LageberichtEnergiekrise: Wie reagieren die Porzellanmanufakturen in Meißen und Könitz?
Die Gas- und Energiekrise macht vielen Betrieben und Privatpersonen Sorgen. So auch bei den Porzellanmanufakturen in Meißen und Könitz. Um den steigenden Preisen entgegenzuwirken, ist u.a. der Umstieg auf Solarstrom geplant, auch geänderte Arbeitszeiten sollen für Ersparnisse sorgen. Ganz auf Erdgas verzichten kann man in der Branche jedoch leider nicht – für die Produktion des weißen Goldes ist der Rohstoff bisher unersetzlich.
Wenn man im kleinen Showroom von Könitz Porzellan in Thüringen stöbert, findet man allerlei vertraute Motive, denn Könitz Porzellan ist exklusiver Lizenznehmer, beispielsweise von Picasso-Motiven. "Also wenn Sie ein Picasso-Produkt haben aus Porzellan, dann haben wir das hergestellt", erklärt Geschäftsführer Turpin Rosenthal und nimmt einen Kaffeebecher aus dem Regal, auf dem eine der berühmten Picasso-Tauben abgebildet ist. Direkt daneben reihen sich Tassen aneinander, auf denen die Mona Lisa zu sehen ist oder die bunten Rechtecke und Quadrate von Piet Mondrian.
Könitz Porzellan beliefert die Museumsshops vieler berühmter Häuser – vom Pariser Louvre über die Tate Modern in London oder das New Yorker Moma. Damit die Dekore auch ein ganzes Kaffeebecherleben lang halten, müssen sie unter hohen Temperaturen in das Porzellan eingebrannt werden. Bei rund 800 bis 900 Grad wird die Glasur weich, dann sinken die Farbpigmente ein, beim Abkühlen härtet alles aus.
Strompreise ums Sieben- bis Zehnfache gestiegen
Der Ofen wird mit Strom betrieben, man ist hier glücklicherweise nicht vom Gas abhängig. Aber auch der Strompreis sei in den vergangenen Monaten enorm gestiegen, rechnet Reinhard Krause vor, der sich bei Könitz Porzellan ums Thema Energie kümmert. "Zum Beispiel im August: Da war der Arbeitspreis, der vor zwei Jahren noch günstig war, ums Zehnfache höher. Das war einer der teuersten Monate. Jetzt ist es wieder ein bisschen runtergegangen, jetzt liegen wir so beim Siebenfachen."
Sonnenenergie nutzen: Arbeitsalltag soll ans Tageslicht angepasst werden
Geschäftsführer Rosenthal sagt, er könne diese Preissteigerungen nicht direkt an die Kunden weitergeben. Umso ungeduldiger blickt er in diesen Tagen auf die riesigen Dachflächen der Produktionshallen. Denn Rosenthal hat bereits vor einem Jahr eine Solaranlage bestellt. Er hofft, dass der eigene Strom vom Dach künftig ausreichen wird, um bei Tageslicht die Öfen zu betreiben. Man werde bei der Produktion dann künftig mehr aufs Wetter achten müssen. "So wie in den früheren Tagen: Der Bauer ist mit der Dunkelheit ins Bett, und wenn es hell wurde, ist er aufgestanden. So werden wir in Zukunft unsere Produktion steuern. Wir werden mehr bei Tageslicht produzieren", so Rosenthal.
Für den Ofen solle es zudem eine Ampelregelung geben – bei grün könne man ihn dann einschalten. Man wolle kalkulieren, wann das passieren soll – etwa am Tag bzw. im Sommer, um den hohen Energiebedarf der Öfen möglichst mit Solarstrom abdecken zu können. Das könne eine enorme Ersparnis bedeuten, so Krause. Nun muss die Solaranlage nur noch installiert werden. Aufgrund von enormen Lieferproblemen zögert es sich immer weiter hinaus. Turpin Rosenthal blickt mit gemischten Gefühlen in die Zukunft: "Wir versuchen, das Beste draus zu machen und lassen uns nicht überrollen. Man muss agieren. Aber es ist schwer, Geld zu verdienen."
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Meissener Porzellan: Erhöhte Produktion im Sommer
Auch in Meißen muss man sich der Situation Woche für Woche neu anpassen. Aber noch herrscht soetwas wie Zuversicht in der Porzellanmanufaktur. Statt zu klagen, konzentriert man sich derzeit auf Veränderungen und Anpassungen, die man selbst in der Hand habe, sagt Geschäftsführer Tillmann Blaschke. Die Weichen dafür wurden bereits im Sommer gestellt: "Wir hatten im Sommer die Produktion erhöht und fahren jetzt sukzessive auf das Normallevel zurück." Im Sommer habe man die Arbeitszeit von 38 auf 42 Stunden pro Woche erhöht, einschließlich Samstagsarbeit.
Die Unsicherheit über einen drohenden Produktionsstopp, die zu dieser Entscheidung geführt hat, besteht weiter: dass die Gaspreise drastisch steigen könnten, was die Porzellanherstellung unrentabel machen würde, bis hin zu Szenarien, dass dem traditionsreichen, aber eben nicht systemrelevanten Unternehmen wegen Gasmangels der Hahn zugedreht würde. Doch ohne Erdgas kein weißes Gold.
Im Ofen ist nicht nur eine Temperatur, sondern auch ein Milieu. Und dieses Milieu ist einfach ein anderes, wenn Sie eben mit Gas brennen. Deswegen können Sie nicht mit Elektro agieren – das würde nicht das Milieu hergeben, welches die Rezeptur verlangt. Sie würden im Ergebnis graues oder gelbes Porzellan bekommen.
Tillmann Blaschke, Geschäftsführer der Staatlichen Porzellanmanufaktur Meissen
Propangas keine wirkliche Erdgas-Alternative
12.000 bis 13.000 Megawattstunden verbraucht die Meissener Porzellanmanufaktur jährlich, allerdings nur zehn Prozent davon in den sechs Brennöfen. Insofern gibt es jede Menge Einsparpotentiale, über die derzeit verstärkt nachgedacht wird – ein Prozess, der aber noch am Anfang ist. Hier und da könnten Gebäudeteile "kalt gestellt" werden, man könne sich auch Modelle vorstellen, bei denen man vier Tage arbeitet und am fünften Tag nicht, so Blaschke. Das werde aktuell noch evaluiert.
Werkstattbesuche
Andererseits sucht man dennoch nach Alternativen zum Erdgas für den so genannten Weißbrand, zum Beispiel Propangas. Aktuell experimentiere man damit, damit sich die Manufaktur unabhängig machen könne. Es sei aber nicht so, dass man mal eben den Schalter umlegen könne, so Blaschke, aber das wäre mit einem vertretbaren Aufwand machbar. "Nur muss man bedenken: Wenn Erdgas gar nicht verfügbar ist, wird Propangas nicht gerade günstiger, sodass wir nicht davon ausgehen können, dass wir hier eine wirklich sinnvolle Alternative hätten."
Internationale Märkte eingebrochen: Umsatzeinbußen in Millionenhöhe
Im Moment zumindest sind die Lager der Meissener Porzellanmanufaktur dank der Vorproduktion gut gefüllt. Allerdings sind seit Pandemiebeginn wichtige Märkte, wie der in China weg- bzw. eingebrochen. Geschäftsführer Tillmann Blaschke geht von fünf bis sieben Millionen Euro Umsatzeinbußen derzeit aus, bedingt durch die aktuellen Krisen. Grund sei die Zero-Covid-Politik dort, die bis heute anhalte. Auch Russland sei wegen der Sanktionen ein Problem, sagt Blaschke.
Worum man sich in der Porzellanmanufaktur hingegen nicht sorgen muss, sind Rohstoffe, denn das Kaolin wird seit über 250 Jahren im hauseigenen Bergwerk bei Meißen gefördert. Aktuell wird dort gerade ein neues ergiebiges Abbaufeld erschlossen, das dann ab kommendem Jahr die Porzellanerde für das weiße Gold liefern wird.
(redaktionelle Bearbeitung: Sabrina Gierig)
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 08. November 2022 | 18:00 Uhr