Sa 07.01. 2023 11:00Uhr 60:00 min

MDR KULTUR - Das Radio Sa, 07.01.2023 11:00 12:00
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MDR KULTUR trifft

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Marina Schubarth

Gründerin, Leiterin, Regisseurin des dokumentartheater berlin Bertolt Brecht Gastprofessur der Stadt Leipzig am Centre of Competence for Theatre und dem Institut für Theaterwissenschaft der Universität Leipzig

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"Was in der Realität so grauenvoll ist, dass es unsere Vorstellungskraft übersteigt, kann durch Theater so gezeigt werden, dass wir den Blick nicht abwenden und uns der Realität stellen können.", sagt Marina Schubarth, Gründerin, Leiterin und Regisseurin des dokumentartheater berlin. Von November 2022 bis Februar 2023 hat sie die Bertolt-Brecht-Gastprofessur der Stadt Leipzig am Centre of Competence for Theatre und dem Institut für Theaterwissenschaft der Universität Leipzig inne. Diese Gastprofessur wurde 2017 gemeinsam von der Stadt und der Universität Leipzig eingerichtet.

"Vernichtungskrieg und Dokumentartheater" so der Titel der Gastprofessur von Marina Schubarth in Leipzig, der Partnerstadt von Kiew. Die 1966 in Kiew geborene und ab dem zehnten Lebensjahr in der Schweiz und in Deutschland lebende ausgebildete Balletttänzerin arbeitet seit dem Angriffskrieg Rußlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 vornehmlich zur Geschichte und Gegenwart der Ukraine. Sie will ein historisches Bewusstsein schaffen für Länder, die unter Stalin und Hitler bereits gelitten und heute erneut von Zerstörung und Auslöschung bedroht sind. Im Zentrum steht die Frage, welche Mittel und Möglichkeiten (Dokumentar-)Theater hat, solche Taten und Geschehnisse zu einer Erfahrung werden zu lassen, die Handeln möglich macht. An die 60 Künstler konnte Marina Schubarth aus den umkämpften ukrainischen Gebieten nach Deutschland holen. Kunst und soziales Engagement gehören für sie zusammen. "Theater hilft, sich der Realität zu stellen."

Die Bertolt-Brecht-Gastprofessur wird von einer Reihe öffentlicher Veranstaltungen begleitet. Im November 2022 gab es einen gemeinsamen Empfang von Stadt Leipzig und Universität Leipzig, musikalisch begleitet von dem ukrainischen Geiger Oleg Yanushkevych und seiner Frau, der ukrainischen Pianistin Diana Yanushkevych. Im Rahmen der euro-scene Leipzig im Schauspiel Leipzig diskutierte Marina Schubarth mit dem Choreographen und Kurator Viktor Ruban aus Kiew über "Dancing in times of war". Im Januar 2023 ist eine Aufführung von Marina Schubarths aktueller Arbeit "Ukraine in Flammen/ Irynas Tagebuch" vorgesehen, dem die Tagebucheintragungen einer jungen Dramaturgin zugrunde liegen, die sie in Butscha gemacht hat. Geschichten, Biografien, Opferschicksale vor dem Vergessen zu bewahren, darum geht es Marina Schubarth in ihrer Arbeit. 2002 gründete sie das dokumentartheater berlin, das vielfach ausgezeichnet wurde, unter anderem 2018 für "Akte/NSU" und vergangenes Jahr für "Babyn-Jar. Ein Requiem" über das Massaker der deutschen Wehrmacht 1941 auf ukrainischem Boden.

Marina Schubarth wurde 1966 in Kiew in der UdSSR geboren. Die Mutter siedelte aus politischen Gründen mit ihrer zehnjährigen Tochter in die Schweiz über. Marina Schubarth wuchs fünfsprachig auf, spricht Ukrainisch, Russisch, Englisch, Französisch und Italienisch, erhielt eine Ballettausbildung in Budapest mit Diplom und ebenso in Köln. Feste Engagements als Solotänzerin führten sie ans Badische Staatstheater Karlsruhe und bis 1997 fest an das Theater des Westens in Berlin. Aufgrund einer Fußverletzung mußte Marina Schubarth den Beruf als Tänzerin aufgeben und arbeitete ab 1998 bei verschiedenen Theatern. 2002 gründete sie das dokumentartheater berlin und ist seither Regisseurin und Leiterin des Theaters. An die vierzig Inszenierungen entstanden, beachtet mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen. 2002 erhielt Marina Schubarth zusammen mit Eberhard Radczuweit die Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte für ihre Arbeit bei KONTAKTE-KOHTAKTbI e.V., Verein für Kontakte zu Ländern der ehemaligen Sowjetunion. 2018 war das dokumentartheter mit der Arbeit "AKTE/NSU" Preisträger im Wettbewerb "Bündnis für Demokratie und Toleranz" des gleichnamigen Bündnisses. Für die deutsch-ukrainische Theaterproduktion "Babyn Jar. Ein Requiem" aus dem Jahr 2021 wurde Marina Schubarth 2022 mit dem Franz-Bobzien-Preis ausgezeichnet. 2022 kuratierte sie in Berlin das Festival "Ukrainischer Kultursommer".
Mitwirkende
Redaktion: Angelika Zapf