Jubiläum Der Wörlitz-Hype: Warum das Schloss Wörlitz vor 250 Jahren Besuchsmagnet wurde
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Vor genau 250 Jahren – am 22. März 1773 – weihte Fürst Franz von Anhalt-Dessau gemeinsam mit seiner Gemahlin Louise das Schloss Wörlitz ein. Das "Fürstlich Anhalt-Dessauische Landhaus" nach Plänen des Architekten Friedrich Wilhelm Freiherr von Erdmannsdorffs war eine bauliche Sensation mit vielen technischen Innovationen und löste einen regelrechten "Wörlitz-Hype" aus. Alle wollten den damals modernsten Landsitz auf dem europäischen Kontinent besuchen – noch heute locken Schloss und Gartenreich als UNESCO-Weltkulturerbe jedes Jahr tausende Besucher*innen nach Dessau-Wörlitz.

Strahlend gelb blitzt die Fassade des Wörlitzer Schlosses durch die Bäume, weiß die mächtigen Säulen des Portikus. Was Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau ( 1740-1817 ) selbst als Landhaus bezeichnete, wurde letztlich zur Inkunabel des Klassizismus'. Das Schloss war für damalige Verhältnisse hochmodern, wobei als Vorbilder antike und englische Bauwerke dienten.
Der viel gereiste Fürst ließ es vor 250 Jahren als Musterschloss der Modernität konzipieren – nach Plänen des Architekten Friedrich Wilhelm Freiherr von Erdmannsdorff. "Schloss Wörlitz ist dadurch prädestiniert, dass es eine Fassade hat, die zu dem Zeitpunkt ein Wunderwerk war", erklärt Robert Hartmann, Baudenkmalpfleger der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz. Einen Klassizismus dieser Art habe es auf dem europäischen Festland zuvor nicht gegeben.
Hype um Schloss Wörlitz
Inspiriert wurde der Fürst dabei von seinen Reisen: Denn er war nicht nur hochgebildet, sondern auch bestens vernetzt – ein Kosmopolit des 18. Jahrhunderts, sagt Anette Froesch, Leiterin der Abteilung Schlösser und Sammlungen der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz. Das Schloss wurde quasi sein Prestigeobjekt, mit dem der ja eigentlich eher unbedeutende Reichsfürst sogar den Preußenkönig eifersüchtig machte. Friedrich der Große soll gesagt haben, dass es in Berlin kein anderes Gesprächsthema mehr gab, als dass der Fürst von Anhalt-Dessau sich ein neues Haus baut.
Die Fertigstellung des Schlosses im Jahr 1773 löste einen echten "Wörlitz-Hype" aus.
Alle seien sie hierhergereist: das gebildete Bürgertum und die adeligen Standesgenoss*innen, um sich das Haus anzuschauen, das nicht nur gestalterisch und ästhetisch innovativ war, sondern auch hochfunktionell. Das an ein englisches Landhaus erinnernde Gebäude sei aber die meiste Zeit nicht bewohnt gewesen, sagt Anette Froesch. Das Fürstenpaar habe im Dessauer Residenzschloss gelebt und sei nur manchmal mit Gästen nach Wörlitz gefahren, um das Schloss mit seiner modernen Ausstattung vorzuführen.
Moderne Ausstattung und Technik in Wörlitzer Schloss
Wie in einem Musterhaus, war Fürst Franz für die damalige Zeit top modern eingerichtet: Da gibt es im Souterrain nicht nur einen unterirdischen Gang zur Küche – die aus Brandschutzgründen im Nebenhaus untergebracht war, sondern er hatte sich auch ein Badezimmer mit neuster Technik einrichten lassen: Ein Raum im Raum mit großem Becken und Herd, zum Erwärmen des Wassers. Denn bis dahin musste man es kübelweise ins Haus schleppen. Auch technische Neuerungen wie englische Schiebefenster, Klappbetten und Lastenaufzüge für Feuerholz waren eingebaut. Nicht zuletzt gab es im Schloss Wasser- und Abwasserleitungen.
"Auch das hat in diesem Haus gegeben, dass man Wasser aus dem Souverän in den Dachboden hochpumpen konnte, um es dann wieder wie eine Wasserleitung abfließen zu lassen. Und man hatte Hähne, um das Wasser nutzen zu können", erklärt Sammlungsleiterin Froesch.
So spiegelt sich im gesamten Gebäude ein neues fürstliches Selbstverständnis, weniger repräsentativ wie zur Barockzeit noch üblich, sondern höchst fortschrittlich. Das erkennt man auch an all den praktischen Details: So gab es einen Kühlschrank, der natürlich nicht mit Strom, sondern mit Eis funktionierte – auf den Fluren versteckt in antiken Sarkophagen wurde Brennholz für die Öfen gelagert oder auch das Nachtgeschirr, das dann von den Dienern entsorgt wurde. Und viele weitere Finessen, zeigt Froesch.
Dessau-Wörlitz als UNESCO-Welterbe
Dazu gehören die englischen Schiebefenster im Chinesischen Zimmer, unter denen ein Klappbett verborgen ist. "Wörlitz war ein Sommerschloss, und eigentlich hat man natürlich Gäste in der Dessauer Residenz untergebracht. Aber mitunter an schönen Sommertagen konnte man dann hier auch schon mal nächtigen."
Wie bequem das war, sei mal dahingestellt – aber an all den Details erkennt man geradezu vorbildhaft den damaligen Zeitgeist – zudem der Fürst vor allem Originale aus fernen Ländern importieren ließ. Denn letztlich ging es ihm in allem darum, den Gedanken der Aufklärung quasi zu verbildlichen.
Sie erleben hier immer wieder so ein stimmiges Miteinander von Architektur, Interieurs und Gartenlandschaft. Es greift alles schön zusammen. Und diese übergreifende Idee ist es auch, die uns vor über 20 Jahren den Welterbestatus eingebracht hat.
All das kann man seit 2017 auch wieder saniert und restauriert entdecken: Die Tapeten aus China, die Gemälde oder Skulpturen. Und im Obergeschoss in den Suiten des Hofstaates leuchten die Wände wieder in den typischen Farben des Architekten Erdmannsdorf: zarte Pastelltöne gelb oder Apricot. Und ganz oben ins Belvedere kommt man über eine Art Schiffstreppe zum Palmensaal – eine Reminiszenz an die Südsee. Auch er ist Spiegel des aufklärerischen Gedanken des Fürsten, der sich eben durch das gesamte Wörlitzer Gartenreich zieht.
Mit Material von epd /redaktionelle Bearbeitung: Lilly Günthner
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 22. März 2023 | 07:40 Uhr