Rezension "Perlen" von Blond: Mit diesem Album werden alle Sorgen klein

Die Chemnitzer Band Blond ist längst nicht mehr nur die kleine Schwester von Kraftklub. Emanzipiert, fröhlich und voller Witz kämpft sie auf ihrem zweiten Album "Perlen" mit Ohrwurm-Hits gegen toxische Männlichkeit, für weniger Fleischkonsum und mehr Sichtbarkeit von Frauen. Ein Kampf, zu dem man super tanzen kann.

Die Band Blond: Nina Kummer, Lotta Kummer und Johann Bonitz
Die Band Blond sind Nina Kummer, Johann Bonitz und Lotta Kummer aus Chemnitz. Bildrechte: Anja Jurleit

Blond sind nicht einfach nur eine Band. Da ist immer mehr – bei fast allem, was die Musiker*innen aus Chemnitz tun. Fans sind nicht einfach Fans, sondern Blondinators. Ihre Konzerte nicht einfach Live-Musik, sondern Shows mit Tanzeinlagen, Zauberei, Kostümwechsel und Mitmachparts. Ihre Vorab-Listening-Sessions machen sie nicht einfach im Studio, sondern mit Unterwasser-Boxen im Schwimmbad. Ihr Genre ist nicht einfach fröhlicher Indiepop, sondern "Las Vegas Glamour". Und so fängt auch das zweite Album der Band aus Chemnitz nicht an wie eine herkömmliche Pop-Platte, sondern wie ein großes Fußballspiel: "Auf geht‘s, Blondies, kämpfen und siegen!" skandiert da eine Menschenmenge und klatscht im passenden Takt.

Neues Album liefert Ohwurm-Hits mit Message

Also dann, auf geht’s! Und ja, Sängerin und Gitarristin Nina Kummer, Schlagzeugerin und Sängerin Lotta Kummer sowie Bassist und Synthesizer-Spieler Johann Bonitz kämpfen tatsächlich – auch wenn man es vor lauter Ohrwurm-Hits nicht gleich hört – für die gute Sache. Zum Beispiel dafür, dass auf den großen Festivals endlich mehr Bands mit Frauen im Line-up stehen. Oder für weniger Fleischkonsum. Oder dafür, dass Männer Frauen nicht ungefragt anfassen oder Dick-Pics schicken. Aber ihr Kampf ist eine Party. Er macht Spaß, er ist tanzbar. Wenn sie in "oberkörperfei" darüber sinnieren, wie sie in der Fleischerei alles kurz und klein hauen, rappen sie das auf einen fetten Hip-Hop-Beat, zu dem auch Johann Bonitz einen seltenen Lyrics-Einsatz bekommt: "Schwarzer Gürtel steht mir gut/ Schlag′ um mich wie ein Ninja/ Ich bin nicht blind vor Wut/ Verdammt, ich bin blind, ja!"

Albumcover der Band Blond: Nina Kummer, Lotta Kummer und Johann Bonitz
Das Album "Perlen" gibt es auch auf Vinyl Bildrechte: Fleet Union

Pop, New-Wave und jede Menge Glamour

Die anderen Songs sind weniger Rap, dafür umso mehr Hyper-Pop, ein bisschen New-Wave und treibende Drums. Das Genre "Las Vegas Glamour" passt da ganz gut, obwohl die Chemnitzerinnen noch nie in der Wüstenstadt waren. Hinter dem Glanz der Leuchtbildreklamen und der Hoffnung auf das unwahrscheinliche große Glück liegen halt auch sehr viel Dreck und Tränen.

Chemnitzer Band singt über Therapie, Zweifel und Sexismus

So sind die Themen auf "Perlen" ähnlich wie beim grandiosen Debüt "Martini Sprite", auf dem sich mit "Es könnte grad nicht schöner sein" unter anderem ein Song über Menstruation befand, wieder persönlich und politisch – und eher untypisch für fröhliche Popsongs. So singen sie über die schwierige Suche nach einem Therapeuten, träumen ironisch von der ewigen Ehe mit dem fremden Typ, der sie im Club begrapscht hat, oder fassen Selbstzweifel und das Gefühl der Einsamkeit in der schönen nerdigen Zeile "Nicht mal mein Sim hat sein Leben im Griff" zusammen. Klassische Liebeslieder sind erfreulicherweise auf "Perlen" wieder nicht dabei, stattdessen eine Ansage gegen toxische Beziehungen.

Die Band Blond: Nina Kummer, Lotta Kummer und Johann Bonitz
Blond singen auch auf ihrem neuen Album keine klassischen Liebeslieder. Bildrechte: Anja Jurleit

Blond bringt mit neuen Songs Herzen zum Lachen

Dennoch ist zwischen all der Wut auf die Verhältnisse viel Liebe zu spüren. Für die Freund*innen, auch wenn man nicht immer mitfeiern will, für das Leben trotz all seinen Downern und das Musikmachen, obwohl es nicht genug Geld für den Smart-TV bringt. Und natürlich für die Blondinators, die gar einen eigenen Song gewidmet bekommen. Und die am Ende des Albums wieder wie im Stadion euphorisch grölen: "Es ist schön, es ist toll, Blondinator zu sein. Die Herzen lachen und alle Sorgen werden klein." Mehr kann eine Band nicht schaffen.

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Dieses Thema im Programm: Deutschlandfunk Kultur | 20. April 2023 | 16:09 Uhr

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