eine andere Begabung. "Wenn das eine erbliche Frage ist, dann hat sich das literarische Talent meines Vaters auf mich übertragen. Ich studiere Literatur und mache das sehr gerne."
Mehr zu Manfred Krug
Mehr Literaturempfehlungen
Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | 28. Januar 2022 | 22:45 Uhr