Wiedereröffnung Wie ein Verein die Mühlhäuser Kulturfabrik rettet
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Vor einem Jahr zogen die privaten Betreiber traditionsreichen Veranstaltungsorts die Reißleine, der Betrieb rechnete sich nicht mehr. Die Mitglieder eines örtlichen Kulturvereins wollten das nicht hinnehmen, und machten sich ans Werk. Ehrenamtlich renovierten sie die Kulturfabrik und hatten zur Eröffnung ein Konzert mit "Subway to Sally"-Frontmann Eric Fish. Für die Zukunft haben sie große Pläne für die Kult-Kneipe: Die "Kufa" soll zum soziokulturellen Treffpunkt im Thüringer Norden werden.

An diesem Vormittag ist es still in der Mühlhäuser Kulturfabrik. Eigentlich sollte hier nun eine Kitagruppe sitzen und einen Film schauen – die hat aber abgesagt, zu viele Kinder sind krank. So hat Tobias Braun genug Zeit für einen Kaffee. Zeit, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen, in dem er mit seiner Familie und anderen Bekannten die Kulturfabrik gerettet hat. "Als wir im vergangenen Jahr von den Schließungsplänen erfuhren, war uns sofort klar: Damit würde der letzte freie Kulturort von Mühlhausen verschwinden", erinnert sich Braun, "zumindest im Bereich Live-Musik. Und das wollten wir auf jeden Fall verhindern."
Gemeinsames Engagement
Braun und die anderen wussten: Wir müssen sofort handeln, denn wenn dieser Ort einmal aus dem Bewusstsein der Leute verschwindet, dann wird eine Wiedereröffnung umso schwieriger. So beschlossen sie, unter dem Dach des Kulturvereins "COOLtur e. V.", den sie bereits 2019 gegründet hatten, dieses neue Projekt in Angriff zu nehmen. Sie wollten allerdings nach dem Betreiberwechsel nicht sofort wieder die Türen öffnen, sondern diesen als Chance nutzen, die Kufa ordentlich aufzuhübschen: ein denkmalgeschütztes Fachwerkhaus, das zwar nach der Wende saniert, seitdem aber nicht mehr groß angerührt wurde.
Der Saal sollte heller werden, die vom Zigarettenqualm vergilbten Wände sollten eine neue Farbe erhalten. Und weil sich für diverse Aufgaben keine Firmen fanden, und nicht allzu viel Geld vorhanden war, mussten Braun und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter selber ran: "Wir haben uns regelmäßig zum Arbeitseinsatz getroffen, vor allem nach Feierabend. Wir haben abgeschliffen, gestrichen, umgebaut. Und sind so am Ende auf weit über 1.500 Arbeitsstunden gekommen."
Es seien Eigenleistungen im Wert von rund 30.000 Euro erbracht worden, rechnet Detlef Braun vor, Vater von Vorstand Tobias und Schatzmeister des Vereins. Da nicht alles von den Vereinsmitgliedern selbst erledigt werden konnte, stellte er Anträge bei Neustart Kultur und anderen landeseigenen Förderprogrammen. Als früherer Geschäftsführer einer gemeinnützigen Beschäftigungsinitiative kein unbekanntes Feld für ihn: "Wichtig ist bei solchen Anträgen, dass man ehrliche Angaben zum eigenen Vorhaben macht. Denn die Fördermittelgeber sollen sich ein realistisches Bild vom Projekt machen können." Die Anträge gingen durch, die Kofinanzierung stemmte man mithilfe von privaten Sponsoren.
Wiedereröffnung nach zehn Monaten Pause
Gerade mal 13 Mitglieder hat der Verein Mühlhäuser COOLtur, die aber sind alle voll und ganz dabei gewesen in den vergangenen Monaten. Am Ende dauerte es zwar länger, bis wiedereröffnet werden konnte – es wurde Herbst statt Frühjahr – aber es gelang. Anfang November öffnete die "Kufa" in Mühlhausen wieder ihre Türen, mit einem Solokonzert des Subway-to-Sally-Frontmanns Eric Fish.
Mittlerweile haben schon einige Konzerte erfolgreich stattgefunden, auch ein ausverkauftes Line-Dancing-Treffen und Puppentheater für Kinder. Künftig will der Verein gerade Angebote wie letzteres noch ausbauen: "Wir wollen die Kulturfabrik öffnen, gerade für nichtkommerzielle Treffen oder Veranstaltungen. Zum Beispiel für Vereine, die kein eigenes Gebäude haben und sich hier mal darstellen wollen", erklärt Detlef Braun.
Kulturfabrik soll zum soziokulturellen Zentrum werden
Gerade sind die Vereinsmitglieder dabei auszuloten, wie sie den Dauerbetrieb auf eine ordentliche finanzielle Basis stellen können. Die städtische Kilianistiftung hat bereits Unterstützung zugesagt, auch die Stadt will es sich überlegen. Dazu werden laut Detlef Braun noch private Sponsoren gesucht – und Menschen, die sich vorstellen können, einfach mal vor Ort auszuhelfen, etwa einen Abend im Monat an der Theke zu stehen: "Die kommenden Monate fahren wir einen Testbetrieb. Und im Frühjahr wissen wir hoffentlich, was funktioniert und was nicht. In jedem Fall brauchen wir noch jede Menge Unterstützung!"
Langweilig wirds also nicht in der Kulturfabrik, und für Tobias Braun, der hauptberuflich Solaranlagen installiert, nebenberuflich als Tontechniker arbeitet und ehrenamtlich noch den Verein leitet, werden die Tage wohl auch im nächsten Jahr wieder sehr lang werden. Die Kulturfabrik ist es ihm wert.
Anstehende Veranstaltungen in der Kulturfabrik
30.12.22 - Schock, support ErstAusGabe
07.01.23 - Jonas Greiner (StandUp Comedy)
25.02.23 - Loners United - Neil Young Tribute
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 21. Dezember 2022 | 07:40 Uhr