Sa 18.03. 2023 11:00Uhr 60:00 min

Portrait of German writer and journalist Peter Wensierski of the magazine Der Spiegel in 2012.
Portrait of German writer and journalist Peter Wensierski of the magazine Der Spiegel in 2012. Bildrechte: Jannis Werner
MDR KULTUR - Das Radio Sa, 18.03.2023 11:00 12:00
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MDR KULTUR trifft

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Peter Wensierski

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Nach drei Jahren Recherche hat der Autor, Journalist und Dokumentarfilmer Peter Wensierski "Jena Paradies. Die letzte Reise des Matthias Domaschk" im Ch. Links Verlag vorgelegt. Nach seinem 2017 erschienen Buch "Die unheimliche Leichtigkeit der Revolution", 2021/ 2022 von der UFA verfilmt, 2018 "Berlin - Stadt der Revolte" und 2019 "Fenster zur Freiheit. Die radix-blätter. Untergrundverlag und -druckerei der DDR-Opposition", zeichnet Peter Wensierski erneut das Bild einer zunehmend politisierten Generation Jugendlicher in der DDR auf der Suche nach einem freien und selbstbestimmten Leben. In "Jena Paradies." erzählt Peter Wensierski von der letzten Reise des 23jährige Matthias Domaschk am 10. April 1981.

Dieser stieg in Jena in den Zug nach Berlin, um zu einer Geburtstagsfeier fahren, der Stadt, in der zeitgleich der X. Parteitages der SED stattfand. In Jüterbog wurde der Zug gestoppt, er und drei weitere Jenaer Jugendliche festgenommen. Zwei Tage später fand man Matthias Domaschk tot in der Stasi-Untersuchungshaftanstalt Gera. Peter Wensierski befragte 200 Zeitzeugen, darunter viele MfS-Angehörige, auch die, die mit Matthias Domaschk in den letzten Stunden vor seinem Tod zu tun hatten. Zudem sichtete er mehr als 80.000 Seiten teils erstmals aufgefundene Stasi-Akten und persönliche Zeugnisse, konsultierte zahlreiche Experten von Gerichtsmedizinern über Psychologen bis zu Kriminalisten. Das Buch enthält neben der Aufklärung des Todes von Matthias Domaschk erstmals auch die Entschuldigung seines letzten Stasi-Vernehmers und gibt neue Einblicke in die damaligen MfS-Dienststellen in Gera und Jena. Die Buchpremiere war am 15.03. in Berlin, am 23.03. wird er es in der Gedenkstätte Amthordurchgang Gera e.V., der einstigen Stasi-Untersuchungshaftanstalt vorstellen und am 24. und 25.03. in Jena.

Peter Wensierski wurde 1954 in Heiligenhaus bei Essen am Rande des Ruhgebietes geboren. An der FU Berlin studierte er Politik, Geschichte und Publizistik. Von 1979 bis 1985 war Peter Wensierski Reisekorrespondent in Ost-Berlin und der DDR für den Evangelischen Pressedienst epd, schrieb für den SPIEGEL, die taz und andere Zeitschriften. In dieser Zeit auch veröffentlichte Peter Wensierski die Bücher "Schwerter zu Pflugscharen", "Null Bock auf DDR", produzierte Radiosendungen und Dokumentarfilme über die aufkommende Oppositionsbewegung in der Jugend, den Kirchen, Künstler- und Intellektuellenkreisen in der DDR. Dafür besuchte er auch Partei- und Massenveranstaltungen ebenso wie Kirchentage, Synoden oder Punkkonzerte, Bluesmessen und Friedenswerkstätten, bis 1985 die DDR-Regierung ein Arbeits- und Einreiseverbot verhängte.

Ab 1986 arbeitete Peter Wensierski als Fernsehjournalist der ARD für aktuelle Brennpunkte, Sondersendungen und die politischen Magazine wie "Kontraste". Dort lernte er bei einem Interview den aus Jena zwangsausgebürgerten Roland Jahn kennen, holte ihn in die Redaktion und realisierte mit ihm zusammen zahlreiche Filme, teils mit heimlichen Aufnahmen von DDR-Oppositionellen, wie den Aufnahmen der Leipziger Montagsdemonstration 1989.

Peter Wensierski erhielt 1986 den Bundesfilmpreis und 1993 den Europäischen Fernsehpreis. 1993 wechselte er zum SPIEGEL und arbeitet als Redakteur im Deutschlandressort u.a. in Rom. 2004 erschien sein Buch "Gottes heimliche Kinder. Töchter und Söhne von Priestern erzählen ihr Schicksal", 2006 "Schläge im Namen des Herrn - Die verdrängte Geschichte der Heimkinder in der Bundesrepublik", zur Gründung des "Runden Tisches Heimerziehung" führte und mehrfach verfilmt wurde. Für seine Verdienste um die Aufarbeitung dieses Kapitels der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte erhielt Peter Wensierski 2012 das Bundesverdienstkreuz. 2014 erschien sein Buch "Die verbotene Reise - Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht". 2022 hat er als Kurator ein Buch sowie die Ausstellung "Parallelwelten" mit Fotos aus Ost- und West-Berlin zwischen 1964 und 1990 realisiert.
Mitwirkende
Redaktion: Angelika Zapf