Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
MDR KULTUR im RadioMDR KULTUR im FernsehenÜber unsKontaktSuche
Historische Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert von Novalis alias Georg Phillipp Friedrich Freiherr von Hardenberg Bildrechte: imago/imagebroker

Interview"Novalis wäre heute radikaler Klima-Aktivist"

20. Dezember 2022, 11:54 Uhr

Im Mai war der 250. Geburtstag des Dichters Novalis. Zum Abschluss des Novalis-Jahres hat das Literaturhaus Halle einen Sammelband herausgegeben, der Texte heutiger Autor*innen zu Novalis enthält. Die Beiträge stammen unter anderem von Clemens Meyer, Greta Taubert, Karl-Heinz Ott und Jens Jessen. Darin geht es um den Krieg in der Ukraine, um Krautrock, Klimaschutz und vieles mehr. Über Novalis und das neue Buch haben wir mit dem Leiter des Literaturhauses Halle, Alexander Suckel, gesprochen.

MDR KULTUR: Was war die Idee dahinter, acht Autorinnen und Autoren eine Aufgabenstellung zu Novalis zu geben? Und was genau war diese Aufgabe?

Alexander Suckel: Das Ganze ist eine Idee aus dem letzten Jahr, das Novalis-Jahr stand sozusagen bevor. Wir hatten einiges geplant. Aber das, wofür ein Literaturhaus eigentlich steht, das fehlte noch ein bisschen. Ein Literaturhaus ist ja per definitionem dem Gegenwartsschaffen verpflichtet. Und dann entstand die Idee, doch ein paar befreundete Autorinnen, Autoren anzurufen und zu fragen, ob ihnen nicht etwas zu Novalis einfällt.

Novalis soll eigentlich nur der Nagel in der Wand sein, wo ein schönes neues Bild dran aufgehängt wird. Es kann ein biografisches Detail sein, eine Gedichtzeile – einfach Novalis als Inspiration für einen neuen Text. Wir haben überhaupt keine Vorgaben gemacht, weder, was den Umfang noch das Genre angeht. Und zu meiner großen Freude haben tatsächlich viele Autorinnen und Autoren zugesagt. Und ihnen ist tatsächlich etwas zu Novalis eingefallen, was tatsächlich auch richtig neu ist.

Was für Texte sind denn da zusammengekommen? Welche Zugänge haben die Schreibenden gefunden?

Es ist ein wissenschaftlicher Essay dabei von Karl-Heinz Ott. Es ist ein glossenartiger Text von Jens Jessen, dem ehemaligen Feuilletonchef der Zeit, dabei. Es sind poetische Texte, Erzählungen, von Eike Goreczka, hallescher Drehbuchautor und Filmproduzent. Ein sehr aufwühlender Text von Greta Taubert – einer Publizistin, die sich diesen Kosmos Novalis ein bisschen deutet in Richtung Klimaproblematik. Also alles in allem Texte, die den Novalis sehr in die Gegenwart rücken – unterschiedliche Texte, die tatsächlich disparater gar nicht sein könnten.

Alexander Suckel leitet das Literaturhaus Halle und hat sich ausgiebig mit Novalis beschäftigt. Bildrechte: IMAGO / VIADATA

Neben den Texten finden wir in dem Buch ein neues Porträt von Novalis. Es gibt nur ein zeitgenössisches Bild von ihm, jetzt eine neue Grafik. Wie ist es dazu gekommen?

Das ist eine Fortsetzung eines Langzeitprojektes bei uns im Literaturhaus: Von allen Autorinnen und Autoren, die wir einladen, machen wir Porträts. Das ist immer eine Art Doppelporträt: Es gibt eine Frage, die Autorinnen und Autoren können zehn, zwölf Minuten über eine gute Antwort nachdenken. Währenddessen werden sie gezeichnet von Sven Großkreutz, hallescher Maler und Grafiker. Und die Antwort wird tatsächlich aufgenommen und verschriftlicht. So entsteht ein Doppelporträt, und wir stellen das bei uns im Haus aus.

Dieses Prinzip wollten wir als Abschluss für das Buch gerne fortsetzen: Novalis bekommt eine Frage gestellt. Natürlich kann er nicht mehr live antworten, aber aus seinen Werken. Und die Herausforderung für Sven Großkreutz war, ein Porträt zu schaffen. Er hat sich sehr mit dem Werk, mit der Biografie von Novalis befasst, um aus Beschreibungen heraus nachzuempfinden: Wie sah denn dieser Mann aus – und sich nicht nur auf dieses eine vorhandene Porträt zu stürzen und das irgendwie zu kopieren.

Sie haben auch ein Vorwort geschrieben, eine editorische Notiz, haben sich auch noch mal mit Novalis befasst. Was hat Sie denn am meisten überrascht an ihm?

Am meisten hat mich tatsächlich überrascht, was für ein Universalist der Novalis war. In diesen wenigen Lebensjahren, die er hatte, womit er sich alles beschäftigt hat: mit Gesellschaft, mit Natur, mit Bergbau, mit so unendlich vielen Fragen, die auch teilweise eingeflossen sind in sein poetisches Werk. Und ich habe mich sehr oft gefragt: Wo stünde er wohl heute? Und ich würde denken, er wäre so ein durchaus radikaler Klima-Aktivist, also eine sehr moderne Figur.

Das Interview führte MDR KULTUR-Radiomoderator Stefan Blattner. Redaktionelle Bearbeitung: Hendrik Kirchhof

Angaben zum Buch

"Wovon man spricht, das hat man nicht. Neue Texte zu Novalis"
Herausgegeben vom Literaturhaus Halle
Texte von Martin Becker, Eike Goreczka, Jens Jessen, Clemens Meyer, Karl-Heinz Ott, Torsten Schulz, Katrin Schumacher und Greta Taubert
116 Seiten
ISBN 978-3-96311-752-7

Buchpremiere am 14. Dezember 2022, 19 Uhr im Literaturhaus Halle (Bernburger Straße 8) mit Karl-Heinz Ott, Eike Gorecka, Sven Großkreutz, Katrin Schumacher und anderen.

Mehr Lyrik

Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 13. Dezember 2022 | 12:40 Uhr