Vogtland Sächsische Handarbeit seit 175 Jahren: Über die älteste Mundharmonika-Fabrik der Welt
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Von "Spiel mir das Lied vom Tod" ist die Mundharmonika-Manufaktur C. A. Seydel und Söhne weit entfernt: Bereits seit 175 Jahren werden hier Mundharmonikas in Handarbeit gefertigt – die Firma ist damit inzwischen der älteste noch produzierende Mundharmonikahersteller der Welt. Anders als man vermuten könnte, wurde die Mundharmonika nicht in Amerika, der Heimat des Blues und der Western-Filme, erfunden.

Der Klang der Mundharmonika ist bekannt aus amerikanischen Western-Filmen, wie "Spiel mir das Lied vom Tod" – und herrlich melancholisch. So klingt es nur am Ufer des Mississippi, da wo die Blueslegenden zu Hause sind, könnte man meinen. Aber eigentlich reicht auch ein Abstecher ins vogtländische Klingenthal, denn dort werden seit nunmehr 175 Jahren Mundharmonikas hergestellt – von der Firma C. A. Seydel Söhne.
Um 1900 – sagt man – hatte Klingenthal einen Marktanteil von 80 Prozent am Weltmarkt.
Bereits in den 1820er-Jahren habe man in Klingenthal begonnen, Mundharmonikas herzustellen, erzählt Vertriebsleiter Florian Stark. Viele Betriebe hätten damals diese Instrumente produziert, es sei eine große Industrie gewesen.
Vogtland weltweites Zentrum des Instrumentenbaus
Es gäbe verschiedenen Quellen, aber es sei anzunehmen, dass das Instrument um 1800 in der Gegend um Wien entwickelt wurde, so Stark. Händler hätten die Mundharmonikas dann mitgebracht und sie hier im großen Maßstab anfertigen lassen.
1847 hat Christian August Seydel dann die Firma C. A. Seydel und Söhne gegründet und war im sogenannten "Musikwinkel" im Vogtland bald der bedeutendste Hersteller von Mundharmonikas. Heute ist es der einzige Betrieb am Ort, der diese Instrumente, früher auch Mundorgeln genannt, noch fertigt. In der DDR gehörte die Manufaktur nach der Verstaatlichung zum VEB Klingenthaler Harmonikawerke und ging dann nach der Wiedervereinigung an die Erben des einstigen Firmengründers zurück.
Von der DDR bis heute – eine Erfolgsgeschichte aus Klingenthal
Das erste Jahrzehnt nach der Reprivatisierung war allerdings von Rückschlägen geprägt. Das Problem damals sei gewesen, dass man so weit vom Markt weg war, erklärt Vertriebsleiter Florian Stark. "Man muss sich vorstellen, während der DDR-Zeit hatten die Mundharmonikahersteller hier keinen Zugang zum Markt und da gab es hier keine Idee davon, was der Kunde eigentlich möchte." Hinzu kam, dass die östlichen Märkte weggebrochen sind. Durch die starke D-Mark hätten sich die Kunden die Seydel-Instrumente nicht mehr leisten können.
So habe man sich quasi neu erfinden müssen: "Und das gelang dann im Jahr 2004/2005 mit der Erfindung der Edelstahltonzunge. Seitdem ist Seydel der einzige Hersteller weltweit, der Edelstahltonzungen verwendet und die sind vom Ansprechverhalten besser, die klingen lauter, obertonreicher, durchdringender." Damit habe die Firma C. A. Seydel und Söhne eine völlig neue Nische erschlossen.
Prominente Seydel-Spieler wie Barack Obama
Auf der Internetseite, wie auch beim Rundgang durch die Firma sieht man Fotos mit den Stars der Szene, die auf Seydel-Instrumenten spielen: James Cotton, Charlie Musselwhite oder Xime Monzón aus Argentinien. Und sogar Barack Obama entdeckt man unter ihnen, wie er gerade eine solche Mundharmonika aus Klingenthal überreicht bekommt.
Nach wie vor wird bei C. A. Seydel Söhne, vom Anfängerinstrument bis zur Spezialanfertigung, alles in Handarbeit hergestellt, über 30 Modelle hat die Firma im Angebot. Allerdings werden diese nicht nur zum Musizieren genutzt, wie ein Blick über die Schulter von Stimmer und Durchspieler Uwe Weidlich zeigt. "Ich habe hier ein medizinisches Instrument, die sogenannte Pulmonika." Dieses Instrument ist für Lungenkranke gedacht. Damit könne die Lunge trainiert werden. "Und da haben wir hier vorne noch ein bisschen Gewicht rauf gemacht, dass die eine gewisse Tiefe erreichen. Und jetzt spiele ich das Instrument durch [...]." Für den Patienten sei es wichtig, dass er sich anstrengen muss, um dieses Instrument zu spielen.
Manufaktur aus Sachsen bei Musikfestivals zu Gast
Neue Märkte erschließen, das ist für die älteste Mundharmonikamanufaktur der Welt essentiell. Denn hierzulande, anders als vielleicht in der Blues-Nation USA, führt das Instrument doch eher ein Nischendasein. Dabei will es C. A. Seydel Söhne nicht belassen und engagiert sich zum Beispiel beim Internationalen Mundharmonika-Live-Festival oder auch für den Klingenthaler Nachwuchs. Insofern ist die jetzt erscheinende Mundharmonikaedition der Firma im Gold-Design ein durchaus angemessenes Geschenk zum 175. Jubiläum.
redaktionelle Bearbeitung: Sabrina Gierig
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 27. Oktober 2022 | 13:10 Uhr