Marlen Hobrack
Die Leipziger Autorin Marlen Hobrack hat mit "Schrödingers Grrrl" ihren ersten Roman veröffentlicht. Bildrechte: Amac Garbe

"Schroedingers Grrrl" Zwischen Instagram und Depression: Leipziger Autorin Marlen Hobrack legt ersten Roman vor

16. Mai 2023, 04:00 Uhr

Autofiktionale Romane wie die von Annie Ernaux oder Édouard Louis stürmen derzeit die Bestseller-Listen. Die Leipziger Autorin Marlen Hobrack nimmt diesen Trend nach authentischen, selbst erfahrenen Geschichten in ihrem Buch "Schrödingers Grrrl" mit Klugheit und Witz auf die Schippe. Es ist eine bissige Satire auf den Literaturbetrieb und zugleich der erste Roman der Autorin, die mit dem Sachbuch "Klassenbeste" bekannt wurde.

In ihrem viel beachteten Sachbuch "Klassenbeste" hat Marlen Hobrack anhand ihrer Familiengeschichte eindrücklich erzählt, wie die soziale Herkunft unser Leben prägt. Hobrack wurde 1986 in Bautzen geboren. Sie ist in einem so genannten "bildungsfernen" Haushalt aufgewachsen und lebt nach einem Studium in Dresden als Journalistin und Autorin in Leipzig. Als soziale Aufsteigerin hätte sie für ihren ersten Roman den aktuellen Trends folgen und erneut über ihr Leben und die Trennlinien schreiben können, die durch unsere Gesellschaft verlaufen. Doch dieses Thema spielt in ihrem Roman nur am Rande eine Rolle. "Schrödingers Grrrl" widersetzt sich den Leseerwartungen geschickt und verhandelt stattdessen den weitverbreiteten Wunsch nach Authentizität – sei es in der Literatur oder in den sozialen Medien.

Kluger und witziger Debütroman von Leipziger Autorin

Mara Wolf, die Protagonistin des Romans, ist Anfang zwanzig und arbeitslos. Ihre Lage ist zur gleichen Zeit völlig aussichtslos und auch wieder nicht. Das macht für sie schon ein Gang zum Briefkasten deutlich. Mara ist erledigt für den Fall, dass Mahnungen und Rechnungen auf sie warten. Und nicht-erledigt für den Fall, dass sie ausgeblieben sind. Der Briefkasten erinnert an ein Gedankenexperiment aus der Physik.

Ausgedacht hat es sich Erwin Schrödinger: In einer Kiste befinden sich eine Katze und ein instabiler Atomkern. Auf kurz oder lang zerfällt der Atomkern. Das hat zur Folge, dass ein Giftgas freigesetzt wird, das die Katze tötet. Da die Kiste aber verschlossen ist, lässt sich von außen nicht erkennen, ob die Katze noch lebt oder nicht. In gewisser Weise ist die Katze zur gleichen Zeit lebendig und tot.

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Zwischen Instagram, Tinder und Arbeitslosigkeit

Schrödingers Experiment gibt den Ton des Romans vor. Denn die theoretische Gleichzeitigkeit verschiedener Zustände prägt das Leben von Mara Wolf, die ihrem tristen Alltag entflieht, indem sie sich auf Instagram als "Schrödingers Grrrl" inszeniert und auf Dating-Portalen unterwegs ist.

Dann nimmt Maras Leben eine unerwartete Wendung: Sie lernt den PR-Agenten Hanno kennen, der aus ihr einen Literaturstar machen will. Mara muss nur so tun, als hätte sie einen Roman geschrieben, der eigentlich von einem alten, weißen Mann stammt. Der hat zwar einen starken Text über eine junge Frau verfasst, deren Leben dem von Mara auf verblüffende Weise ähnelt, soll aber selbst nicht in Erscheinung treten. Die Nachfrage nach authentischen, selbst erfahrenen Geschichten ist dafür zu groß.

Marlen Hobrack: Schrödingers Grrrl
Das Buch "Schrödingers Grrrl" von Marlen Hobrack Bildrechte: Verbrecher Verlag

Eine bissige Satire auf den Literaturbetrieb

"Schrödingers Grrrl" ist nicht nur eine unterhaltsame Hochstaplergeschichte, sondern auch eine bissige Satire auf den Literaturbetrieb. Er ist nicht nur gezwungen, die Erwartungen des Lesepublikums zu bedienen, sondern auch dazu, sich permanent selbst zu vermarkten.

Wie die bekannteste Hochstaplergeschichte der deutschen Literatur, die Bekenntnisse von Felix Krull, parodiert auch Marlen Hobrack den Entwicklungs- und Bildungsroman. Denn Mara Wolf täuscht nicht nur die anderen, sondern auch sich selbst. Deutlich wird das in einer unglücklichen Liebesbeziehung zu einem Engländer, die sie vor allem in langen Chat-Texten auslebt. "Schrödingers Grrrl" ist ein kluger und witziger Roman über unsere Gegenwart – über den Wunsch nach Authentizität und die Selbsttäuschung, die oftmals mit diesem Wunsch einhergeht.

Redaktionelle Bearbeitung: msp

Dieses Thema im Programm: ARD Audio | 29. April 2023 | 10:19 Uhr