LiteraturKinderbücher aus Kriegsgebiet: Verlag aus Jena verkauft ukrainische Bücher
Aus der Ukraine geflüchtete Familien kommen in Deutschland kaum an Kinderbücher in ihrer Sprache. Ein Verleger aus Jena ist deshalb nach Kiew gereist und hat dort Bücher gekauft, die er nun in Thüringen vertreibt.
Wenn Familien aus der Ukraine fliehen, dann denken sie in den Kriegswirren zuallererst an das Nötigste. Dass Bücher nicht unbedingt dazugehören, kann man verstehen. Aber nach Monaten, in denen die ukrainischen Familien in Deutschland mehr oder weniger angekommen sind, fehlen sie. Die Bücher in der Muttersprache.
Deshalb hat das ukrainische Buchinstitut die Initiative "Books without borders", Bücher ohne Grenzen, ins Leben gerufen. Diese Initiative versucht andere europäische Verlage zu gewinnen, ukrainische Kinderbücher aufzukaufen oder nachdrucken zu lassen.
Der Mauke-Verlag hat 120 ukrainische Buchtitel auf Lager
Diesem Aufruf ist auch André Störr vom Mauke-Verlag Jena gefolgt. Auf eigene Kosten und mit eigenem Risiko ist er nach Kiew gefahren, auf der Suche nach Verlagen und Schriftstellerinnen. In Buchhandlungen hat er sich nach gängigen Buchtiteln und Neuerscheinungen erkundigt. André Störr wollte raus aus der reinen Informationsblase über den Krieg, er wollte ganz praktisch helfen. Und was liegt näher, als dass ein Verleger sich um Bücher kümmert und damit auch die Kollegen in der Ukraine finanziell unterstützt.
Im Krieg seien für die ukrainischen Verlage derzeit keine Geschäfte mehr möglich, so der Verleger. Sie versuchen deshalb ausländische Märkte zu erschließen. Die meisten Verlage befinden sich in Charkiw, und die besten Druckereien sind auch dort. Aber sie können nicht arbeiten, da sie zum größten Teil zerstört sind. Es fehlt an Papier, an Strom. Und trotzdem produzieren sie irgendwie Bücher. Allein in diesem Jahr sind 2.000 neue Titel erschienen.
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Am Telefon hörte er in Charkiw die Bomben einschlagen
Und wie soll man das auch beschreiben? Sie rufen jemanden in Charkiw an, um mit ihm über Bücher zu sprechen, und im Hintergrund hören sie die Bomben einschlagen: "Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte, wie redet man mit diesen Menschen, die in so einer Situation sind? Aber ich habe gemerkt, die Menschen haben sich gefreut über die Aufmerksamkeit. Sie waren voller Wut und Hoffnung, dass es weitergeht." Und André Störr ist sich sicher: Indem er sagt, ich möchte ihr Bücher kaufen, kann er diese Hoffnung stärken.
Inzwischen hat sein Verlag 120 verschiedene Buchtitel im Bestand, die er ausliefern kann. Vorrangig gehen diese an Bibliotheken und Kindertagesstätten. Und auch wenn es befremdlich klingt, für die ukrainischen Kinder ist der Krieg in ihren Büchern längst angekommen. "Das ist bedrückend und erschütternd", so André Störr, "wenn in Kinderbüchern Tiere gegen Panzer kämpfen. Aber ich glaube, das ist auch ein Teil, wie man mit diesem Alltag umgeht. Wie Eltern versuchen das Thema, was die Kinder ja auch mitbekommen, ihnen erklären zu können."
Redaktionelle Bearbeitung: Hendrik Kirchhof
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Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | 21. Dezember 2022 | 19:00 Uhr