Hörspiel-PremiereNeujahrs-Musical von ukrainischen Kindern in Bautzen
Das Neujahrfest können viele ukrainische Kinder zum ersten Mal nicht in ihrer Heimat feiern. Sie mussten mit ihren Familien vor dem Krieg flüchten – größtenteils ohne ihre Väter. Wie sie das wichtige Familienfest an einem fremden Ort erleben, davon handelt das Hörspiel "Die Reise ins Licht des Ozeans". Es basiert auf dem gleichnamigem Musical, das am Thespis-Zentrum in Bautzen mit ukrainischen Kindern entwickelt wurde. Nun feiert das neunminütige Hörstück bei MDR KULTUR Radio-Premiere.
Es ist der Vorabend zum Neuen Jahr und deshalb will der Junge, Maltschik, seinen Planeten feierlich schmücken. Dazu holt er besondere Laternen hervor, ohne deren Licht das Neujahrsfest für ihn undenkbar wäre. Doch plötzlich breitet sich die mächtige Finsternis über seinen Planeten aus. Um das Fest zu verhindern, entreißt sie Maltschik das Licht und nimmt es mit sich fort.
Mascha, die die Finsternis spielt, erzählt, dass sich daraufhin Maltschik, was auf Deutsch Junge heißt, auf den Weg macht, das Licht wiederzufinden. So führt ihn seine Reise auf die verschiedensten fantastischen Planeten.
Zum Hören
Musical und Hörspiel entstanden in Bautzen mit ukrainischen Kindern
Einen Namen hat Maltschik nicht, denn er steht stellvertretend für alle Kinder, die vor dem Krieg aus der Ukraine fliehen mussten. Wie auch Mascha und die anderen Mädchen und Jungen, die an dem Musical mitwirken, das am Thespis Zentrum in Bautzen inszeniert wird. Die Geschichte handelt von ihnen.
Jana Humenna, selbst zu Kriegsbeginn aus Kiew geflohen und seit Anfang März in Bautzen, hat den Text zusammen mit den Kindern erarbeitet. Fantasie spielte dabei eine Rolle, ebenso wie die Erlebnisse und die Ängste der Mädchen und Jungen, von denen die Dramaturgin in Gesprächen mit ihnen erfahren hat. Das muss nicht vordergründig immer der Krieg sein, es geht beispielsweise auch darum, dass sie sich davor fürchten, sie selbst zu sein.
In den Songs des Musicals spiegelt sich diese Gefühlswelt ebenfalls wider – nicht nur bei den Kindern, sondern auch bei den Musikerinnen und Musikern, die die Titel zusammen mit den Mädchen und Jungen komponieren.
Ukrainer*innen in Deutschland
Musikerinnen und Musiker aus der Ukraine
"Wir arbeiten gerade an dem Song 'Das Licht zurückbringen', und in dieser Minute steht meine Heimatstadt Charkiw komplett ohne Strom", sagt Yuriy Gurzhy. Er lebt seit vielen Jahren in Berlin, aber erst wenige Tage zuvor war er noch in Charkiw. Auch sein Kollege, der Rapper Grigory Semenchuk, kommt direkt aus Lwiw. Sie beide, zusammen mit der Violinistin Marina Bondas vom Berliner Rundfunkorchester und dem Filmmusikkomponisten Matthias Petsche, liefern den Soundtrack zur Inszenierung. Sie sind sich ihrer Rolle im Projekt sowie der Bedeutung von Musik sehr wohl bewusst.
"Es ist ja klar, dass, wenn sie aus der Ukraine geflohen sind, dann haben sie einiges erlebt, und dafür finde ich das, was wir machen, genau toll, weil ich glaube, sie freuen sich und machen einfach weiter, weil das Leben weitergeht", meint Gurzhy.
Wenn auch anders als gewohnt. So werden die Kinder, alle zwischen sieben und zwölf, das erste Mal das für sie so wichtige Jolka-Fest, das Neujahrsfest, weit weg von zu Hause erleben, getrennt von ihren Vätern, die zum Teil an der Front kämpfen. Mit großer Zugewandtheit, täglichen Ritualen und Gesprächen auf Augenhöhe versucht das Team des Thespis-Zentrums während der Proben für die geflüchteten Mädchen und Jungen zumindest einen Hauch von Normalität zu bieten.
Der Krieg ist hier. Die Kinder wissen ganz genau, warum sie hier sind.
Georg Genoux, Leiter und Regisseur am Thespis-Zentrum Bautzen
"Ja, der Krieg ist hier", sagt Georg Genoux, Leiter und Regisseur am Thespis-Zentrum, einem Projekt des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters. "Und die Kinder wissen auch ganz genau, warum sie hier sind und warum wir nicht zurückkehren können, und das ist etwas, womit wir täglich leben. Und wir versuchen es auch nicht zu ignorieren", meint Genoux. Man müsse die Realität akzeptieren. Auch darum gehe es in dem Stück.
Darin wird Maltschik am Ende das Licht wiederfinden. Wo? Innendrin, sagt Mascha, in sich selbst, egal an welchem Ort man ist. Und dieser Gedanke begleitet die ukrainischen Kinder vom Musical-Projekt hoffentlich auch bei ihrem ersten Neujahrsfest in der Fremde.
Informationen zum Hörspiel
"Die Reise ins Licht des Ozeans"
Hörspiel basierend auf dem gleichnamigem Musical am Thespiszentrum Bautzen in der Regie von Olga Bakukha
Regie und Sprecher: Georg Genoux
Dramaturgie: Yana Humenna und Den Humennyi
Musikalische Leitung: Matthias Petsche
Visuelles Design: Anastasia Tarkhanova
Die Lieder und die Musik wurden gemeinsam mit den vier Musiker*innen Matthias Petsche, Yuriy Gurzhy, Marina Bondas und Grigory Semenchuk entwickelt.
Das Hörspiel feiert am 30. Dezember 2022 um 14:05 Uhr bei MDR KULTUR im Radio Premiere. Es kann ab Ausstrahlung ein Jahr lang online angehört werden.
Redaktion: Hendrik Kirchhof, Valentina Prljic
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 19. Dezember 2022 | 13:10 Uhr