ARD-Feature-Reihe | 04.05. - 08.05.2020 Kinder des Krieges - Erinnerungen an die Kindheitstage im Jahre 1945
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Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Jene, die damals Kinder und Jugendlich waren, sind heute hochbetragt. In einem Gemeinschaftsprojekt der ARD entstand diese fünfteilige Feature-Reihe. Deutschlandweit wurden 30 Zeitzeugen nach ihren Erinnerungen im Frühjahr 1945 befragt.

Wenn die deutsche Öffentlichkeit im Mai diesen Jahres dem Ende des Zweiten Weltkriegs gedenkt, wird begreifbar werden, wie überschaubar die immer schmaler werdende Zahl jener Menschen ist, die über diesen Krieg, über das NS-System und deren unmittelbare Folgen noch aus eigenem Erleben berichten können. Das Bemerkenswerte der noch lebenden Zeitzeugen der Jahrgänge 1930 bis 1940, der heute 80- bis 90-Jährigen, ist der Umstand, dass deren Erfahrungen Kindheitserlebnisse sind – Eindrücke, die aus einer sehr schwachen Position heraus gewonnen, oft lange Zeit erloschen und verdrängt zu sein schienen, die aber im höheren Altern hervortreten und mit Reflexion verbunden eine besondere Deutlichkeit gewinnen. Die ARD will mit dem Projekt "Kinder des Krieges" die Geschichten und Erfahrungen dieser letzten vernehmbaren Zeitzeugen bewahren und medial erlebbar machen.
Für diese Originalton-Dokumentation haben ein Dutzend Feature-Autoren - von BR, hr, MDR, NDR, Radio Bremen, RBB, SR, SWR und WDR beauftragt - 30 Zeitzeugen nach ihren Kindheitserinnerungen im Frühjahr 1945 befragt. Sie erzählen von Widerstand und letzten Gefechten an der Saar, vom Überleben im Konzentrationslager, der Flucht aus Ostpreußen oder dem mecklenburgischen Strelitz, von Luftangriffen auf Dortmund, Neunkirchen und Köln.
Wir lebten im Keller. Die meisten Leute hielten sich permanent im Keller auf. Was ist ein Krieg? Krieg sind auch Geräusche. Nachts die schweren Einschläge der englischen Bomben, am Tage das amerikanische Flächenbombardement, wenn ganze Stadtviertel brannten, dann kamen jetzt auch die Martinsbomber der Russen in dem Luftangriff hinzu.
Folge 1: Evakuierung, Widerstand und letzte Gefechte an der Saar (SWR/SR)
Alois verbringt seine Kindheit weitgehend ohne Schule, sein Vater hört heimlich BBC. Beim Kampf um das Dorf sterben zwanzig junge deutschen Soldaten. Dann steht für kurze Zeit in seinem Wohnzimmer ein amerikanisches Maschinengewehr und ein "Neger" sichert die Dorfstraße. Detlef wird zu Kriegsbeginn zum ersten Mal evakuiert, weil er innerhalb der roten Zone zu Frankreich lebt, und 1944 ein zweites Mal. Zurück kehrt er ins zerstöre Völklingen und findet in seiner Matratze eine noch nicht explodierte Granate. Hannelore erlebt in der Hüttenstadt Neunkirchen viele Luftangriffe. In ihrer Angstreaktion bekommt sie Lachkrämpfe. Ihre Mutter ohrfeigt sie dann. Horst und Alice haben nach der Saarabstimmung 1935 Saarbrücken verlassen und leben im Süden Frankreichs. Nach Kriegsende kehren die beiden zurück und engagieren sich zeitlebens für die deutsch-französische Aussöhnung.
Folge 2: Kindheit im Lager – Die Überlebenden des Holocaust (BR)
Die Welt der Konzentrationslager war die erste und einzige Welt, die Josef kannte, bis er Mitte 1944 auf einen Todesmarsch geschickt wurde: von einer Außenstelle des KZ Flossenbürg in Dresden ins bayrische Passau. Dort erlebt Josef stark geschwächt die Ankunft der amerikanischen Truppen. Auch Helga überlebt Theresienstadt und Auschwitz, in das sie mit 12 und 14 Jahren deportiert wurde. Vera erlebt das Kriegsende in Theresienstadt, doch die Odyssee geht weiter: Ihre Mutter stirbt und Vera erlebt, dass Juden auch im Nachkriegsdeutschland nicht willkommen sind.
Folge 3: Von Aachen bis zum Edersee – das lange Warten auf Kriegsende
Friederike ist die Tochter eines katholischen Nazis und einer jüdischen Mutter. Der Vater verlässt die Familie nach ihrer Geburt. Für Mutter und Tochter beginnen Jahre der Angst, an die Friederikes Puppe sie bis heute erinnert. Paul wächst in der Kölner Altstadt auf, direkt neben dem Dom und erlebt, wie seine Umgebung durch Luftangriffe in Schutt und Asche gelegt wird. Für Erna war die Angst vor Luftangriffen allgegenwärtig, nachts war ihr sehr unheimlich, ihr Heimatdorf Vöhl war stets verdunkelt. Bei einem Luftangriff auf Frankfurt wurde Rolfs Schwester verschüttet und konnte überleben. Von Königshofen aus sah er später Frankfurt brennen.
Folge 4: Diese Narben, die habe ich immer behalten – Fluchtgeschichten zwischen Ostpreußen und Bremen (NDR/Radio Bremen)
Wolfgang wohnt in Breslau. Für ihn sind die ersten Toten in diesem Krieg seine Schulkameraden, beschossen auf einer Transportfahrt. Christa aus Bremen sieht ihren Vater 1944 zum letzten Mal, der ihr zuletzt Spiegeleier brät. Christa lebt später mit der Mutter bei den Großeltern in Neustadt. Im April kommen die Engländer und ehemalige russische und polnische Kriegsgefangene stehlen Vieh und schlachten es auf freiem Feld. Leo kommt im östlichen Zipfel Ostpreußens zur Welt. Als der Krieg begann, wird er Zeuge von Gräueltaten. Als die russische Front näher rückt, flüchtet die Familie und wird eingeholt. Seine Mutter und weitere Frauen werden vergewaltigt. Er kommt in die sowjetische Besatzungszone. Nach mehreren Fluchtversuchen gelangt er 1949 in die Bundesrepublik und der Krieg ist zu Ende.
Folge 5: Zwischen den Fronten – Von Böhmen bis in die Reichshauptstadt (MDR/RBB)
Klaus lebt im tschechischen Außig, heute Ústí nad Labem und wird nach den Beneš Dekreten im Bauch eines Elbkahns flussabwärts über die Grenze abgeschoben. Barbara kommt mit ihrer Familie aus der Lausitz nach Posen. Ihr Vater ist überzeugter Nazi und bringt Barbara und ihre Schwestern im Januar '45 zum Bahnhof. Sie sollen zu Verwandten nach Weimar fliehen. Ihren Vater sieht sie nicht wieder. Johann erbringt trotz Krieg eine unbeschwerte Kindheit im böhmischen Rothmühl, bis er im Juli '45 "einwaggoniert" und in offen Kohlenwaggons Richtung Sachsen geschickt wird. Claus-Peter erlebt am 13. Februar in Dresden die Bombennacht und das Inferno. Ruth überlebt den Nationalsozialismus als sogenannre Geltungsjüdin, untergetaucht in einer Gartenlaube in Berlin-Wittenau. Peter Leonhard erlebt mit 16 die letzte und schlimmste Kriegsnacht in Berlin, nachdem er zuvor aus der Organisation Todt desertiert war.
Angaben zur Sendung
ARD-Feature-Reihe
"Kinder des Krieges - Erinnerungen an die Kindheitstage im Jahre 1945"
(5 Folgen)
Musik: Rolf Kühn
Perkussion: Tupac Mantilla
Sprecher: Lena Stolze und Henning Nöhren
Regie: Nikolai von Koslowski (NDR/Radio Bremen/MDR/RBB) und Wolfgang Bauernfeind (SWR/SR/BR/hr/WDR)
Koordination: Matthias Thalheim (MDR)
Produktion: ARD 2020
Sendung: 04.05. - 08.05.2020 | 09:00-09:30 Uhr
Wiederholung: 04.05. - 08.05.2020 | 19:00-19:30 Uhr
Die Folgen dieser Feature-Reihe stehen hier ein Jahr zum Hören bereit.
Angaben zu den Folgen
4. Mai 2020 | Folge 1: Evakuierung, Widerstand und letzte Gefechte an der Saar (SWR/SR)
Autoren: Jochen Marmit
Redaktion: Rudolf Linßen (SWR), Thomas Bimesdörfer (SR)
5. Mai 2020 | Folge 2: Kindheit im Lager – Die Überlebenden des Holocaust (BR)
Autor: Peter Giesecke
Redaktion: Klaus Uhrig (BR)
6. Mai 2020 | Folge 3: Von Aachen bis zum Edersee – das lange Warten auf Kriegsende (WDR/HR)
Autoren: Uli Hufen, Christiane Kreiner, Juliane Spatz, Jörg Döring
Redaktion: Adrian Winkler (WDR), Dorothee Meyer-Kahrweg (hr)
7. Mai 2020 | Folge 4: Diese Narben, die habe ich immer behalten – Fluchtgeschichten zwischen Ostpreußen und Bremen (NDR/Radio Bremen)
Autoren: Alexa Hennings, Jens Schellhass
Redaktion: Joachim Dicks (NDR), Thilo Guschas (NDR), Tobias Nagorny (Radio Bremen)
8. Mai 2020 | Folge 5: Zwischen den Fronten – Von Böhmen bis in die Reichshauptstadt (MDR/RBB)
Autoren: Alexa Hennings, Matthias Körner, Tobias Barth, Ruth Kinet
Redaktion: Ulf Köhler (MDR), Christian Lerch (RBB)