Mo 30.09. 2019 09:05Uhr 30:00 min

Lesezeit Die geheimen Depots von Buchenwald (6) – Doku-Serie in 7 Folgen

6. Folge: Die Kraft der Indizen

Von Peter-Hugo Scholz

Komplette Sendung

Peter-Hugo Scholz 28 min
Bildrechte: Olaf Kreiß
MDR KULTUR - Das Radio Mo, 30.09.2019 09:05 09:35
"Was man ganz gut sehen kann, knapp östlich der Rampe: Hier haben wir eindeutig Spuren mit irgendeinem Eingang." Marco Eckstein ist Geograph bei einer Würzburger Spezialfirma und vertraut mit der Auswertung historischer Luftbilder. Diesmal hat er alle verfügbaren Luftbilder zum Steinbruch des ehemaligen KZ Buchenwald geprüft. Er hat sie digitalisiert, vergrößert und kann sie perfekt übereinander legen, miteinander vergleichen und belastbare Schlüsse ziehen. Die von den Geophysikern aufgezeichneten GPS-Daten werden zusätzlich auf die alten Aufnahmen projiziert. Dann kommt da noch ein Bergmann ins Spiel, der auf Schwarz-Weiß-Fotos Holz zum Abstützen eines Stollens entdeckt.

Gegen Ende der Folge findet Harry Stein, Kustos der Gedenkstätte KZ Buchenwald, ein bisher unbeachtetes Dokument, datiert vom 28. März 1945: Es weist als Auftraggeber für den Stollenbau im Steinbruch das Führungshauptamt der SS aus und es beziffert die Anzahl der Häftlinge, für die eine größere Verpflegungsration beantragt wurde. Es waren zwanzig Häftlinge.

Gegen Ende des Krieges wurde das Führungshauptamt der SS von Berlin auf den Ettersberg bei Weimar verlagert. Viele Akten der SS gelten seit Kriegsende als verschollen. Heute weiß niemand, was in die anderen Stollen des Steinbruchs vom damaligen KZ Buchenwald, sollten sie existieren, verbracht worden ist. Um genau zu erfahren, was sich dort in den letzten Wochen des Krieges im Frühjahr 1945 abgespielt hat, müsste man meterhohes Geröll wegräumen, müssen die Indizien wissenschaftlich belastbar sein, muss ein Interesse der Historiker bestehen, und muss der Stiftungsrat und das Kuratorium der Gedenkstätte zustimmen, dass an diesem sensiblen Ort erneut gegraben werden darf. An einem Gedenkort, wo einst 56.000 Menschen unter deutscher und 7.000 Menschen unter sowjetischer Herrschaft ermordet worden und umgekommen sind.


* Der Autor Peter-Hugo Scholz
Peter-Hugo Scholz (1954-2019) 1975 Abitur in der Lutherstadt Wittenberg. 1976-80 Journalistik-Studium an der Uni Leipzig, 1980-84 wiss. Assistent im Forschungsbereich Journalismus der Entwicklungsländer. 1985 Promotion zur Fremdbestimmung der Massenmedien in Afrika und Asien. 1985-86 Afrika-Redakteur der "Jungen Welt". Ab 1986 freier Journalist und Dozent. 1991-94 Pressesprecher des Internationalen Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm und für das internationale Tanz- & Folkfest Rudolstadt. Seit 1995 freier Hörfunk-Mitarbeiter bei MDR INFO und MDR KULTUR. Seit 1997 auch fernsehjournalistische Arbeit für den MDR, den BR, das ZDF und arte sowie freier Filmautor. Zuletzt produzierte MDR KULTUR seine Radio-Features "Schnee von gestern" (2007), "Dresden, 14. Februar 1945: Tiefflieger am Elbufer" (2013), "Die Vergessenen von Quiriquina" (2013), "Der Schneider der Präsidenten" (2018). Er starb am 23. September 2019.
Mitwirkende
Regie: Nikolai von Koslowski
Produktion: MDR 2018
Darsteller
SprecherInnen:
Lisa Hrdina – Erzählerin
Walter Renneisen – Übersetzer
Udo Schenk – Zitator