Jüdisches Leben Dresdner Ensemble macht Musik jüdischer Komponisten wieder hörbar
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Der Dirigent Michael Hurshell ist Weltbürger, geboren in Wien, fühlt er sich als Amerikaner und lebt heute in Dresden. Im Jahr 2020 wurde er zum Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Dresden gewählt. Mit seinem Ensemble, der Neuen Jüdischen Kammerphilharmonie Dresden, widmet sich Hurshell u.a. der Aufführung von Werken jüdischer Komponisten, die von den Nazis verfemt wurden.

Der Dirigent Michael Hurshell ist Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Dresden. Und er leitet die Neue Jüdische Kammerphilharmonie Dresden. Das Ensemble widmet sich unter anderem dem Schaffen verfemter jüdischen Komponistinnen und Komponisten. Am 17. April will die Kammerphilharmonie erstmals in der Dresdner Frauenkirche spielen, auf dem Programm stehen dann unter anderem Franz Waxmans Sinfonietta für Streichorchester und Pauken sowie Felix Mendelssohn Bartholdys Konzert für Violine und Orchester d-Moll.
Ein Wiener Amerikaner in Dresden
Der 1959 in Österreich geborene Hurshell versteht sich als Amerikaner, denn die meiste Zeit seines Lebens hat der Musiker in den USA gelebt. Dennoch verrät ihn sein Akzent als Wiener. Hurshell ist viel in der Welt herumgekommen, Lebensstationen hatte er in München, Köln, New York oder Seattle. An der renommierten Brown University in den USA studierte er Klavier und Komposition, in Wien absolvierte er ein Dirigenten-Studium. Und schließlich hat sich Hurshell mit seiner Frau, einer Malerin, in Dresden niedergelassen. Dauerhaft!
Der Dirigent unterrichtet seit fast 20 Jahren nicht nur an der Dresdner Musikhochschule "Carl Maria von Weber", er kuratierte auch das 2013 neu eröffnete Richard-Wagner-Museum in Graupa bei Pirna. Natürlich kenne er Wagners antisemitischen Pamphlete, sagt Hurshell, für Juden seien diese fürchterlich. Dennoch liebe er Wagners Musik.
Also die Musik selber hat was Attraktives an sich. Und bei mir ist es eine reine Erbfrage, denn mein Vater war Bariton und sang Wagner, deswegen ist mir diese Musik vertraut.
Ob in Dresden, Leipzig, Zürich, Paris oder Bayreuth - Wagner habe immer jüdische Freunde oder Bewunderer gehabt, wie den Philologen Samuel Lehrs. Erst der jüdische Gelehrte habe ihn mit der mittelhochdeutschen Dichtung vertraut gemacht, mit Lohengrin und den Nibelungen. Hurshell verweist darauf, dass im 19. Jahrhundert viele Menschen Antisemiten waren - und dass es gleichwohl auch immer große Wagner-Interpreten gab, so Otto Klemperer (Cousin des Dresdner Philologen Viktor Klemperer) oder Bruno Walter (ab1929 Leiter des Leipziger Gewandhausorchesters). Über Wagners Antisemitismus könnte Hurshell lange Vorträge halten, besonders über dessen Hass auf Giacomo Meyerbeer.
Einst verfemte Komponisten wieder zu Gehör bringen
Noch mehr als Wagner interessieren Hurshell die von den Nazis verfemten jüdischen Komponisten. Sie seien kaum bekannt, weil sie ins Exil getrieben oder ermordet wurden, sagt der Musiker. Dazu gehörten die sogenannten Theresienstädter Pavel Haas und Hans Hans Krása, beide 1899 geboren und 1944 in Auschwitz ermordet. Oder der 1906 in Oberschlesien geborene Franz Waxman.
Gerade mit Waxmann verbindet Hurshell auch seine persönliche Biografie, Waxmann begann seine musikalische Ausbildung an dem Institut, der heutigen Hochschule für Musik, an dem Hurshell heute unterrichtet. Später arbeitete Waxmann in Berlin bei der UfA und wurde dann in den USA eine Filmmusiklegende. Bei der UfA arrangierte Waxman beispielsweise die Musik im 'Blauen Engel' mit Marlene Dietrich. Via Frankreich konnte er in die USA emigrieren. In Los Angeles wurde er einer der wichtigsten Filmkomponisten. Im Amerika kenne ihn jeder, hierzulande kaum einer, so Hurshell.
Auch Stücke des 1907 in Budapest geborenen Komponisten Miklós Rózsa führt die Jüdische Kammerphilharmonie immer wieder auf. Schon beim Studium am Leipziger Konservatorium in den 1920er-Jahren sei dessen große Begabung aufgefallen. Auch Rózsa machte in Hollywood Karriere als Filmkomponist und wurde mehrfach mit dem Oscar ausgezeichnet. An amerikanischen Konzert- und Opernhäusern hingegen hätten Emigranten nur selten eine Chance bekommen.
Das Tolle ist, dass diese Komponisten, die für Oper und Konzert ausgebildet waren, dann eben die Filmmusik ins opernhafte transportiert haben und die musikalische Bandbreite sehr erweitert haben. Die goldene Zeit Hollywoods war die der 30er-, 40er-, 50er-Jahre, die von jüdische Komponisten wimmelte, die alle hier in Europa ausgebildet wurden.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 20. Februar 2021 | 17:15 Uhr