Hip Hop Wie Trettmann auf seinem neuen Album "Insomnia" seine Trennung verarbeitet
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Vier Jahre ist es her, dass Trettmann sein letztes gefeiertes Album "Trettmann" veröffentlicht hat. Am 17. März erscheint endlich "Insomnia" – ein persönliches Album, auf dem der Leipziger Rapper sehr ehrlich von der Trennung seiner langjährigen Partnerin erzählt. Es ist das letzte Album mit dem Produzententeam KitschKrieg. Dafür hat Trettmann viele Star-Gäste versammelt, unter anderem Henning May von AnnenMayKantereit, Nina Chuba und Herbert Grönemeyer. Eine Kritik.

Das neue Album von Trettmann "Insomnia" ist nicht nur äußerlich dunkel. Das letzte Album in der Schwarz-Weiß-Trilogie erzählt vor allem von Szenen der Nacht. Das war auch die Zeit, in der der Leipziger die Songs geschrieben hat. Mindestens 60 Prozent sind nachts entstanden, erklärt der Sänger und Rapper. Der Grund für seine Schlaflosigkeit, seine Insomnia, war die Trennung von seiner langjährigen Lebenspartnerin und Mutter seiner Tochter.
Es ist ein Konzeptalbum geworden über das Ende einer Liebe und die Phasen der Trennung: von Zweifeln und Verzweiflung über Wut und Trauer bis zum Abfinden und Neubeginnen. Sehr ehrlich erzählt der 49-Jährige hier von Einsamkeit in viel zu großen Betten, vom Scrollen in Timelines und neuen Flirts, bei denen man sich was vorspielt.
Trettmann und KitschKrieg beenden Zusammenarbeit
Die passenden dunklen Sounds und Beats, die im Laufe des Albums – genauso wie die Laune des Sängers – ein bisschen heller werden, liefern KitschKrieg, die schon beim letzten Album "Trettmann" bewiesen, dass ihr Sound wohl einzigartig in der deutschen Hiphop-Landschaft ist. Schade ist es daher, dass das Produzenten-Trio und der Rapper angekündigt haben, dass nach "Insomnia" ihre Zusammenarbeit beendet ist. Denn es passt wirklich gut: Trettis Autotune-Stimme und Kitschkriegs Dancehall-Hiphop-Pop ergeben Songs für "Eltern, Underdogs und Gangster", wie Trettmann rappt.
Prominente Gäste: Grönemeyer, Lena und Nina Chuba
Nicht nur die Zielgruppe ist divers, auch eine beeindruckend illustre Gemeinschaft von Gästen hat Trettmann auf dem Album versammelt: Henning May von AnnenMayKantereit singt mit tiefer Stimme über die kalte Welt, die draußen regnet. Die derzeit stark gefeierten Rapperinnen Nina Chuba und Paula Hartmann sind auch mit dabei. Eurovision-Song-Contest-Gewinnern Lena Meyer-Landrut singt überraschenderweise auf Deutsch. Newcomer Levin Liam darf auch mitmachen, genauso wie die österreichische Hit-Band Bilderbuch und nicht zuletzt Herbert Grönemeyer, der mit seiner unverkennbaren Stimme im Song "Stefan Richter" singt: "Mein Zuhause: jeden Tag ne andre Stadt/ Keine halben Sachen/ Mach es richtig, wenn ichs mach."
"Insomnia" liefert persönliche statt politische Texte
Stefan Richter ist der bürgerliche Name von Trettmann – und der so betitelte Song der einzige auf dem Album, der auf die Lebensgeschichte des Rappers jenseits von Trennungsschmerz und Beziehungsfragen eingeht. Hier rappt er, dass er seine Tochter und seine Gang liebt, erwähnt seine Heimat Karl-Marx-Stadt und seinen Bruder, der nach West-Berlin ging und den er erst nach der Wende wiedersah.
Als "glaubhaftesten im Game" bezeichnet sich Trettmann selbst. Und doch ist es bedauerlich und auch untypisch, dass "Insomnia" hauptsächlich aus Befindlichkeitstexten besteht. Denn dass er gesellschaftskritische und politische Texte kann, hat er bereits bewiesen. So besang er auf seinem Album "Trettmann" die Stolpersteine in den Straßen, die an jüdisches Leben erinnern. Auf einer gemeinsamen EP mit Megaloh rappte er vor fünf Jahren über Oury Jalloh, einen Asylbewerber aus Afrika, der 2005 in einem Dessauer Polizeirevier verbrannte – mit hoher Wahrscheinlichkeit durch Fremdeinwirken, was bis heute nicht aufgeklärt wurde. In einem seiner größten Hits "Grauer Beton" thematisiert Tretti, wie ihn seine Fans nennen, das Aufwachsen im Chemnitzer Plattenbaugebiet Fritz Heckert.
Am Ende wird alles gut?
Doch von all dem ist auf "Insomnia" keine Rede. Trettman hatte nun ganz offensichtlich und verständlicherweise andere Dinge zu verarbeiten. Und weil er das auf sehr ehrliche und persönliche Weise macht, ist das neue Album eine große Hilfe und Handreichung für alle, die gerade selbst unter Trennungsschmerz leiden. Denn es gibt Licht am Ende des Tunnels.
Im letzten Song des Albums ist es zwar immer noch dunkel, aber hier steht Trettmann schon wieder im Club mit einem Drink und taucht tief ein in den Spaß, den die Nacht schließlich auch zu bieten hat. "Mir geht es am besten, ist die Party okay", stellt er fest. Und Nina Chuba singt dazu: "Bis zu spät ist noch ewig Zeit". Und dann fadet das Album so aus, wie es angefangen hat. Vielleicht geht jetzt alles wieder von vorne los.
Dieses Thema im Programm: MDR JUMP | "Made in Germany" | 02. März 2023 | 22:00 Uhr