Wiedergeburt in der Nische Die Rückkehr der Kassette - Leipziger Label freut sich über Aufschwung

Verdrängt durch CDs und Streaming-Angebote, ist die Kassette fast in Vergessenheit geraten. Allerdings gibt es einen Nischenmarkt, in dem sich der Tonträger mit dem Band noch immer großer Beliebtheit erfreut – und dieser Markt wächst. So gibt es in Leipzig nicht nur ein eigenes Kassetten-Label, sondern auch das einzige Kopierwerk in Deutschland, das das alte Medium noch herstellt.

Kassette
Fast vergessen und doch wieder im Kommen: Die Kassette. Bildrechte: Colourbox.de

Es scheint schon fast vergessen – das Geräusch eines Kassettenrecorders. Verdrängt von der CD Anfang der 90er-Jahre, erreichte die Kassette in den 2000ern ihren absoluten Tiefpunkt. Doch wie heißt es so schön? Totgesagte leben länger.

Seit gut drei Jahren steigt das Interesse für Kassetten wieder – vor allem in den USA, aber auch in Deutschland. Zwar sind die Absatzzahlen mit gerade einmal 125.000 verkauften Kassetten im Jahr 2017 weiterhin niedrig, doch das sind nur die offiziellen Zahlen des Bundesverbands der deutschen Musikindustrie.

Ein wachsender Nischenmarkt

Die Kassette erobert sich die Nische, wie man bei "T.A.P.E Muzik" in Leipzig weiß – dem einzigen Kopierwerk Deutschlands. Die Maschinen, mit denen hier Kassetten bespielt werden, sind aus den 80er-Jahren. Sie wurden 2004 aus einer Insolvenz aufgekauft, erzählt Mitarbeiterin Franziska Kohlhase. Dabei habe ihr Chef darin anfangs gar nicht das große Geld gesehen, "sondern einfach eine schöne Sache und hatte Lust darauf, das weiter zu führen."

Dass es noch mal so nach oben gehen wird wie jetzt, dass wusste er damals nicht.

Franziska Kohlhase, Mitarbeiterin bei "T.A.P.E. Muzik"
Verschwundene Dinge
Der Markt für die Kassette wächst wieder – zumindest in der Nische. Bildrechte: Imago

Von Monat zu Monat wachse das Geschäft mit der Kassette – wenn auch langsam. Dabei seien es vor allem Bands ohne Label und wenig Geld, die Kassetten ordern. Gerade einmal 70 Cent kostet eine Leerkassette. Extras, wie Musik überspielen und eine Hülle, lassen den Preis schnell auf 4 Euro steigen. Das liege daran, dass die Maschinen noch mit Hand bedient werden, erklärt Mitarbeiterin Franziska Kohlhase. Auch die Einstellung des Drucks – des sogenannten Tampondrucks – sei eine manuelle Tätigkeit.

Es muss alles konfektioniert werden, ineinander gesteckt – deshalb ist das auch so teuer.

Franziska Kohlhase, Mitarbeiterin bei "T.A.P.E. Muzik"

Gut 40 Prozent des Verkaufs sind reine Leerkassetten, die privat überspielt, im Eigenvertrieb oder über Webseiten wie Bandcamp verkauft werden – und das europaweit. In der Do-It-Yourself-Szene (DIY) boomt die Kassette. Und diese Zahlen fließen nicht in die offizielle Statistik.

Ein Label aus der Not

"Bei Kassetten ist es halt auch so – dadurch dass die Szene schon groß, aber irgendwie sehr gut vernetzt ist durch das Internet," sagt Katharina Gerhardt aus Leipzig. Sie hat im Frühjahr 2018 das Kassettenlabel "Tortellini Records" gegründet. Ihre Bands kommen aus Leipzig, aber auch aus Manchester. Die Musik reicht von Free Jazz über Noise bis Soul Pop.

Die Entscheidung, ein eigenes Label zu gründen, traf sie, da es in ihrem Freundeskreis viel Musik gegeben habe, die allerdings nicht veröffentlicht wurde. "Und ich habe mir gedacht, dass es schade ist, dass die nicht zu hören ist," so Gerhardt. Für sie sei der Vorteil der Kassette nicht allein der günstige Preis. Sie finde es viel cooler, wenn man einfach etwas in der Hand habe.

Man kann viel spielen. Man kann sich ausdrücken dadurch wie die Kassette aussieht. Man kann viel mit dem Artwork machen.

Katharina Gerhardt, Gründerin "Tortellini Records"

Das sieht auch Franziska Kohlhase von "T.A.P.E. Muzik" so. Bei Kassetten gehe es – genauso wie bei Vinyl – vor allem um Emotionalität. Man höre Musik fast nur noch digital und "hat dann wenig Beziehung zu ihr. Man steckt das in irgendeine Liste oder streamt es irgendwo  – aber man hat nichts in der Hand", sagt Kohlhase. Sie findet, dass wenn man eine schöne Kassette in der Hand habe – anstatt sie nur digital zu hören – verbinde man damit auch etwas ganz anderes.

Ein Stück für Liebhaber

Den großen Boom werde es für die Kassette trotzdem nicht geben, glaubt Kohlhase. Dafür gebe es zu wenig Abspielgeräte, auch sei die Kassette zu speziell. Eben ein Liebhaberstück für die Nische.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 03. August 2018 | 16:10 Uhr