Di 11.04. 2023 09:00Uhr 35:00 min

Esther Vilar, Schriftstellerin, 1998
Esther Vilar, Schriftstellerin, 1998 Bildrechte: IMAGO / teutopress
MDR KULTUR - Das Radio Di, 11.04.2023 09:00 09:35
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MDR KULTUR - Lesezeit Der dressierte Mann (Folge 1 von 7)

Der dressierte Mann (Folge 1 von 7)

Von Esther Vilar

  • Stereo
Mitten in die feministische Debatte um die richtige Strategie zur Entmachtung des "starken Geschlechts" platzte im Jahr 1971 eine Streitschrift, die für Tumulte sorgte. Esther Vilar widersprach dem Mainstream und behauptete: Nicht die Männer unterdrücken die Frauen, sondern umgekehrt: Der wirklich Unterdrückte in der modernen Industriegesellschaft ist der Mann. Frauen können wählen zwischen der Lebensform eines Mannes und der eines parasitären Luxusgeschöpfes. Der Mann hat keine Wahl! Frühzeitig von der Mutter zum potentiellen Ernährer seiner künftigen Familie dressiert, begibt er sich freiwillig in einen mörderischen Arbeitsprozess, der ihn erst im Rentenalter entlässt. Männer ernähren Frauen ihr Leben lang, Frauen ernähren nie - oder nur vorübergehend - Männer!

Mit einer Mischung aus wissenschaftlich-logischer Beweisführung, bissiger Polemik und viel Humor ist Esther Vilar, Ärztin und Soziologin, den fanatischen Feministinnen der 1970er-Jahre in die Parade gefahren. Doch ergriff sie keineswegs einseitig Partei für den Mann, sondern entlarvt ihn als versklavtes Wesen, im modernen Beziehungsgeflecht genauso gefangen wie die Frau. Ihr Buch ist seither zum vieldiskutierten Bestseller geworden. Aktuell sind ihre provokanten Thesen heute noch, nicht nur aufgrund der hitzig geführten Genderdebatten: Das Ernährermodell hat ausgedient, die Krise auf dem Arbeitsmarkt stellt die manifestierten Rollenbilder erneut in Frage. Esther Vilar plädiert für die Verkürzung der Arbeitszeit und eine gerechte Umverteilung der Arbeit auf beide Geschlechter, die das "Ende der Dressur" zur Folge hätte.

Esther Vilar, 1935 als Kind deutscher Emigranten in Buenos Aires geboren, studierte Medizin, in Deutschland Soziologie und arbeitete bis 1963 als Ärztin, dann als Übersetzerin und Schriftstellerin. Essays: "Der dressierte Mann" (71); "Das polygame Geschlecht" (74); "Das Ende der Dressur" (77); "ALT - Ein Manifest gegen die Herrschaft der Jungen" (80); "Die 25-Stundenwoche" (90); "Heiraten ist unmoralisch" (94). "Der betörende Glanz der Dummheit" (96). Vilar schreibt außerdem Theaterstücke, u. a.: "Erziehung der Engel" (93); "Speer" (94); "EiferSucht" (2000) sowie Romane: "Die Mathematik der Nina Gluckstein" (85); "Rositas Haut" (90).
Mitwirkende
Regie: Otto Strecker
Produktion: MDR 2005
Darsteller
Mitwirkende: Leslie Malton