Sa 08.10. 2022 11:00Uhr 60:00 min

MDR KULTUR - Das Radio Sa, 08.10.2022 11:00 12:00
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MDR KULTUR trifft Gabriele Stötzer

MDR KULTUR trifft Gabriele Stötzer

Fotografin, Autorin, Super-8-Filmerin und Performerin aus Erfurt

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Gabriele Stötzer ist Fotografin, Autorin, Super-8-Filmerin und Performerin aus Erfurt. In Berlin, im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien war jüngst in der Ausstellung "Worin unsere Stärke besteht. Fünfzig Künstlerinnen aus der DDR" ihre Videoarbeit "Veitstanz/Feixtanz" aus dem Jahr 1988 zu sehen, die Aktporträts und Bilder des Alltags einer Künstlergruppe im zerfallenden Erfurt enthält. Bei DOK Leipzig erfährt am 19. Oktober der Film "Rebellinnen - Fotografie. Underground. DDR." von Pamela Meyer-Arndt aus dem Jahr 2022 Weltpremiere, bevor er ab 3. November in die Kinos kommt. Er zeigt die drei Künstlerinnen Gabriele Stötzer, Cornelia Schleime und Tina Bara, die in der DDR versuchten, sich Freiräume zu erkämpfen.

Gabriele Stötzer war viele Jahre in der Erfurter Untergrund-Künstlerszene aktiv. Nach der politischen Wende 1989/90 hielt sie Verfolgungsakten aus den Jahren 1976 bis 1989 in der Hand. Im November 1976 hatte sie sich dem Protest gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann angeschlossen, war vor der Überbringung der Unterschriftenliste von Erfurt nach Berlin von der Staatssicherheit festgenommen und nach fünf Monaten Untersuchungshaft im Frühjahr 1977 zu einem Jahr Haft wegen "Staatsverleumdung" verhaftet worden. Während dieser Haftzeit im Frauengefängnis Hoheneck in Stollberg/Sachsen reifte der Entschluß zu schreiben, dem sie treu blieb.

Nach zahlreichen Büchern und den Features "Das Frauenzuchthaus Hoheneck. Demütigung. Willkür. Verrat" (MDR Figaro 2011) und "Fremde Mutter, fremdes Kind. Zwangsadoptionen in der DDR" (MDR Figaro 2013) erschien Ende September 2022 im Leipziger Verlag Spector Books "Der lange Arm der Stasi. Die Kunstszene der 1960er, 1970er und 1980er in Erfurt", herausgegeben von Anne König. Gabriele Stötzer las mit deren Einverständnis 32 Stasi-Akten von Erfurter Akteuren der Künstlerszene und nahm Einsicht in Opfer- und Täterakten. Die erste Lesung wird am 1. Dezember in der Buchhandlung Peterknecht in Erfurt sein.


In Emleben wurde Gabriele Stötzer 1953 geboren. Ab 1969 absolvierte sie in Erfurt eine Ausbildung zur Medizinisch-Technischen Assistentin. Auf der Abendschule holte sie das Abitur nach und begann an der Pädagogischen Hochschule in Erfurt Germanistik und Kunsterziehung zu studieren. 1976 wurde sie wegen einer Petition gegen die Entlassung eines kritischen Kommilitonen von der Hochschule relegiert und zur sogenannten Bewährung in die Produktion geschickt. Nach ihrer über einjährigen Haftzeit im Frauengefängnis Hoheneck lehnte sie die Ausreise in die Bundesrepublik ab und mußte erneut in die Produktion. 1980 kündigte sie und übernahm die Leitung einer privaten Kunstgalerie in Erfurt. Mit zunehmender Bekanntheit der Galerie in der gesamten DDR wurde die "Galerie im Flur" 1981 durch die Staatssicherheit "liquidiert" und Gabriele Stötzer weiter unter intensive Überwachung gesetzt.

Als Künstlerin befaßte sie sich mit Fotografie, Super-8-Film, Grafik und Weberei. 1984 war sie Mitbegründerin der Künstlergruppe Erfurt. Später gründete sie die Erfurter Gruppe "Frauen für Veränderung" mit und war am 4. Dezember 1989 Mitinitiatorin der ersten Besetzung der Zentrale der Staatssicherheit in Erfurt. Nach der politischen Wende arbeitete Gabriele Stötzer im Bürgerrat und Bürgerkomitee mit und wurde 1990 Mitbegründerin des Erfurter Vereins "Kunsthaus". Später lebte sie in Erfurt und Utrecht. Die Berliner Galerie Loock vertritt ihre künstlerischen Arbeiten in Paris, München, Minnesota und Köln. Von 2010 bis 2020 gab Gabriele Stötzer an der Universität Erfurt Performance-Blockseminare.

Zum Tag der Deutschen Einheit im Jahr 2013 erhielt Gabriele Stötzer das Verdienstkreuz am Bande. Zum diesjährigen Tag der Deutschen Einheit, ausgerichtet in Erfurt, war sie als Ehrengast geladen.
Mitwirkende
Redaktion: Angelika Zapf