Comic-Kunst Leipziger holt Barockdichterin mit Comic "Sibylla" aus der Vergessenheit
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Vor 400 Jahren wurde Sibylla Schwarz in Greifswald geboren, mitten in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges. Von Zeitgenossen wurde sie als eine der wichtigsten Dichterinnen des Barock verehrt – so viel weiß man aus historischen Aufzeichnungen. Viel mehr aber auch nicht. Der mehrfach ausgezeichnete Leipziger Comickünstler Max Baitinger hat versucht, ihr Leben in seinem Comic-Buch "Sibylla" zu rekonstruieren.

Eigentlich beschäftigt sich Comic-Autor Max Baitinger mit zeitgenössischen Figuren, die sich in die Tücken des Daseins verstricken. Bei Sibylla Schwarz hat er eine Ausnahme gemacht. Weil er ihre Gedichte mochte – und weil jedes neue Detail, das er erfuhr, sie als Mensch interessanter erscheinen ließ. Genau darüber wollte Max Baitinger ein Buch machen, wie eine Person aus der Vergangenheit durch mehr oder minder zufällig überlieferte Informationen an Kontur gewinnt.
Viel weiß man nicht über Sibylla Schwarz. Sie war die jüngste Tochter des Bürgermeisters von Greifswald. Als sie neun Jahre alt war, starb ihre Mutter, von da an führte sie ihrem Vater den Haushalt, erledigte seinen Schriftverkehr. Ein Jahr später marschierten die Schweden in Greifswald ein und die Familie floh aufs Land. In dieser Zeit fing Sibylla mit dem Dichten an.
Comic-Literatur über Dichten in Zeiten von Krieg und Pest
Das Bild, das wir von Sibylla Schwarz haben können, ist also alles andere als klar. Deshalb nähert sich Baitinger dieser Dichterin von ganz unterschiedlichen Seiten an: Er recherchiert, wie das Leben damals im 17. Jahrhundert war, mit der Pest und dem Dreißigjährigen Krieg, arbeitet Forschungsergebnisse ein. Diesen Härten setzt er die Gedichte der Sibylla Schwarz gegenüber, die in wohlgesetzten Worten von ihrer Sehnsucht nach einer heilen Welt erzählt oder sich mit dem Tod auseinandersetzt. Max Baitinger ist vor allem verblüfft, wie Sibylla Schwarz in einer dermaßen brutalen Zeit so feinfühlige Gedichte schreiben konnte.
Der Comic "Sibylla" ist eine Annäherung an Sibylla Schwarz und ihr Werk, bei der sich Text und Bilder kunstvoll verschränken. Um den Dreißigjährigen Krieg zu erklären, erzählt Baitinger zum Beispiel die Mentalitätsgeschichte des Christentums von der Schöpfung bis zum Ablasshandel. Um den bricht schließlich ein erbitterter Streit aus, der im Dreißigjährigen Krieg viele Tote fordert. Baitinger erzählt das mit wuchtigen Strichen und einem rot, dass den Himmel verdunkelt.
Feingeistige junge Frau trifft auf brutales Umfeld
Die nächste Szene beginnt mit einer dieser feinen Tuschezeichnungen von dem Landhaus, in dem Sibylla wohnt. Hier arbeitet Baitinger mit wasserverdünnter Tusche, die den Bildern mehr Tiefe und Atmosphäre gibt. Allein diese Bilder zeigen den Kontrast zwischen dieser feingeistigen jungen Frau und dem brutalen Umfeld, in dem sie lebte. Mit den Kontrasten zwischen den Szenenwechseln dokumentiert Max Baitinger seine Recherche. Drei Jahre lang hat er an dem Comic gearbeitet – in der Zeit gab es immer neue Forschungsergebnisse, die den Erzählfluss seines Comics störten.
Mit dem Comic "Sibylla" zeigt Max Baitinger, wie absurd eine Gedenkkultur ist, die schlüssige Biografien konstruiert und sich doch nur auf wenige Fakten und viel Spekulation stützt. Und er würdigt das Werk der Dichterin, die gerade einmal 17 Jahre alt geworden ist und trotzdem rund 100 Gedichte schrieb, die posthum veröffentlicht wurden.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 24. November 2021 | 18:20 Uhr