Dave Gahan von Depeche Mode performt auf der Bühne und blickt in die Kamera.
Dave Gahan heizte den 70.000 Fans auf der Festwiese in Leipzig ordentlich ein und bedankte sich am Ende des Konzerts mit emotionalen Worten. Bildrechte: picture alliance/dpa

Konzertbericht Depeche Mode in Leipzig: Berührende Momente und "ein Genuss"

27. Mai 2023, 16:06 Uhr

Die britische Kultband Depeche Mode spielte am Freitagabend, 26. Mai, (parallel zum Auftakt des WGT 2023) in Leipzig und wurde von rund 70.000 Fans gefeiert. Das Konzert auf der Festwiese war der Auftakt der "Memento Mori"-Tour 2023 in Deutschland (sechs Konzerte folgen) und einmalig, weil es auf den ersten Todestag von Keyboarder und DeMo-Gründungsmitglied Andrew Fletcher fiel, der im letzten Jahr überraschend verstarb. Für viele Fans ein emotionaler Abend in Leipzig. Ein Konzertbericht.

Deutschlandauftakt und erster Todestag von Andrew Fletcher: Da hatten die Fans von Depeche Mode hohe Erwartungen an das Konzert in Leipzig. Und man kann sagen, dass die erfüllt wurden. Mit Erwartungen ist das bei Stars in dieser Liga ja immer so eine Sache, aber Depeche Mode sind seit vielen Jahren so etwas wie ein wohlvertrauter und hochwertiger Markenartikel, der sich alle paar Jahre ein kleines Update erlaubt, aber im Wesentlichen beim Markenkern bleibt.

Heißt: es gab verlässlich aller vier Jahre ein neues Album, jetzt hat es mal sechs Jahre gedauert, wegen Corona und des überraschenden Todes von Andrew Fletcher im letzten Jahr. Und zu jedem neuen Album wird dann ausgiebig getourt. Und bei jeder Tour sind Depeche Mode meist recht früh auch in Leipzig. Darauf konnte man sich bisher verlassen.

Leipziger Konzert von Depeche Mode "ein Genuss"

Live funktionierte das immer recht gut nach einem einfachen, aber cleveren Prinzip: es gibt drei bis vier Songs vom jeweils aktuellen Album, jede Menge Gassenhauer – vor allem aus den 90ern und 80ern – und eingestreut ein paar Tracks, die nicht jedem so geläufig sind und die der Hitmaschine die nötige Würze geben. Insofern war das gestern Abend alles in allem erwartbar, aber in dieser Vertrautheit wirklich hochwertig und für Fans der verschiedenen Depeche-Mode-Stadien ein Genuss.

Fast pünktlich 21 Uhr ging es los: gleich mit zwei Stücken vom neuen Album "Memento Mori" – "My Cosmos Is Mine" und das herrlich pumpende "Wagging Tongue". Die beiden Hauptakteure Martin Gore, das musikalische Mastermind, und Sänger Dave Gahan waren von Beginn an sehr präsent. Gahan in einem Glitzersakko, Gore nicht weniger schick. Gahan und Gore werden auf der Tour nur von zwei Musikern begleitet: Peter Gordeno (Keyboard und Bass seit 1998) und Christian Eigner (Drums seit Ende der 90er-Jahre).

Das alles auf einer eher schlichten schwarzen Open-Air-Bühne, kein Brimborium, mit dem großen M des Albumtitels "Memento Mori" als zentralem Element am Bühnenhintergrund. Davor keine besonderen Aufbauten, aber im Laufe des Abends wurde das Konzert mit Videoprojektionen und Licht immer wieder geschmackvoll und sehr stimmig in Szene gesetzt.

Dave Gahan von Depeche Mode singt beim ersten Konzert der „Memento Mori Tour 2023“ auf der Bühne auf der Festwiese in Leipzig.
Die Bühne der "Memento Mori"-Tour 2023 von Depeche Mode ist farblich schlicht gehalten. Das M steht dabei für den Titel des neuen Albums. Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas

Depeche Mode sorgten für großartig berührende Momente

Und dann folgte mit "Walking In My Shoes" schon der erste von etlichen Gassenhauern aus den frühen 90ern. Danach war dann auch das Glitztersakko schnell ausgezogen. Musikalisch spielte sich das dann in der Folge weiter in den 90ern und kurz in den 80ern ab. Nach knapp einer Stunde dann der erste Höhepunkt.

Eingeleitet mit dem wunderbar düster wabernden Song "Speak To Me" vom aktuellen Album, der dann perfekt überging in die 80er-Hymne "Question of Lust“, stimmlich großartig performt von Martin Gore. Und Gore sang dann gleich weiter und erhöhte die Spannung und den Sog mit dem neuen Song "Soul With Me", allein gesungen nur am Piano begleitet.

Martin Gore von Depeche Mode in einem silbernen Anzug mit schwarzen Streifen an den Ärmeln
Martin Gore von Depeche Mode sorgte beim Konzert in Leipzig für einige Gänsehautmomente Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas

Ein großartig, berührender Moment! Den Arsch muss man erstmal in der Hose haben, vor 70.000 Leuten diesen stillen Moment nicht nur zu schaffen, sondern dann auch in aller Ruhe perfekt zu zelebrieren. Und dieser Moment ging dann über in die Leadsingle des aktuellen Albums auf "Ghost Again".

Das passte so perfekt und hat eine unglaubliche, für einen neuen Song in so einem Setting bemerkenswerte Strahlkraft entfaltet.

MDR KULTUR-Musikredakteur Hendryk Proske über stille Momente beim Depeche-Mode-Konzert in Leipzig

Dann zogen Depeche Mode das Tempo und den Druck wieder an, mit dem immer herrlich dreckig, heißschwitzenden "I Feel You". Darauf folgte der erste von zwei kleineren Andrew-Fletcher-Gedenkmomenten. "Enjoy The Silence" als langgezogener und ausgelassen abgefeierter Partytrack beendete nach gut 1:45 Stunden den ersten Teil.

Konzert in Leipzig: großartige Dramaturgie, perfekte Setlist

Im folgenden Zugabenblock gab es noch den zweiten Fletcher-Moment, bevor alles mit drei Hits – "Just Can't Get Enough", "Never Let Me Down Again" und einem grandios und kraftvoll gerockten "Personal Jesus" – zum krönenden Abschluss gebracht wurde. Das war wirklich alles in allem eine perfekt abgestimmte Setlist mit einer großartigen Dramaturgie und Balance aus völlig unterschiedlichen Facetten des DeMo-Kosmos'.

Und alles wurde im Wesentlichen bemerkenswert kraftvoll und dynamisch vorgetragen. Wenn dann Gahan bei "Walking In My Shoes" fast schon traditionell ein paar Töne nicht trifft und sich Gore in "Everything Counts" an den Tasten mal verhaut, macht es das eigentlich noch schöner und natürlicher.

Eine von Scheinwerfern beleuchtete Konzertbühne, im Hintergrund laufen Videoprojektionen.
Blick auf die Bühne des Depeche-Mode-Konzerts in Leipzig, das am 26. Mai den Auftakt der Tour in Deutschland bildete. Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas

Berührendes Gedenken an den verstorbenen Andrew Fletcher

Da das Konzert in Leipzig mit dem ersten Todestag von Andrew Fletcher zusammenfiel, hatte ich ehrlich gesagt ein bisschen mehr Würdigung erwartet, aber vielleicht war das auch vermessen. Es gab zunächst den Moment, den die Band schon auf der ganzen Tour, die ja schon ein paar Wochen durch die USA und Europa läuft, immer zelebriert – aber wirklich schön und angemessen, nämlich zwei Songs:

"A Pain That I’m Used To", ein Stück aus dem Jahr 2005, bei dem Andrew Fletcher im Orignal den Bass spielt, was jetzt Peter Gordeno macht. Und dieser Song ging über in, so wird immer erzaehlt, DEN Lieblingssong von Fletcher aus dem großen DeMo-Katalog: "World In My Eyes" von 1990.

Während die Band dieses Stück spielte, konnte man gar nicht anders als nur auf die Bühne hinter ihnen und die Videowände zu starren. Da sah man überlebensgroß einfach das Gesicht von Andrew Fletcher in schwarz-weiß. Zunächst der junge "Fletch" aus den Anfangstagen der Band in den 80ern, und dann verwandelte sich dieses Porträt ganz langsam und "Fletch" wurde immer älter, wie die Band selbst.

Das war so beeindruckend schlicht, aber wirkungsvoll und unterstrich die Bedeutung dieses Mannes für die Band. Gore und Gahan haben da ja nicht nur einen Kollegen, sondern wirklich einen wichtigen Menschen verloren.

Musikredakteur Hendryk Proske über das Gedenken an Andrew Fletcher beim Depeche-Mode-Konzert in Leipzig

Martin Gore von Depeche Mode auf der Bühne. Auf der Videoleinwand ein Foto des verstorbenen DM-Keyboarders Andrew Fletcher.
Mit Fotos des 2022 verstorbenen Andrew Fletcher auf den Videoleinwänden erinnerten Depeche Mode an ihren Bankkollegen und Freund. Für viele Fans ein Gänsehautmoment. Bildrechte: Eileen Buck/MDR

Dann kam der zweite Moment zu Beginn der Zugaben. Gore und Gahan kamen da auf die Bühne und sangen "Waiting For The Night" in einem Duett. Das war wirklich ein Moment, den ich so, nach fünf oder sechs DeMo-Konzerten noch nicht erlebt habe: Da standen diese beiden ältergewordenen Herren für den Song gemeinsam nebeneinander, sangen gemeinsam – unglaublich schön und sicher und wahnsinnig berührend.

Das ist so schön, was ihr hier für uns macht, er (Andrew Fletcher) hätte es geliebt.

Depeche-Mode-Sänger Dave Gahan zum Publikum in Leipzig

Als dann am Ende des Songs einerseits der Applaus heranrauschte, ein Teil des Publikums die letzte Melodie aber noch leise weitersang, fielen die beiden sich um den Hals und nahmen sich diesen Moment. Diese beiden letzten Verbliebenen einer großen Ära. Und Dave Gahan bedankte sich anschließend, erinnerte an den verstorbenen Freund und meinte ans Publikum gerichtet: "Das ist so schön, was ihr hier für uns macht, er hätte es geliebt." Da musste man dann schon ein Tränchen wegdrücken.

Fans von Depeche Mode singen beim ersten Konzert der „Memento Mori Tour 2023“ auf der Festwiese.
70.000 Fans feierten das Konzert von Depeche Mode in Leipzig auf der Festwiese. Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas

Redaktionelle Bearbeitung: Eileen Buck

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 27. Mai 2023 | 09:45 Uhr