Instrument des Jahres 2021 So klingt Sächsisch: Auch Orgeln haben Dialekte
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Für ihre vielfältigen Klangregister sind Orgeln bekannt. Aber dass sie auch regionale Dialekte haben sollen, verwundert. Das behauptet jedoch der Musikwissenschaftler und Organist Michael Kaufmann. Er kann eine sächsische Orgel am Klang von einer elsässischen unterscheiden – und er begründet auch stichhaltig, woran das liegt. MDR KULTUR hat nachgefragt.
Auch Orgeln haben einen Dialekt, je nach Region können ihre Klangfarben unterschiedlich sein. Das sagt der Musikwissenschaftler und Organist Michael Kaufmann im Gespräch mit MDR KULTUR-Moderatorin Julia Hemmerling. So haben die regionalen Orgeln des berühmten Baumeisters Silbermann einen sächsischen Dialekt, oder in barocker Sprache ausgedrückt: "ein breites Maul".
Die Dialekte der Orgeln
Die sächsischen Orgeln können erkennbar einen "etwas breiteren Klang, ein breiteres 'aaaaaa…' von sich geben, das aber etwas in den Hals hineinrutscht." Der Organist und Musikwissenschaftler Kaufmann kann sogar bestimmte Orgeln anhand ihres klanglichen "Dialektes" regional verorten. Im Test bei MDR KULTUR ordnete er treffsicher eine Orgel der Herkunft von Orgelbauer Gottfried Silbermann in Sachsen zu.
Zurückzuführen ist der sächsische Klang auf den starken Einfluss des berühmten Barockorgelbaumeisters Gottfried Silbermann (1683-1753). Vor ihm klangen die Orgeln in Sachsen laut Kaufmann wie die mittel- und süddeutschen Orgeln in Thüringen, dem Fränkischen oder Badischen.
Silbermann machte Orgeln sächsisch
Im 18. Jahrhundert hat Sachsen jedoch, dank Silbermann, sein Orgel-Klangideal komplett verändert. Zunächst brachte der Orgelbauer einen "französischen Tonfall mit hinein und eine bestimmte Normierung in diesen Orgelklang", so Kaufmann. Das rühre daher, dass Gottfried Silbermann sein Handwerk bei seinem älteren Bruder Andreas erlernt hat, der wiederum "in Paris den modernen Orgelbau gelernt hat und sich in Straßburg niedergelassen hatte."
Später wurde der Klang der Orgeln sächsischer und unterschied sich ganz deutlich vom elsässischen Typus, den Silbermanns Bruder in Straßburg baut, erklärt Kaufmann und erläutert weiter: "Die Mensuren sind verändert von Silbermann unter dem Einfluss, dass er wieder nach Sachsen zurückkehrte und in seiner Heimatsprache, Heimatdialekt auch wieder weiter gesprochen hat."
Nachhaltige Prägung
So prägte Gottfried Silbermann damit "im 18. Jahrhundert, also in der Blütezeit des Barock, ganz Sachsen, so dass das bis ins späte 19. Jahrhundert gilt, als dann eben auch im Zuge der Reichsgründung eine gewisse Nivellierung im Orgelbau, auch aufgrund von Technisierung, eintritt." Wer also den guten Klang der Silbermannschen Orgeln in Sachsen preist, der lobt damit auch zu einem guten Teil den sächsischen Dialekt.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 04. Februar 2021 | 18:20 Uhr