
Interview Blond über "Männer": Sich Mühe geben reicht halt nicht
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20. Dezember 2022, 09:57 Uhr
In ihrer aktuellen Single "Männer" singt die Chemnitzer Band Blond über ihre Erfahrungen als Frauen in der Musikbranche und das Problem, auf Festivals häufig die einzige weibliche Band zu sein. Im Interview erklären Nina Kummer und Lotta Kummer, was man ändern müsste und warum Gesellschaftskritik auch ihren Alltag prägt. Zur Zeit arbeiten sie an ihrem neuen Album "Perlen" und sind in der Doku "Rebels" in der ARD-Mediathek zu sehen.
MDR KULTUR: In eurer aktuellen Single "Männer" singt ihr darüber, dass ihr auf Festivals oft die einzige Band mit Frauen seid. Ist das schon länger ein Thema für euch oder kam das jetzt in diesem Jahr auf, wo ihr auf sehr vielen Festivals gespielt habt?
Nina Kummer: Das Thema war immer präsent und ist es auch immer noch. Wenn man sich die Line-Ups so richtig großer Festivals anguckt, ist immer noch erschreckend, wie wenig Flinta-Personen (Anm. der Redaktion: FLINTA steht für für Frauen, Lesben, Inter, Non-Binary, Trans und agender Personen) da stattfinden. Und auf den vielen Festivals diesen Sommer haben wir gemerkt, dass wir dort noch relativ alleine waren. Und das ist schade, weil man will ja da nicht so als die Exoten-Band durch den Backstage laufen. Das ist also schon noch ein aktuelles Problem. Aber viele Festivals wissen das mittlerweile und geben sich Mühe. Und wenn man dann mal auf Festivals spielt, wo man merkt, hier achtet jemand beim Booking drauf, fühlt sich das richtig gut an.
Wir haben bei MDR KULTUR in diesem Jahr die Festivals aus der Region ausgewertet und bei einigen wie dem Highfield z.B. lag die Frauenquote unter 5 Prozent. Dabei wird das ja schon seit vielen Jahren auch thematisiert – aber nur wenig oder langsam geändert. Woran könnte das liegen?
Nina: Wenn Leute kritisieren, dass auf einem Festival ganz wenig Flinta-Personen spielen, lautet die Antwort immer: Ja, wir haben uns wirklich Mühe gegeben, aber es ist halt blöd im Bereich Rock. Oder Leute kommentieren, es gibt halt einfach nicht genug Frauen. Das ist jedes Jahr wie so ein Dejà-Vu. Man muss das natürlich auch bewusst wollen. Also man muss bewusst als Booker oder Bookerin sagen: Ich entscheide mich jetzt einfach mal zum Beispiel bei den ganzen Newcomersslots – da geht es ja nicht darum, dass da Leute gezogen werden müssen – bewusst gegen eine fünfköpfige Männerband, sondern für was anderes. Aber dafür muss man es erstmal als Problem sehen und dann auch dranbleiben. Denn die Newcomer können vielleicht nächstes Jahr dann schon größere Bühnen spielen. Man braucht ja eine Bühne, um besser zu werden.
Lotta Kummer: Es ist auch einfach Quatsch, dass es die Bands nicht gibt. Das stimmt ja einfach nicht. Und deswegen denke ich, dass man ein bisschen radikaler werden muss in der Auswahl. Immer nur dieses "sich Mühe geben" reicht halt nicht. An irgendeinem Punkt muss man einfach einen gewissen Prozentsatz einhalten. Ich habe das Gefühl, dass man bisher immer ein bisschen zu nett nachgefragt hat, sodass die Festivalmacher die Leute immer beschwichtigt haben und gesagt haben, nächsten Festivalsommer wird’s besser. Und dann haben es alle wieder vergessen und dann wird wieder beschwichtigt.
Sprecht ihr sowas wie die Frauenquote auch vor Ort an?
Lotta: Naja, es gibt ja vor Ort sehr selten Kontakt mit den Booker*innen der Festivals. Aber wir sprechen das natürlich an, indem wir den Song dort live spielen.
Nina: Man ist ja auch zwiegespalten, weil man sich unfassbar freut, dass man auf so Riesenfestivals vor so vielen Leuten spielen darf. Das ist natürlich auch immer eine Ehre, wenn wir als Blond da auf dem Line-Up stehen.
Warum ist es generell wichtig für euch, Gesellschaftskritik und Feminismus in euren Songs zu thematisieren?
Nina: Wir sind vom Charakter her so, dass wir uns viel über sowas unterhalten und austauschen. Und wir machen Musik, die nah an unserem Leben ist. Da passiert es automatisch, dass wir sowas dann in Songs verarbeiten. Ich meine, wenn wir im Jahr 40 Festivals spielen und auf Tour sind, dann ist das ja unser Leben. Sie handeln einfach davon, was uns nervt oder was man uns so sagt. Und dann regen sich da Leute darüber auf. Ich finde die Songs gar nicht so provokant, wie das oft aufgefasst wird. Es sind einfach Themen, die uns interessieren. Wir sehen das gar nicht als Mission, dass wir politische Musik machen und genaue Ziel verfolgen müssen, sondern wir machen das, was sich gut anfühlt. Es war ja auch nicht so, dass wir gesagt haben, wir gründen eine politische Band. Wir sind durch die Musik überhaupt erst feministischer geworden, weil wir gemerkt haben, dass in dieser Branche viele Sachen ganz komisch sind. Und dann haben wir gemerkt, dass man das auch auf andere Branchen übertragen kann und es ein gesamtgesellschaftliches und strukturelles Problem ist. Das ist uns erst aufgefallen, als wir da schon drin waren. Und dann haben wir angefangen, Songs darüber zu schreiben.
Lotta: Es wäre natürlich schön, wenn wir, obwohl wir weiter über unser Leben reden, irgendwann einfach nur ein glückliches "Alles ist geil"-Album machen könnten.
Wie sind die anderen Reaktionen auf eure Songs? Eher positiv, eher negativ?
Lotta: Positiv ist auf jeden Fall, dass Leute manchmal sagen, dass sie sich gehört fühlen. Oder die sich freuen: endlich sagt es mal jemand. Da bekommen wir natürlich viel positives Feedback. Aber es gibt natürlich auch Männer, die uns dann Sexismus gegen Männer zum Beispiel vorwerfen, was ein sehr witziger Vorwurf ist, oder die sich da angegriffen fühlen und die sagen: 'Hey, das ist voll gemein'. Viele Männer fühlen sich da auf den Schlips getreten. Aber vielleicht, weil sie sich da ja auch ein bisschen selber darin erkennen. Und dass freut einen dann ja eher.
Nina: Wenn Leute auf Konzerten die Songs mitsingen, hat man das Gefühl, das gibt denen was – und das wird uns auch gespiegelt. Und wir freuen uns natürlich sehr, wenn Leute sagen, es ist voll schön, dass ihr das macht und ich fühle mich verstanden und empowert oder so. Und das sind natürlich auch mehr Leute als die, die uns irgendwie böse Kommentare schreiben.
Wie reagiert ihr auf böse Kommentare?
Lotta: Wir reagieren da gar nicht drauf. Das ist ja auch ganz viel Internet-Troll-Kultur. Und da ist es, glaube ich, immer die beste Reaktion, die gar nicht zu füttern. Aber wir beobachten das natürlich und haben das große Glück, dass unsere "Blondinators" da teilweise Lust und Zeit haben zu diskutieren. Denn man muss ja auch erst mal die Kapazität haben, jeden Tag auf irgendeinen dummen Kommentar zu antworten. Und die Kapazität haben wir einfach nicht. Wir arbeiten gerade an unserem Album und haben sehr viele bessere Dinge zu tun. Und deswegen freue ich mich, dass dann manchmal Leute Lust haben, sich dahin zu setzen und anderen zu erklären, was an der Aussage problematisch ist. Aber manche Kommentare sind einfach nur böse – wie "ihr seid hässlich, geht sterben". Die kann man auch einfach löschen und muss da überhaupt nicht mehr einen Gedanken daran verschwenden, weil das kein Diskurs ist, den man abbricht, oder eine Diskussion, die man unterbindet.
Nina: Prinzipiell sind wir natürlich offen für Gespräche und Diskussionen und Kritik.
Lotta: Es kommt drauf an, was das für ein Rahmen ist. Manche Sachen klärt man einfach nicht in Instagram-Kommentarspalten. Aber wenn ich mit einer Person im Gespräch bin, dann ist es wirklich sehr selten, dass ich sage, das Gespräch führe ich jetzt einfach nicht, zum Beispiel mit – das haben wir hier in Chemnitz oft – rechtsradikalen Menschen. Aber wenn zum Beispiel Männer nicht merken, dass sie sich gerade sexistisch verhalten, dann nimmt man sich natürlich schon die Zeit, denen das zu erklären.
Blond-Tourdaten fürs nächste Jahr
21.04.23, Berlin, Festsaal Kreuzberg
20.-23.07.23, Wurster Nordseeküste, Deichbrand Festival
19.-20.05.23, Konstan, Campus Festival
28.-29.07.23, Dortmund, Juicy Beats
20.11.23, Dresden, Tante Ju
21.11.23, Wien, Flex
23.11.23, München, Muffathalle
24.11.23, Stuttgart, Im Wizemann
25.11.23, Freiburg im Breisgau, Jazzhaus
26.11.23, Zürich, Dynamo
28.11.23, Frankfurt am Main, sankt peter
29.11.23, Köln, Live Music Hall
30.11.23, Hamburg, Uebel & Gefährlich
02.12.23, Berlin, Astra Kulturhaus
03.12.23, Leipzig, Felsenkeller
Das Interview führte Juliane Streich für MDR KULTUR.
Dieses Thema im Programm: 3sat | 13. Dezember 2022 | 22:55 Uhr