Verbot der Band am 22. September 1975Wie Musiker der Klaus Renft Combo Widerstand gegen die DDR übten
Die Leipziger Klaus Renft Combo zählte zu den populärsten Rockbands der DDR – bis sie am 22. September 1975 von der SED-Führung verboten wurde. Doris Liebermanns Buch "Gegen die Angst, seid nicht stille" zeigt, wie sich zwei Musiker der verbotenen Band weiter gegen die Diktatur stellten. Christian Kunert und Gerulf Pannuch nahmen mit dem Schriftsteller Jürgen Fuchs ein geheimes Tonband auf, das in den Westen gelangte – dafür wurden sie verhaftet und schließlich ausgebürgert.
Wer heute 25 oder 35 Jahre alt ist, der wird beim Lesen dieses Buches die eine oder andere Suchanfrage starten: "Zwischen Liebe und Zorn" oder "Glaubensfragen" heißen die Suchbegriffe, und sie führen zu den Songs der Klaus Renft Combo. Wer 55 oder 65 Jahre alt ist, der kramt eine alte Amiga-Platte raus, hat die Band vielleicht noch live erlebt oder kann sogar die Songs mitsingen.
Alle Zeit drängt nach vorn / das Lebendige und regt sich
Zwischen Liebe und Zorn / reift der Mensch und er bewegt sich
Auf sich zu immer mehr / was für den nicht angenehm ist
Der am Hintern zu schwer / und im Kopfe zu bequem ist.Aus "Zwischen Liebe und Zorn", geschrieben 1971 – Text: Gerulf Pannach
Die Texte von Gerulf Pannach prägten das Lebensgefühl einer oppositionellen Subkultur in der DDR, weit über das Verbot der Klaus Renft Combo 1975 hinaus.
Verbot der Klaus Renft Combo (zum Aufklappen)
Die Klaus Renft Combo wurde am 22. September 1975 wegen "Beleidigung der Arbeiterklasse und Diffamierung der Staatsorgane" von staatlicher Seite als "nicht mehr existent" erklärt. Anlass für das Verbot der Band waren ihre systemkritischen Liedtexte, die Tabus wie Republikflucht thematisierten (z.B. in "Die Rockballade vom kleinen Otto"). LPs der Klaus Renft Combo verschwanden daraufhin aus den Geschäften, der Rundfunk spielte ihre Lieder nicht mehr und Archivbänder wurden gelöscht. Alle sechs Bandmitglieder erhielten von der Abteilung Kultur beim Rat des Bezirks Leipzig Berufsverbote. Einige von ihnen verließen die DDR oder wurden verhaftet und ausgewiesen. Erst 1990 kam die Band für eine Tournee wieder zusammen. (Quellen: MDR, BR)
Klaus Renft früh mit Verboten in der DDR konfrontiert
Doris Liebermanns Buch schöpft aus dem Material, das sie in jahrzehntelanger Arbeit als Radioautorin gesammelt hat. So kann sie auf Gespräche mit den schon Ende der 90er-Jahre verstorbenen Gerulf Pannach und Jürgen Fuchs zurückgreifen. Und selbst enthusiastische Fans der Band und Kenner der DDR-Jugendopposition werden noch Neues entdecken, vielleicht sogar Aktuelles.
Und da spielt so mancher / mit dem Volk Katz und Maus / und er glaubt, das Volk hielte aus. / Einmal bricht der Krug
Gestrichene Zeilen aus dem Klaus Renft Combo-Lied: "Zwischen Liebe und Zorn"
Die Unaufrichtigkeit von Funktionären als Ursache für den Riss in der Gesellschaft – diese Zeilen aus "Zwischen Liebe und Zorn" wurden Gerulf Pannach von seinem Bandleader Klaus Jentzsch alias Klaus Renft gestrichen. Renft hatte schon seine Erfahrung gemacht mit Auftritts- und Bandverboten, hatte erlebt, was der Dichter Jürgen Fuchs einmal auf diese Formel gebracht hat: Der Mensch ist tyrannisierbar.
Klaus Renft Combo provoziert mit Songs wie "Glaubensfragen"
Jürgen Fuchs bezog sich damals auf den Militärdienst in der Nationalen Volksarmee. Sein Buch "Pappkameraden" (es konnte nur im Westen erscheinen) beschreibt seine Armeezeit in der Nationalen Volksarmee und gehört thematisch zusammen mit dem berühmten Renft-Song "Glaubensfragen". Beide sind Ausdruck einer jungen Generation, die sich der Militarisierung entzieht, die mitten im Kalten Krieg Pazifismus zu leben versucht. Auch das macht dieses Buch spannend für das Heute: Weil es oft um den Konflikt geht zwischen Individuum und "Mainstream", zwischen Einzelnem und Staat, zwischen Kunst und Macht. Oder, wie es bei Pannach 1973 heißt:
Nimm deinen Hut und suche dich selber / Reiß deinen Strick ab, der ist für die Kälber / Eigene Leute sind keine Meute / Die man nach Belieben korrumpieren / und manipulieren kann!
Aus: "Dein Weg bleibt dein Weg" – Text: Gerulf Pannach, 1972
Geheimes Tonband aus Leipzig führt zu Verhaftung und Ausbürgerung
Gerulf Pannach, Christian Kunert und Jürgen Fuchs sind schon länger unter Beobachtung der Staatssicherheit, als sie im Herbst 1976 in Leipzig ein geheimes Tonband aufnehmen. Liebermanns Buch rekonstruiert die Geschichte dieses Tapes, das zum Anlass der Verhaftung wird.
Über Umwege und glückliche Umstände aus der DDR herausgeschmuggelt, senden Hessischer Rundfunk und RIAS das Band – was im Osten zu erweiterter Anklage führt. "Staatsfeindliche Hetze" wird nun den drei jungen Künstlern vorgeworfen: Darauf stehen bis zu zehn Jahre Gefängnis. Nach neun Monaten Untersuchungshaft im Stasi-Knast Hohenschönhausen werden Pannach, Kunert und Fuchs in den Westen abgeschoben.
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Obwohl die Geschichte der drei kritischen Künstler schon oft in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen erzählt worden ist, gelingt Doris Liebermann mit ihrer ausführlichen und präzisen Darstellung eine zugleich kompakte und verästelungsreiche Darstellung. Mit Kenntnis der Stasi-Akten erzählt Liebermann die Vorgeschichte des Trios und ihres Widerstehens, den Krimi um das geheime Tonband und von der Kraft der Solidarität. Dazu kommt, dass die Autorin selbst Mitte der 70er-Jahre Theologiestudentin in Jena war und ausgebürgert wurde.
Band von Romy Schneider, Heinrich Böll oder Max Frisch unterstützt
In Westdeutschland hatten sich kritische Linke nach der Verhaftung solidarisiert und eine wirkungsstarke Kampagne organisiert. Romy Schneider und Heinrich Böll, Günter Grass, Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt gehörten zu den Unterstützern. Es war der internationale Druck, der letztlich dazu führte, dass die drei Inhaftierten nicht angeklagt, sondern ausgebürgert wurden. Auch das ist exemplarisch für das Heute mit Blick auf autokratische Systeme und die Solidarität mit ihren Dissidentinnen und Dissidenten.
Angaben zum BuchDoris Liebermann: "Gegen die Angst, seid nicht stille – Das geheime Tonband von Pannach, Kunert und Fuchs"
Mitteldeutscher Verlag, 2022
320 Seiten mit Abbildungen
ISBN: 978-3-96311-689-6
25 Euro
Das geheime Tonband ist 2013 auf CD erschienen:
"Für uns, die wir noch hoffen"
Lieder von Gerulf Pannach und Christian Kunert / Prosa von Jürgen Fuchs
Leipzig 1976, West-Berlin 1977
Hrsg. von Doris Liebermann und Bodo Strecke
Erschienen auf dem Label Marktkram, 2013
Hörbuch, 3 CDs
22,99 Euro
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 27. Dezember 2022 | 11:15 Uhr