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Woods of Birnam haben den Soundtrack zur Dresdner Robert Wilson-Inszenierung "Dorian" geschrieben. Nach den Soundtracks zu "Macbeth" und "Hamlet" zeigen sie damit einmal mehr, dass sie ein Händchen dafür haben, Literatur in Musik zu übersetzen. Bildrechte: Carsten Beier

Bühnen-SoundtrackNeues Album: Woods of Birnam verwandeln auf "Dorian" Literatur in Musik

von Anna Pröhle, MDR KULTUR

Stand: 20. Januar 2023, 10:06 Uhr

Am Staatsschauspiel Dresden läuft derzeit das Stück "Dorian" als Gastspiel. Robert Wilson hat es inszeniert, frei nach Motiven von Oscar Wilde und seinem berühmten Werk "Das Bildnis des Dorian Gray" – auch mit Bezug auf den Maler Francis Bacon. Den Monolog-Abend bestreitet der aus Magdeburg stammende Schauspieler und Musiker Christian Friedel weitestgehend allein. Mit seiner Band Woods of Birnam hat er auch den Soundtrack komponiert, der nun unter dem Titel "Dorian" erschienen ist.

Manchmal braucht es eine Weile – bis das, was sein soll, zu dem wird, was es sein will. So lässt sich der Entstehungsprozess zu "Dorian" zusammenfassen. Mit Regisseur Robert Wilson auf der einen Seite – der sich während einer Inszenierung zunächst einzig und allein auf die visuelle Komponente konzentriert – und Christian Friedel auf der anderen, der nicht nur schauspielerisch, sondern zusammen mit seiner Band Woods of Birnam auch musikalisch allzu gern einen Theaterabend wegträgt.

Doch man fand recht schnell zusammen, wie sich Christian Friedel erinnert: "Eigentlich sind seine Monolog-Abende sehr textlastig. Mir war aber wichtig, dass ich etwas Eigenes mit reinbringen wollte. Und ich wollte unbedingt meine Musik mitbringen, weil das für mich der persönlichste Ausdruck ist. Er war sofort offen dafür."

Theaterkritik zu "Dorian" in Dresden

Christian Friedel als Straßenkater im Swing-Gewand

Damit begann der Kompositionsprozess, der zuerst das Stück "On The White Sea" hervorbrachte: eine ruhige, melancholische Popnummer, die Wilson überzeugte und die erste halbe Stunde auf der Bühne immer wieder präsent ist – aber auch als eigenständige Woods-Nummer locker funktioniert.

Die Coverversion eines Peggy Lee-Songs namens "Alley Cat" dürfte hingegen auch eingefleischte Woods of Birnam-Fans aufhorchen lassen, denn für lässigen Swing stand die Band bisher schließlich weniger. Doch auch dieses Fach meistern sie souverän. Das Motiv zog Regisseur Wilson sofort an, erklärt Christian Friedel: "Als er wusste, dass er sich mit Dorian Gray, dem Roman und der Figur auseinandersetzt, fiel ihm dieser Song ein, wo es um einen Straßenkater geht, der nicht zwischen falsch und richtig unterscheiden kann, aber der es irgendwie schafft, ein großer Held der Gesellschaft zu werden und eigentlich aber ein Straßenkind ist. Dieser Song ist eigentlich die Klammer des Ganzen."

Für uns als Musiker war es natürlich spannend, auch neue Pfade einzugehen, die wir uns so im normalen Bandkontext nicht trauen, oder vielleicht würden wir nicht damit in Berührung kommen.

Christian Friedel von Woods of Birnam

Eine Szene aus der "Dorian"-Inszenierung mit Christian Friedel am Staatsschauspiel Dresden. Bildrechte: Lucie Jansch

Ein musikalisches Korallenriff im thematischen Dorian Gray-Ozean

Ein bisschen verrückt, sehr bunt, bisweilen auch schräg, dann wieder melancholisch und Indie-betont zeigen die Woods of Birnam auf "Dorian", dass auch eine ordentliche Portion Schmiss in ihnen steckt. Doch dabei bleibt es nicht. Unter der Oberfläche hält die Platte ein wahres Korallenriff bereit, das sich vielleicht erst beim zweiten oder dritten Hören so richtig entfaltet.

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Etwa mit dem Stück "My Own Master" – ein zentrales Element der Inszenierung und auf einem Text von Alfred Douglas beruhend. Er war bekanntlich Oscar Wildes Liebhaber, genannt "Bosie". Die leidenschaftliche Affäre führte zum Gefängnisaufenthalt. Bald darauf starb Wilde verarmt und einsam. Ein großer Stoff mit großer Herausforderung: "Für uns als Musiker war es natürlich spannend, auch neue Pfade einzugehen, die wir uns so im normalen Bandkontext nicht trauen oder vielleicht würden wir nicht damit in Berührung kommen."

Eine Szene aus der "Dorian"-Inszenierung mit Christian Friedel. Der Schauspieler und Sänger der Band Woods of Birnam bestreitet den Theaterabend am Staatsschauspiel Dresden ganz allein - und das sehr erfolgreich. Bildrechte: Lucie Jansch

Die Dresdner Band verwandelt Literatur in Musik

Auf "Dorian" beweisen die Woods of Birnam nur einmal mehr ihr gutes Händchen für die Umformung literarischer Stoffe in Musik – was ihnen bereits auf ihren Vorgängeralben, etwa mit dem Hamlet-Stoff oder Macbeth, hervorragend gelungen ist.

"Dorian" ist das neue Album der Band Woods of Birnam aus Dresden. Bildrechte: Label Royal Tree Records und Hook Music

Die wohl schönste Perle auf "Dorian" hat es leider nicht auf die Bühne geschafft. Das Stück "Vitae Summa Brevis" basiert auf einem Gedicht von Ernest Dowson über die Vergänglichkeit des Lebens. Die Woods of Birnam haben es vertont und die eigentlich tieftraurige und höchst poetische Seele der ganzen Thematik perfekt erfasst. So assoziativ, abstrakt und berauschend das Bühnenstück auch sein mag – hier dringt durch, was dahintersteht: Sehnsucht, Schmerz und eine endlose Verlorenheit aller Figuren. "Der Soundtrack ist eine Ergänzung, ein Kommentar der Band, aber auch zur Stimmung, die man haben könnte, wenn man an diese Biografien denkt, an die Gefühle, an das Innere dieser Figuren, die irgendwie alle etwas Verlorenes haben."

Und so macht das Album Lust auf das Bühnenstück. Funktioniert aber auch ganz losgelöst dessen für Fans von Christian Friedel und Woods of Birnam, denn eine Eigenschaft dürften sie alle mitbringen: Die Fähigkeit des Sich-Darauf-Einlassens. Wer dies wagt, wird – mal wieder – mit wahrlich Großem belohnt.

Angaben zum AlbumWoods of Birnam: "Dorian"
Erschienen am 20. Januar 2023
Label: Royal Tree Records und Hook Music

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 18. Januar 2023 | 07:40 Uhr